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Iran/USA: Betrachtungen über den 4. Golfkrieg

Siggi Berg

Die „US- Navy schickt Flugzeugträger in den Golf“ meldete n-tv am 19. Dezember. Die US- Navy verstehe diese Entsendung „als Warnung an den Iran“. Da sich bereits jetzt ein US- Flugzeugträger im Golf befindet, würde sich das US- Kriegspotential massiv erhöhen.

17.01.2007

„Diese doppelte Art des Krieges ist nämlich diejenige, wo der Zweck das Niederwerfen des Gegners ist, sei es, daß man ihn politisch vernichten oder bloß wehrlos machen und also zu jedem beliebigen Frieden zwingen will, und die jenige, wo man bloß an den Grenzen seines Reiches einige Eroberungen machen will, sei es, um sie zu behalten, oder um sie als nützliches Tauschmittel beim Frieden geltend zu machen. Die Übergänge von einer Art in die andere müssen freilich bestehenbleiben, aber die ganz verschiedene Natur beider Bestrebungen muß überall durchgreifen und das Unverträgliche voneinander sondern.
Außer diesem faktisch bestehenden Unterschied in den Kriegen muß noch der ebenfalls praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und genau festgestellt werden, daß der Krieg nichts ist als die fortgesetzte Staatspolitik mit anderen Mitteln.“ (Carl von Clausewitz)

Der „Staat“, heißt es in Wirklichkeit bei Clausewitz, ist es, der im Krieg seine Politik fortsetzt, der aus seiner Friedenspolitik seine Kriegspolitik macht. Ohne diesen „Staat“ verflacht Clausewitzens Feststellung über die Politik zu einer inhaltsleeren und unverständlichen Phrase.
„Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“, lautet eine weitere Bestimmung bei Clausewitz, aus welcher unmittelbar folgt: „Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem Begriff nach zum äußersten führen muß (Hervorhebung von mir). Dies ist die erste Wechselwirkung und das erste Äußerste, worauf wir stoßen.“
Dies bedeutet nicht, daß jeder Krieg sich bis zum Äußersten entwickeln muß und entwickelt, auf unsere Zeit übertragen, sich in einen Atomkrieg entfalten muß, aber es bedeutet, daß diese Eventualität immer ein bestimmender Teil der Kriegshandlungen ist und wie wir oben belehrt wurden, damit auch der Friedenshandlungen.
Die „US- Navy schickt Flugzeugträger in den Golf“ meldete n-tv am 19. Dezember, sich auf den Fernsehsender CBS berufend. Anders als in der Analyse von Michel Chossudowsky – wir kommen auf seine Analyse noch zu sprechen - verharmlost n-tv diese Entsendung mit der ergänzenden Bemerkung: Die US- Navy verstehe diese Entsendung „als Warnung an den Iran“. Da sich bereits jetzt ein US- Flugzeugträger im Golf befindet, würde sich das US- Kriegspotential massiv erhöhen. Aber, so n-tv weiter: „Die Aufstockung ziele nicht auf einen Angriff auf den Iran, sondern solle die Regierung in Teheran von provokativen Handlungen abhalten.“ Wie soll diese Formulierung „von provokativen Handlungen abhalten“ zu verstehen sein? Eine militärische Bedrohung, die nicht die Eventualität eines militärischen Schlages in sich birgt, ist keine militärische Bedrohung, sondern nur leeres Säbelgerassel. Worin besteht aber die militärische Drohung eines US- Flugzeugträgers? Der Öffentlichkeit stets bei diesen atomar aufbereitenden Diplomatenbällen vorenthalten ist das schnöde Fakt, daß US- Nuklearwaffen den Iran bedrohen. Die Eventualität eines Atomkriegs ist einkalkuliert, ist Bestandteil der amerikanischen Drohpolitik – nicht erst seit diesem Jahr, sondern seit Jahrzehnten! – auch und gerade dann, wenn nicht erwogen ist, diese Atomwaffen auch aktuell einzusetzen. Wir sind hier bei dem „Begriff des Äußersten“, wie ihn Clausewitz dargelegt hat. Man muß bei dieser emotional angeheizten Diskussion über die hochgeredete Krise zur iranischen Urananreicherung „die Kirche im Dorf lassen“. Es sind die USA, welche mit Atomwaffen ein anderes Land, den Iran, bedrohen, um ihn – laut CBS, bzw. n-tv, von „provokativen Handlungen“ abzuhalten. Wir sehen allein aus der Betrachtung dieser Entsendung eines zusätzlichen Flugzeugträgers in die Golfregion, daß es die staatspolitische Seite der USA ist, von der die Aggression ausgeht. „Es ist empörend“, schreibt darüber Daniel Ellsberg in der Frankfurter Rundschau vom 13. 12. (online- Ausgabe), „dass der amerikanische Kongreß, die US-Medien und die Öffentlichkeit, zusammen mit der Öffentlichkeit und Regierungsvertretern amerikanischer Verbündeter wie Deutschland, diese Drohungen zulassen, ohne dass vehement – oder überhaupt – bestritten wird, dass ein amerikanischer Präsident oder der Kongreß, oder auch die Nato oder die EU, überhaupt die Option eines nuklearen Erstschlags haben – unter den derzeitigen oder überhaupt auch nur irgendwelchen Umständen. Wenn andere Länder angesichts solcher unrechtmäßiger Bedrohungen schweigen, machen sie sich schon lang vor dem Angriff mitschuldig.“ Dabei hatte die UN- Generalversammlung vor 25 Jahren auf dem letzten Höhepunkt des ‚kalten Krieges’ folgende Deklaration verabschiedet: „Jede Doktrin, die einen atomaren Erstschlag oder irgendwelche Handlungen erlaubt, die die Welt mit einer Katastrophe bedrohen, ist? unvereinbar mit menschlichen Moralstandards und den erhabenen Idealen der UN […] Staaten und Staatsmänner die als erste Nuklearwaffen einsetzen, begehen das denkbar schwerste Verbrechen gegen die Menschheit.“  Die große Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft lehnt nicht nur den Ersteinsatz von Atomwaffen generell ab, sondern auch die Drohung mit einem solchen Ersteinsatz! Es sind folgerichtig die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten, welche eine Bedrohung des Weltfriedens im Geiste der UN- Charta darstellen. Sicherlich werden sich die Schöpfer und Hauptakteure dieser Veranstaltung nicht von selbst auf die Anklagebank begeben, aber es ist bezeichnend für die politische und gesellschaftliche Krise der Gegenwart, in welchen Gegensatz zu ihren eigenen erklärten Grundsätzen sie sich begeben haben.
Entgegen den Erwartungen und ursprünglichen Versprechungen amerikanischer und britischer Regierungskreise, daß man sich aus dem Irak zurückziehen werde, verstärkt Bush nun, nachdem er sein Debakel der Kongreßwahlen verdaut hat, die US- Truppenpräsenz im Halbmond. Von 480 000 Soldaten soll die Mannschaftsstärke auf 512 000 erhöht werden.
Kriegsvorbereitungen sind nicht in wenigen Wochen zu bewerkstelligen, sondern bedürfen langer Vorbereitung und gründlicher Planung. Es ist ein weit verbreiteter Irrglauben, daß Kriege einfach entstehen – Kriege werden vorbereitet und geplant. Die letzte Kriegsvorbereitung, die Planung des dritten Golfkriegs, wurde von amerikanischer Seite innerhalb eines Jahres bewerkstelligt, obwohl der Irak seit 1991 ständiger militärischer Kontrolle unterworfen war. Global Research berichtete bereits im Oktober von der Verlegungen mehrerer Zerstörer und anderer Kriegsschiffe in die Golfregion. Deren Bewaffnung mit Minensuchbooten und Minenräumern zeugen von einer Kriegsvorbereitung gegen Iran, der im Falle eines Angriffes droht, die Meerenge von Hormuz und damit die Ölstraße zu verminen. Daß der Iran ohne massive Provokation die US- Streitkräfte oder Öltanker angreifen wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Warum sollte sich also die US-Marine mit Minensuchbooten und Minenräumern ausstatten, wenn sie sich nicht gegen Vergeltungsschläge des Iran versichern möchte?
Daß die USA Kriegspläne gegen den Iran ausgearbeitet haben ist längst kein Geheimnis mehr.  Unklar aber ist nach wie vor die Haltung der europäischen Verbündeten im Falle eines Krieges gegen Iran. Wenngleich der militärische Wert der Europäer für die USA vernachlässigbar ist, so ist die politische Unterstützung von ungeheurer Wichtigkeit. Am 28. November 2006 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der 26 Staaten der „vergrößerten“ NATO zusammen mit ihren Verteidigungsministern in Riga, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Rußland. Nicht nur daß die Wahl des Tagungsortes ein deutliches Signal gegen Moskau war, auch die Konferenzen fanden hinter verschlossenen Türen statt. Mit von der Partie waren auch Vertreter des europäischen militär-industriellen Komplexes, Vertreter einschlägiger Stiftungen und ausgewählter Medien. Obgleich offiziell über Themen wie Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Nato, Energieversorgung und die Rolle der Nato im Mittleren Osten gesprochen wurde, ist anzunehmen, daß hier auch die Frage eines Irankrieges erörtert worden ist. Die Konferenz zielte darauf, einen Konsens zwischen US- und europäischer Mittel-Ost-Politik zu erreichen.
Auch von anderer Seite erfolgen Warnungen. So schreibt Neues Deutschland vom 2. Oktober.
„Die Wochenzeitung ‚The Nation’ berichtete in ihrer Online- Ausgabe unter der Überschrift ‚War Signals’ unter Berufung auf Militärs, das Weiße Haus und das Pentagon hätten Marschbefehle für die Entsendung einer ‚strike group’ aus Kriegsschiffen in den Persischen Golf vor die Westküste Irans erteilt.“ Und weiter: „Die Öffentlichkeitsabteilung der Marine bestätigte der ‚Nation’ zufolge den Befehl zum Auslaufen. Zuvor sollen mehrere auf der ‚Eisenhower’ stationierte Offiziere ihrem Ärger Luft gemacht und Kriegsgegner über den Plan informiert haben. Die Regierung wolle Iran angreifen, ohne den Kongreß informiert zu haben, teilten Informanten der Zeitschrift mit.“
Für die US- Zeitschrift The Nation ist es als deutliches Kriegssignal zu verstehen, sollte der zweite Flugzeugträger, die Eisenhower, länger in der Golfregion bleiben, ohne das die US- Enterprise abgezogen werde, von der bisher die Luftangriffe auf Afghanistan ausgingen.
All diese Hinwese sind zwar verstreut und erlauben noch kein genaues Bild über das wirkliche Szenario, aber in Verbindung mit der Tatsache, daß der Irankonflikt des Frühsommers nun aus den großen Spalten der Tagespresse verschwunden ist, weisen diese Informationen sehr deutlich in Richtung Krieg. Bush möchte seine Regierungszeit mit einer Erfolgsmeldung krönen, und die Hardliner in seiner Regierung verfechten seit eh die Illusion, daß für das Debakel im Irak nicht sie und dieser imbezile Präsident, sondern die iranische Regierung verantwortlich sei, weswegen man das iranische Volk mit einem Krieg abstrafen müsse. Seien wir darum wachsam und auf einen neuen, einen fürchterlichen Krieg gefaßt.
Im nächsten Teil werden wir uns etwas mit dem diplomatischen Vorgeplänkel dieses Jahres beschäftigen.