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Klimakonferenz in Kopenhagen: Klimaziele versinken im Geschacher der Großmächte

Die vorbereitenden Gipfel zur Klimakonferenz in Kopenhagen (7.–18. Dezember), die das 2012 auslaufende Kyoto-Abkommen verlängern soll, sind alle ergebnislos verlaufen, nur durch ein Wunder könnte in Kopenhagen noch etwas herumkommen.

27.11.2009

Das Protokoll von Kyoto aus dem Jahr 1997 hatte für einen Zeitraum von 15 Jahren relativ präzise, auch quantitative Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen festgelegt. Die USA haben das Protokoll nicht unterzeichnet. Auch jetzt verkündet die Regierung Obama, dass sie keine Verpflichtungen eingehen kann, solange der Senat nicht ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat. Sie schlägt vor, den "juristisch-politischen Rahmen", des Abkommens neu auszuhandeln.
Wenn dieser Vorschlag angenommen wird, kann man begraben, was bislang erreicht wurde. Die Gruppe der 77 plus China hat sich strikt gegen die Abkehr vom bisherigen Pfad ausgesprochen. Die EU-Staaten sind sauer auf die USA aber zugleich überzeugt, dass ein Weltklimaabkommen ohne die USA wenig wert ist, deshalb sind sie bereit nachzugeben und einen Kompromiss mit den USA zu suchen, um die Konferenz zu retten. Obamas Spielraum ist jedoch sehr begrenzt.
Es ist nicht das erste Mal, dass die USA die internationale Gemeinschaft blockieren. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die übergroße Mehrheit der Eliten und der öffentlichen Meinung in den USA kulturell und politisch unfähig ist, eine Änderung ihres Lebensstils auch nur zu denken. Der "American way of life" ist für sie nicht verhandelbar. Dies gilt umso mehr, als der Ausweg aus der Krise (die vor allem die USA zu verantworten haben) und ein wirksamer Kampf gegen die Erderwärmung (für die sie ebenfalls, historisch gesehen, in erster Linie verantwortlich sind) über Maßnahmen und Instrumente führt, die zugleich ein "grünes Wachstum" und einen runderneuerten liberalen Kapitalismus fördern und die politische und technologische Führungsrolle der USA bekräftigen, nicht schwächen.
Wenn die USA heute auch das Haupthindernis auf dem Weg nach Kopenhagen sind, so wird doch der Glaube an eine neue Wachstumsphase des "grünen Kapitalismus" von den anderen großen Akteuren der Welt geteilt: EU, China, Indien, Russland, Brasilien... Jedes "große" Land schaut auf ein Abkommen auch mit dem Gedanken, aus dem Kampf gegen den Klimawandel die größten wirtschaftlichen Vorteile zu ziehen. Die Verantwortung für ein Scheitern in Kopenhagen ist also gut verteilt.

Die Ziele von Kyoto reichen nicht

Kopenhagen wird das Ziel verfehlen, die CO2-Emissionen soweit zu reduzieren, dass die globale durchschnittliche Temperatursteigerung bis 2100 2°C nicht übersteigt. Seit Jahren zeigen die Arbeiten des IPCC, dass ein solches Ziel eine Senkung der CO2-Emissionen bis 2050 um 60% (im Verhältnis zu 1990) impliziert. 80% von diesen Senkungen gehen auf das Konto der sog. entwickelten Länder.
Das Kyotoprotokoll hat den reichen Ländern aufgegeben, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 35–40% zu senken (im Verhältnis zu 1990). In der Logik der Herrschenden ist die Senkung der Emissionen der Schlüsselfaktor im Kampf gegen den Klimawandel; er entscheidet darüber, wer gewinnt (und "siegt") und wer zahlt (also "verliert").
China, Indien und Brasilien weigern sich deshalb, sich auf eine konkretes Niveau der Reduzierung festzulegen, wenn die Industrieländer nicht mit gutem Beispiel vorangehen. Die USA werden sich weigern, konkrete quantitative Ziele zu unterschreiben, die EU ist bereit, bis zu 30% ihrer Emissionen bis 2020 zu reduzieren, allerdings unter der Bedingung, dass die anderen das auch tun (insbesondere die USA).
Dabei zeigt die jüngste Studie des World Resources Institute aus den USA, dass für die reichen Länder, wenn sie den CO2-Ausstoß auf 450 ppm und den Temperaturanstieg auf maximal 2°C beschränken wollen (im Vergleich zu dem Niveau vor der industriellen Revolution), selbst die maximalen Ziele von Kyoto nicht ausreichen werden, diese müssen um mindestens 10% angehoben werden.
Die vorrangig vorgesehenen Maßnahmen für die CO2-Reduzierung sind marktgesteuert: ein Emissionsmarkt, ein Finanzierungsmarkt, ein Markt für die neuen Technologien, ein Markt der "Kohleprojekte". Die Marktmechanismen sind weit von einer optimierenden Selbstregulierung entfernt, sie fördern im Gegenteil den ungleichen, ungerechten und unvernünftigen Zugang zu den verfügbaren Ressourcen, weil dies den kurzfristigen Interessen großer Konzerne und lokaler wie internationaler Oligarchien entspricht. Das ist auch auf dem Erdölmarkt passiert, der vom Weltmarktpreis für Erdöl "reguliert" wird; mit dem CO2-Emissionsmarkt wird dasselbe passieren.
Der Wassermarkt in Kalifornien war auch nicht wirksamer: Vor über 20 Jahren hat Kalifornien einen Wassermarkt eingeführt, um angesichts der immer größeren Nachfrage mit der Wasserknappheit fertig zu werden. Doch der Wassermarkt hat nicht nur kein Problem gelöst, seine perversen Mechanismen haben die Trockenheit noch verschärft, das amerikanische Bundesland hat nun den "Wassernotstand" ausgerufen.
Lösungen, die sich in erster Linie auf technologische Innovationen der Privatunternehmen, einen neuen grünen Wettbewerb und neue Profitmöglichkeiten konzentrieren – wie sie im vergangenen Mai der Copenhagen Call vorschlug, ein Aufruf von etwa tausend Wirtschafts- und Finanzführern – können die Logik von Herrschaft und Überleben der Stärksten nur verschärfen.

Recht auf Leben

Die Verhandlungen in Kopenhagen berühren die wesentlichen Fragen des Lebens auf dem Planeten gar nicht: das Recht auf Leben für alle seine Bewohner. Sie konzentrieren sich auf Fragen der Energie des Übergangs von der fossilen Wirtschaft auf eine Post-Erdölwirtschaft. Es geht z.B. darum, was die SUVs ersetzen kann, von denen 40 Millionen in den USA allein soviel Energie verbrauchen wie 1,6 Milliarden Menschen.
Das absehbare Scheitern des Gipfels muss vor allem Basisbewegungen und -organisationen ermuntern, für ein wirkliches Weltabkommen über die Zukunft der Menschheit und des Leben auf der Erde zu kämpfen. Es ist nicht gesagt, dass das Scheitern von Kopenhagen die Mächtigen weiser machen wird. Im Gegenteil, die Gefahr ist groß, dass die Lage der Menschheit und der Zustand des Planeten sich weiter verschlechtern. Neue Grundsätze, Regeln, Institutionen und Lebensformen müssen entwickelt werden – die Anerkennung des Rechts auf Wasser, saubere Luft, Sonne, Land und Wissen als grundlegende öffentliche Güter für alle Menschen auf der Erde, die nicht vermarktet werden können.
Ein Grund, warum ein Konsens über Klimastrategien zwischen den reichen Ländern und den Schwellenländern schwierig ist, ist die dazu erforderliche die technologische Innovation und der Transfer von Wissen und Technologie an die Länder des Südens. Solange die USA und die EU sich weigern, wie zuletzt am 12.Juni in Bonn, das Regime der geistigen Eigentumsrechte zu reformieren und den Zugang der Schwellenländer und Entwicklungsländer zu neuen Erkenntnissen und Technologien zu erleichtern, damit sie ihre Produktionsweise im Sinne der Nachhaltigkeit umstellen, werden die Länder des Südens in Kopenhagen kein Abkommen unterzeichnen. Wissen muss wieder ein Gemeingut der Menschheit werden; der Kampf gegen die Erderwärmung muss mit öffentlichen oder genossenschaftlichen Finanzen vorangetrieben werden, die Produktionsweise und die Konsumgewohnheiten radikal verändert werden.

Permanente Erpressung

Es wird kein weltweites Abkommen über die Zukunft der Menschheit geben, wenn das Tempo und die Akteure des Wandels vom privaten Finanzkapital abhängen. Die Bürger, die Basisgemeinden, die lokalen und regionalen Kollektive müssen für ein öffentliches Finanzsystem auf allen Ebenen kämpfen. Es gebührt den örtlichen Sparkassen, mit ausschließlich öffentlichen Geldern den neue Entwicklungspfad vor Ort zu finanzieren. Neue Steuern müssen die öffentlichen Kassen füttern, eine CO2-Steuer also, kein CO2-Markt.
Der internationalen Bewegungsfreiheit des Kapitals und der Unabhängigkeit der Zentralbanken muss ein Ende gesetzt werden. Das Wirken der internationalen Investmentsfonds in den Sektoren Wasser, Nahrung und Gesundheit müssen von Grund auf überprüft werden; neue Formen politischer Institutionen, eine "Regierung des Zusammenlebens" müssen entwickelt werden, um eine Teilhabe der Bürger auch auf nationaler und transnationaler Ebene zu ermöglichen.
Wichtig ist auch, dass es ein Klimaabkommen gibt, auch wenn die USA nicht mitmachen. Vielleicht darf man Obama nicht weiter in Schwierigkeiten bringen, aber man darf auch nicht akzeptieren, dass die Zukunft des Planeten von der permanenten Erpressung durch eine imperiale Minderheit abhängt. Die USA sollen sich, entsprechend der Regeln der friedlichen Konfliktlösung zwischen Staaten, von den Verhandlungen in Kopenhagen zurückziehen und bessere Bedingungen abwarten. Das Abkommen von Kyoto hat gezeigt, dass Fortschritte auch ohne die USA möglich sind.

Riccardo Petrella

(Quelle: SOZ, aus: Carta, Rom 37/2009 (www.carta.org). Der Autor lehrt Politikwissenschaft an der Universität Löwen und ist Mitinitiator der Internationalen Initiative gegen die Privatisierung des Wassers)