Vor dem Verschwinden - zu „Einst süße Heimat“
Kurt Hofmann
In Transsilvanien, dort, wo die durch die Bildungswerkstätte Kino Erleuchteten (allenfalls) Graf Dracula vermuten, wird (auch) Deutsch gesprochen. Seit dem 11. Jahrhundert leben hier die Sachsen. Der alte Mann, hoch in den Achtzigern, weiß, wie er sterben will. Im Einklang mit der Natur soll sein Leichnam in seinem Garten den Tieren zum Fraß angeboten werden. Nichts soll von ihm bleiben, sein Platz von Anderen eingenommen werden. Wie aber hat er gelebt?
10.03.2008
Bilder, Festlegungen: Einer, der nichts gelernt hat. Dem seine Überzeugung, dass es Höher- und Minderwertige auf dieser Welt gibt, keiner nehmen kann, schon gar nicht der junge Mann, der den Film über ihn dreht. Auschwitz: für ihn ein Ammenmärchen, die Vernichtung der Juden der Holocaust sei schon „technisch“ nicht machbar gewesen… Die Nachbarn „Zigeuner“, denen der nette Nachbar hilft, auch wenn er von der ältesten Tochter eine Gegenleistung erwartet und die Sinnhaftigkeit von deren Existenz bezweifelt. Bilder einstigen Glanzes, die schöne SS-Uniform, die der Alte als Junger getragen hat. Die geschichtliche Größe der Sachsen in seiner Version der Historie. Eine Mausefalle hat er entwickelt, in der das Tier, der Schädling, sich letztlich selbst erhängt…
Und noch eine, die ihre Traditionen pflegt in Rumänien. Eine Landlerin. Altösterreicherin aus kaiserlicher Tradition. Im 18. Jahrhundert wurden die Landler, ursprünglich u. A. aus dem Salzkammergut und der Steiermark stammend, deportiert, weil sie dem protestantischen Glauben nicht abschwören wollten. Die Alte pflegt ihren Garten, braut ihren Schnaps, erklärt, dass es unvorstellbar für sie gewesen wäre, einen Rumänen zu heiraten. Unten im Dorf singen sie die alten Lieder, ganz so, als sei kein Tag seit „damals“ vergangen, die Jahreszahl auf dem Kalender eine Schimäre…
„Einst süße Heimat – Begegnungen in Transsilvanien“ von Gerold Igor Hautzenberger, stößt im neuen EU-Staat Rumänien auf gemeinsame Geschichte und versucht, nach verschütteten Erinnerungen zu graben. Was aber wird da zutage gefördert? Hautzenbergers’s Reise ist eine ins Reich der lebenden Toten, deren physische Existenz kein Gegenbeweis zu deren Verschwinden darstellt. Starr hat das Gedächtnis der Alten ihre Überzeugungen und Traditionen festgehalten. Bald schon - auf Begräbnissen spielen die Dorfmusikanten noch, denn Hochzeiten gibt es keine mehr – wird nichts mehr von ihrer Existenz künden außer verlassene Gräber…