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Frankreich: Die ANTIKAPITALISTISCHE LINKE formiert sich

Johann Schögler

Eintausend Delegierte (eine/r für je zehn AktivistInnen) versammelten sich am 28. und 29. Juni 08 im nördlichen Vorort von Paris in St. Denis für eine erste frankreichweite Koordination zur Gründung einer neuen antikapitalistischen Partei, die um die Jahreswende den Gründungskongress abhalten wird. Dabei soll auch der Name der Partei festgelegt werden. Dies war möglich auf Grund der Initiative der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) die dieses Projekt vor einem Jahr lancierte. Die LCR wird sich vor dem Gründungskongress der neuen Partei auflösen.

02.07.2008

Zu den 3.000 AktivistInnen der LCR sind in der Zwischenzeit 7.000 Interessierte an dem neuen Projekt der Neuen antikapitalistischen Partei ( NPA) dazu gekommen. In allen Regionen Frankreichs, aus den verschiedendsten AktivistInnenbereichen kommend, hatten sie sich in ihrer Region mehrmals getroffen, um über das Wie, die Inhalte, die Ziele aber auch die Zweifel etc. in Bezug auf dieses Anliegen zu diskutieren. Nachdem es sich um ein Projekt handelt, das sich zum Ziel setzt, die verschiedenen antikapitalistischen Strömungen von der Basis her zu sammeln, befinden sich darunter sehr viele Menschen mit nicht sehr tief greifenden politischen Erfahrungen. Pierre-Francois Grond; Führungsmitglied der LCR meint: “Die größte Herausforderung besteht darin, die Nichtmitglieder der LCR auf allen Ebenen einzubinden, zumal die Hälfte unter ihnen überhaupt keine politische Erfahrung hat“ (Le Monde 28. Juni 08))

„Dieses erste Treffen ist kein Minikongress, sondern ein kräftiger Gründungsakt“ lancierte Olivier Besancenot , Sprecher der LCR, vor den 1.000 Delegierten, die mehrheitlich nicht Mitglieder der trotzkistischen Partei sind und er fuhr fort:.“Wir sind aufrührerisch, wir wollen weiter gehen, wir wollen eine andere Gesellschaft gründen, und das, was uns verbindet, ist der Schritt einer politischen Neugründung.“ (derselbe)
Auch für Alain Krivine, Gründungsmitglied der LCR im Jahre 1968 „ist das ein großer Erfolg“ „Wir sind am Anfang des Prozesses und wir sind bereits 10.000.“  Der Erfolg hat auch mit der Schwäche der SP zu tun, die sich um Vorsitzendenrivalitäten mehr kümmert als die Politik Sarkozys in der Opposition zu bekämpfen. „Olivier Besancenot erscheint als der bessere Widersacher gegenüber Sarkozy, zumal die SP stumm ist oder die Regierung in der Frage der Pensions“reform“ sogar unterstützt.“ (derselbe) Letzten Meinungsumfragen zufolge ist O. Besancenot zum beliebtesten Oppositionspolitiker der Franzosen geworden - vor dem Pariser Bürgermeister (SP) Bertrand Delanoe und Ségolène Royal.

Philippe Raynaud, Politologe und Uni-Prof. in Paris-II  antwortet in (Libération 28.Juni 08) auf die Frage, warum die neue antikapitalistische Partei (NPA) für die SP eine Bedrohung sei mit zwei Gründen: Die NPA wird niemals eine Regierungsbeteiligung …. wie die Kommunisten dies taten, eingehen; wobei letztere Programme mitgetragen haben, die keinen Bruch mit dem Kapitalismus zum Ziel hatten. Der zweite Grund liegt darin, dass die LCR nicht müde wird, zu erklären, dass „die Rechte und die klassische Linke nicht das gleiche sind“, sie aber trotzdem nicht bei Wahlen für die klassische Linke aufrufen wird….Die KP holte sich ihren Anteil aus der Allianz mit der SP. Die LCR will nichts verhandeln. Daraus erwächst ihre Stärke.“
Die SP wirft der LCR vor, dasselbe Spiel auf der linken Seite zu spielen, das der Rechtsextreme Le Pen von der Front National für die Rechte gespielt habe. Demnach hätte Sarkozy ein Interesse, dass Besancenots Stellung gestärkt wird, weil er auf Grund der  antikapitalistischen Einstellung keine Zusammenarbeit mit der SP anstreben wird und somit die Rechte leichter an der Macht bleiben kann, und weil die KP zu unbedeutend geworden ist, um als regierungsfähiger Koalitionspartner für die SP zu dienen.

Ein zentrales Ziel dieses ersten Koordinationstreffens ist es, eine gemeinsame Struktur auf die Beine zu stellen, die bis zum Herbst einen Programmentwurf erarbeitet und die Statuten dieser Neuen Partei formuliert. Bisher hatte die LCR diesen Parteibildungsprozess getragen, ab nun wird es ein aus diesem Treffen hervorgegangenes Komitee sein und auch alle zentralen Anliegen werden nicht mehr über die LCR-homepage, sondern über eine eigene laufen.

Die NPA - die laut Alain Krivine wegen der negativen Konnotation des Begriffes antikapitalistisch wahrscheinlich anders benannt werden wird - so O. Besancenot bei seinem Redebeitrag: „Die NPA wird sich nicht gegen die SP und KP stellen. Die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft ist eine politische Angelegenheit. Es gibt keinen Grund, dass sich irgendjemand links von dieser Initiative bedroht fühlt…. Die NPA muss ein außergewöhnlich anziehender Hoffnungsträger werden. Anstatt zu jammern und zu warten, dass die Antworten von irgendwoher kommen, sollten wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.“


15-köpfige, kollegiale Leitung

In einem zweiten landesweiten Treffen im Oktober soll es zur Einrichtung einer nationalen Koordination der Kollektive der NPA kommen. Zahlreiche Fragen blieben diesmal auch noch ungelöst, beispielsweise,  wie aus der NPA ein breiter Zusammenschluss aller linken Kräfte und nicht nur eine erweiterte LCR zu erreichen ist? Wie soll die Partei sich gegenüber der SP und der KP positionieren? Und gegenüber der Regierung?...

 Es gab auch kritisch-konstruktive Stimmen wie jene von Clémentine Autain, die im Namen der anti-liberalen Komitees teilnahm und meinte: „Die NPA darf sich nicht darauf beschränken, ein FAN-Club von O. Besancenot zu werden“ (Journal du Dimanche 29. Juni)

Medieninteresse erregte die Teilnahme von Jean-Marc Rouillan, einem ehemaligen Mitglied und Mitbegründer der linksextremen bewaffneten Gruppe „Action directe“ (dem französischen Pendant zur Roten Armee Fraktion - RAF), der 2007 nach 18 Jahren Gefängnis auf freien überwachten Fuß gesetzt worden war. Dazu vom öffentlichen Fernsehsender „France2“ befragt erklärte O. Besancenot: „Ich gehöre zu einer politischen Strömung, die die Methoden von „Aktion directe“ missbilligte und für fasch fand. Die Frage, die sich  heute stellt ist jene, ob Personen, die im Gefängnis ihre Strafe abgebüßt haben, das Recht haben Politik zu betreiben? Wir sind der Meinung, dass sie dieses Recht haben.“

Im Appell der Nationalen Koordination der Initiativkomitees für eine Neue Antikapitalistische Partei heißt es: „Wir rufen euch alle auf, eine Linke aufzubauen, die nicht aufgibt. Eine antikapitalistische, internationale, antirassistische, ökologische, feministische und eine, die alle Diskriminierungen bekämpft. Um die Welt zu ändern, brauchen wir eine Partei, die das System bis aufs Äußerste bekämpft, für die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft. Jene Linke, die wir wollen, muss sich international und vor allem auf europäischer Ebene organisieren; sie muss an Wahlen teilnehmen, ohne jemals zu vergessen, dass letztlich nur die sozialen, kulturellen und ökologischen Mobilisierungen die Veränderung bewirken werden.“( www.lcr-rouge.org)