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IKEA: „Arbeitest du noch oder schuftest du schon?“

Das schwedische Möbelhaus ist wieder einmal wegen seiner unmöglichen Arbeitsbedingungen im Gerede. In der Türkei waren die ArbeiterInnen der Zulieferfirma Menderes mehr als 190 Tage im Streik, das Unternehmen entließ Gewerkschaftsaktivisten bzw. deren Familienangehörige. Die Clean Clothes Kampagne ruft zu Protestschreiben an IKEA auf.

05.06.2009

Billig, praktisch, modern! Bei IKEA sind alle gleich: Hier duzen wir uns. Die Schattenseiten des Billig-Einkauf-Vergnügens tauchen aber immer wieder in den Medien auf: 2003 liess eine niederländischen Gewerkschaft die Arbeitsbedingungen bei Ikea-Zulieferbetrieben in Indien, Bulgarien und Vietnam prüfen – Ergebnis: 7-Tage-Woche, Hungerlöhne, Gewerkschaftsverbot. 2006 bestätigten Reporter von Le Monde Diplomatique, dass sich in den Betrieben seither nichts geändert hat. Der IKEA-eigene Verhaltenskodex für Zulieferbetriebe namens „Iway“ war dort immer noch nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben steht. 2008 berichtete das ZDF von katastrophalen Zuständen auch in deutschen Verkaufsfilialen – natürlich wurde dort nicht das Niveau von Billiglohnländern erreicht, aber immerhin sind die Methoden, wie man Betriebsräte entsorgt, auch in Mitteleuropa schon recht ausgefeilt.

Der schwedische Möbelriese kontert bei solchen Vorwürfen meist damit, dass alles übertrieben sei, man aber der Sache nachgehen werde oder dass man sich „bessern“ werde. Man signalisiert auch die totale Offenheit und lädt beispielsweise am 5. Juni „alle interessierten Besucher“ in die deutschen Filialen ein, „einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.“ Allerdings sind das dann offensichtlich nur die Kulissen vor den anderen Kulissen: „Auf einem Hausrundgang erfährst du alles über die IKEA-Umweltarbeit, unser Entsorgungsmanagement und unsere Produkte, mit denen Du Energie und wertvolle Ressourcen sparen kannst.“

Türkische Bettwäsche zum Wohlfühlen

Was man auf diesen Rundgängen nicht wird sehen können, sind z.B. auch die Arbeitsbedingungen in einem türkischen Zulieferbetrieb, über die jetzt die Clean Clothes Kampagne (CCK) berichtet. Denn in den letzten Jahren starben vier ArbeiterInnen bei arbeitsbedingten Unfällen in der Menderes-Fabrik in der Südost-Türkei. Hier lässt IKEA Bettwäsche produzieren.

Am 20. November 2008 verunglückte ein Arbeiter tödlich, als er in den Lüftungsschacht einer Kohleheizung fiel. ArbeitskollegInnen berichten: „Der Unfall hätte verhindert werden können – wenn die vorgeschriebenen Sicherheitsmassnahmen eingehalten worden wären.“ Doch damit nicht genug: Die Geschäftsführung von Menderes Tekstil wies drei Arbeitskollegen daraufhin an, den Körper des Unfallopfers aus dem Schacht zu holen; wieder ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen. Die drei erlitten Vergiftungen und mussten sofort ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Bereits im März 2008 schlossen sich ArbeiterInnen der türkischen Textilgewerkschaft TEKSIF an: Sie wollten sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen wehren. Doch bei dem Wort „Gewerkschaft“ sieht IKEA bekanntlich rot: Die Menderes-Geschäftsführung drohte den GewerkschafterInnen mit Versetzungen und Entlassungen. Nicht nur moralisch, sondern auch juristisch gesehen kriminell, denn in der Türkei ist gewerkschaftliche Organisation erlaubt und Drohungen gegen Gewerkschaftsmitglieder sind strafbar. Doch der IKEA-Zulieferbetrieb liess weitere Taten sprechen. Zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder, die der Gewerkschaft treu blieben, verloren ihre Arbeit. Sie legten Beschwerden beim türkischen Arbeitsgericht ein - daraufhin entliess die Menderes-Geschäftsführung deren Familienangehörigen.

190 Tage Demonstrationen

In der Türkei demonstrierten die ArbeiterInnen der Menderes-Textil-Fabrik ab August 2008 ganze 190 Tage lang vor ihrem (teils ehemaligen) Arbeitsplatz. Sie forderten die Anerkennung der Gewerkschaft und Verhandlungen mit der Fabriksleitung. Die Geschäftsführung von Menderes-Tekstil weigerte sich. Ihre Taktik setzt weiterhin auf Diskriminierung der GewerkschafterInnen.

IKEA weiß seit Monaten von den Verstößen in der Fabrik. Weitere Einkäufer in der Menderes Fabrik sind u.a. der deutsche Textilversand Otto sowie die französische Gruppe Carrefour und das amerikanische Unternehmen Wal-Mart. „Die CCK hat alle Einkäufer kontaktiert, um die Konflikte in einem Dialog zu lösen“, berichtet Michaela Krimmer von
der CCK Österreich. „Allerdings haben sie die Verstöße entweder abgestritten oder weitere Untersuchungen gefordert, aber keine konkreten Schritte zur Beendigung der Arbeitsrechtsverletzungen eingeleitet. Deshalb müssen wir nun die Öffentlichkeit zum Protest aufrufen.“

Denn mit anderen Mittel ist sobald kein Fortschritt zu erzielen: Acht illegal entlassene ArbeiterInnen haben ihren Fall bereits vor das türkische Arbeitsgericht gebracht. Ergebnisse können sich jedoch über Jahre hinauszögern. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam.

Eine Untersuchung, die IKEA auf internationalen Druck hin in Auftrag gegeben hatte, habe ergeben, so die Konzernleitung, dass bei Menderes keine systematischen Arbeitsrechtverletzungen vorlägen. Allerdings hat IKEA den Bericht bisher nicht veröffentlicht. Die CCK zweifelt an der Glaubwürdigkeit dieser Untersuchung und fordert IKEA auf, gegen die Gewerkschaftsdiskriminierung vorzugehen. Die Situation bei Menderes verstoße eindeutig gegen Iway.

Unter dem verfremdeten IKEA-Werbeslogan „Arbeitest du noch oder schuftest du schon?“ will die Clean Clothes-Kampagne jetzt mit Protesten von Privatpersonen IKEA zum Handeln drängen.

Letzte Meldung: Innerhalb weniger Stunden haben hunderte CCK-AktivistInnen in Österreich - insgesamt tausende in Europa - IKEA aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen. IKEAs Mailbox ist angeblich dermaßen überfüllt, dass keine Mails mehr ankommen! Die Clean Clothes Kampagne ruft daher dazu auf, IKEA einen Brief oder ein Fax zu schicken:

PR Ikea Österreich, Barbara Riedl
c/o IKEA Vermögensverwaltung GmbH
SCS Bürocenter B4
2334 Vösendorf
FAX: 01/69000 - 16581

(Quelle: akin, Clean Clothes-Kampagne)