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Meinungsfreiheit, aber nur, wenns genehm ist

Ein Kommentar aus Kopenhagen zum „Karikaturenstreit“ und zum opportunistischen Umgang der dänischen Regierung mit der Meinungsfreiheit.

24.04.2007

Die Regierungsriege um den rechtsliberalen Staatsminister Anders Fogh Rasmussen profiliert sich durch ein äusserst taktisches, flexibles Verhältnis zur Demokratie und zur freien Meinungsäusserung.
Unter starkem Druck von dänischen Weltkonzernen wie Mærsk Møller, weltgrösstes Schiffscontainerunternehmen und Arla-Foods Cooperation, versucht die rechtsliberale Regierung die realen Hintergründe des Konfliktes mit allgemeinen Formulierungen von Demokratie und freier Meinungsäusserung zu verschleiern, um die jetzt drohende Boykottbewegung dänischer Exportprodukte auf den arabischen Märkte zu unterbinden.
Dass die taktische Rücksichtnahme schon immer Tradition bei den PolitikerInnen der rechtsliberalen Regierungspartei „Venstre“ hatte, veranschaulicht ihre früheren engen Beziehungen zu den islamistischen Fundamentalisten Afghanistans: Die Jungpolitiker der „Venstre“, die heute das Regierungteam stellen, engagierten sich in den 80er Jahren begeistert für die afghanischen Mujahedin im Kampf gegen die sowjetische Besatzungsmacht. Ein veröffentlichtes Foto zeigt den heutigen Innenminister mit einer Kalaschnikow zusammen mit den Mujahedin-Kriegern im Hindukusch. Die Unterdrückung der politischen Opposition des Landes, der Meinungsäusserung und die Unterdrückung der Frauen, waren ihnen damals völlig egal, konjunkturelle strategische Übereinstimmung von geo-politischen Interessen gingen vor.
Die ehemaligen Verbündeten sind im wechselnden Kurs der Interessenlagen zu ideologischen Gegnern mutiert. In Anlehnung an die aktuelle Politik der Bush-Regierung propagieren dieselben Politiker in der dänischen Regierung heute den ideologischen Kampf zwischen einer begrifflich konfusen „demokratischen, westlichen Zivilisation“ und einem verallgemeinerten Weltbild einer homogenen „mittelalterlichen, islamischen Welt“. Ein Schema, das nur allzugut an die ideologischen Paradigmen des kalten Krieges „demokratische Weltordnung der freien Markwirtschaft“ gegen „unfreie, kollektive Gleichmacherei des Sozialismus“ erinnert.
Im aktuellen Konflikt existieren keinerlei politischen Differenzen zwischen der Jyllands-Posten, der meist gelesenen Tageszeitung des Landes, die den Konflikt mit den Karikaturen des Propheten Mohammed auslöste, und der rechtsliberalen Regierungskoalition. Seit deren Regierungsübernahme vor 5 Jahren beschlossen sie zahlreiche diskriminierende Sozialgesetze für MigrantInnen ohne dänische Staatbürgerschaft und entfachten parallel dazu gezielte Kampagnen gegen die der westlichen Zivilisation „unterlegenen“ islamistischen Grundwerte und deren Angehörigen in Dänemark. Ein wesentlicher Grund für die rassistischen Rechtsausleger der Dänischen Volkspartei „Dansk Folkeparti“ als Mehrheitsbeschafferin für die amtierende Minderheitsregierung von Anders Fogh Rasmussen zu agieren.
Der Großteil der dänischen Medien thematisiert täglich in völliger Übereinstimmung mit der offiziellen Ausgrenzungspolitik die islamische Minderheit in Dänemark als „Fremdkörper“, der unvereinbar ist mit der „besonderen dänische Kultur“. Die Betroffenen dagegen haben kaum Möglichkeiten, sich in den tonangebenden Medien zu äußern, bzw. sich zu wehren.
Als 11 Botschafter von arabischen Ländern vor dem Ausbruch des Konfliktes um eine Unterredung mit Staatminister Anders Fogh Rasmussen baten, um die bereits sich abzeichnende Zuspitzung der Lage friedlich zu lösen, erhielten sie eine arrogante Abfuhr. Der „Venstre“-Politiker wollte seine auf Kulturkampf eingeschworene WählerInnenbasis nicht brüskieren. Dass dies nicht folgenlos bleiben würde, war damals für viele KritikerInnen der Ausgrenzungspolitik von Anders Fogh Rasmussen klar. Ein neuerlicher Versuch von 23 ehemaligen dänischen BotschafterInnen, namhaften Intellektuellen und SchriftstellerInnen für einen gemeinsamen Dialog blieb gleichfalls erfolglos. Die Ereignisse eskalierten kurz danach und die Regierung gab sich offiziell „ahnungslos“.

Die Kampagne der Jyllands-Posten gegen eine Darstellung von Jesus

Jyllands-Posten praktiziert häufig genau jenen Eingriff in die freie Meinungsäusserung, den sie den aktuellen islamistischen Protesten vorwirft. Diese autoritäre Tradition der Ressentiments reicht zurück in die 30er Jahre, als die redaktionelle Linie der Jyllands-Posten offen mit den faschistischen Diktaturen von Mussolini und Hitler symphatisierte.
Der damalige Chefredakteur von Jyllands-Posten, Asger Nørgaard Larsen, forderte vor Jahren in einem Leitartikel, eine Jesus-Wandmalerei des dänischen Aktionskünstlers Jens Jørgen Thorsen an einer S-Bahn Station, Birkerød bei Kopenhagen, umgehend zu übermalen. Sie wurde daraufhin auf Betreiben des damals amtierenden sozial-liberalen Verkehrsministers Arne Melchior entfernt. Der prompte Kommentar des Chefredakteurs: „ …er hat Mut und Vernunft bewiesen, als er die Schmierereien zu entfernen verlangte, trotz der zu erwartenden üblichen Proteste und Berufungen auf Meinungsfreiheit und Grundgesetz.“ Heute ist der frühere Chefredakteur Vorsitzender des Fonds-Beirates von Jyllands-Posten und vertritt mit der Befürwortung der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen die gegenteilige Meinung.
In den 80er Jahren unterstützte die Chefredaktion von Jyllands-Posten einen parlamentarischen Verbotsantrag des heutigen Aussenministers Per Stig Møller gegen eine kleine linksradikale Kulturzeitschrift „Autonomi“ mit einer Auflage von 1.400 Exemplaren, weil diese Erklärungen von „gesellschaftsuntergrabenden“ linken Organisationen veröffentlichte. Der Antrag wurde allerdings von der Mehrheit des innenpolitischen Ausschusses abgelehnt.
Ein aktuelleres Beispiel stellt ein Leitartikel in der Jyllands-Posten von vor zwei Jahren dar, der den Amoklauf des israelischen Botschafters in Schweden rechtfertigte, als der in eine Kunstausstellung stürmte und ein Gemälde, das eine junge palästinensische Selbstmordattentäterin darstellte, erheblich beschädigte.

Solidarität mit linken Organisationen wird in Dänemark kriminalisiert

Seitdem die EU in Einvernehmen mit den USA einige linke Organisationen, die den bewaffneten Kampf als Teil ihrer Widerstandsstrategie praktizieren, auf die Terrorliste gesetzt hat, versucht die rechte Regierung Fogh-Rasmussens systematisch die Solidaritätsaktivitäten für die FARC in Columbien und die PFLP im besetzten Teil Palästinas gesetzlich zu unterbinden. Alles im Namen der „freien Meinungsäußerung“, versteht sich…
Die dänische Regierung beruft sich genau wie ihr Hoforgan und Sprachrohr Jyllands-Posten auf die Freiheit der Meinungsäußerung. Sie meinen aber offensichlich ihre eigene Freiheit der sozialen Ausgrenzung ethnischer Minderheiten.

Ein Kommentar von A.L. (Kopenhagen)

18-02-2006, 18:21:00 |A. I. (Kopenhagen)