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Dänemark: Wir brauchen ein neues Jugendhaus in Kopenhagen

Nach vielen Jahren Unruhe bis hin zu dezidierten Straßenkämpfen gibt es jetzt nur noch ein leeres Grundstück, wo bis vor kurzem ein Haus stand, das von Initiativen und Kreativität sprudelte und gleichzeitig ein Symbol für die Geschichte der ArbeiterInnen- wie der Frauenbewegung war.

11.05.2007

Die Verantwortung dafür tragen Sozialdemokraten und bürgerliche Parteien im Stadtrat, die das Ungdomshuset (Jugendhaus) am Jagtvej verkauften - ein Haus, von dem der konservative Kulturbürgermeister Thustrup Hansen schon 1999 sagte, es sei der Jugend geschenkt und man könne "ein Geschenk nicht erst geben und dann wieder zurücknehmen" (TV-Lorry, 07.03.07).
Dennoch entschloss sich eine politische Mehrheit, das Haus zu verkaufen und anschließend der Christensekte Faderhuset (Vaterhaus) das Recht zu geben, die jungen Nutzerinnen und Nutzer hinauszuwerfen und das Haus niederzureißen. Diese Politiker haben das Problem geschaffen und sich jeder einleuchtenden Lösung widersetzt. Nutzerinnen und Nutzer des Jugendhauses mussten nicht nur diese politische Verstocktheit mit ansehen; sie wurden auch aus ihrer Zufluchtstätte hinausgeworfen und mussten erleben, wie das Haus von Kränen und Bulldozern zertrümmert wurde.

Auch die Regierung hat versucht, aus dem Konflikt billige Punkte zu holen, indem sie sich als "Verteidiger des Rechtsstaats gegen verhätschelte Jungterroristen" darstellte. Mit voller Unterstützung für die Polizei und Erklärungen über die Verantwortung der Eltern und der Androhung, sie für Zerstörungen ökonomisch verantwortlich zu machen, bestritten sie jede politische oder gesellschaftliche Verantwortung für den Konflikt, der alleine zum Ausdruck individueller Probleme einige Jugendlicher  und deren mangelnder Erziehung gemacht wurde -- wobei die Proteste gegen die wachsende Gleichschaltung und Individualisierung, die Jugendliche erleben, völlig ignoriert werden.
Auch die Presse trägt Verantwortung. Was dieser Konflikt für den neugegründeten Nachrichtenkanal TV2-News bedeutete, kann in Werbekronen gar nicht gemessen werden - mit "breaking news" und einem Helikopter über [dem betroffenen Stadtteil] Nørrebro rund um die Uhr hat der Sender es verstanden, das Maximum herauszuholen. Der Rest der Presse folgte mit mehr oder weniger gut untermauerten, aber immer dramatisierenden Überschriften.

Dass die Polizei sich als Werkzeug in einem politischen Konflikt hat einsetzen lassen, kann nicht verwundern. Die Polizei trägt Mitverantwortung für die Eskalation des Konflikts durch ihre Strategie, "zuerst zuschlagen", legale Demonstrationen aufzulösen, Verhaftungen vorzunehmen und bis dahin friedliche Demonstrationen mit Tränengas anzugreifen.
Gleichzeitig hat die Polizei die Stimmung angeheizt und versucht, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu untergraben, indem sie die Menschen aufforderte, sich von den Straßen Nørrebros fernzuhalten. Auch Durchsuchungen von Privatwohnungen und Büros politischer Organisationen - manchmal auch ohne richterliche Durchsuchungsbefehle - sowie Massenverhaftungen und Untersuchungshaftbefehle am Fließband ohne überzeugende juristische Behandlung des Einzelfalls dienten mir dazu, die Stimmung anzugeizen und den Rechtsstaat zu untergraben, den die Polizei doch schützen soll.

In dieser Situation verwundert es nicht, dass einige frustriert sind und zu Gewalt und Zerstörung greifen. Es kann auch nicht verwundern, dass einige Gruppen auf die Ideen kommen, dass dies die einzige und beste Art sei, das System zu bekämpfen. Es ist wirklich nicht schwer zu verstehen, dass manche so reagieren. Aber dieses Verständnis ändert nichts daran, dass das Zerschlagen von Schaufensterscheiben, das Zerstören der Autos einfacher Bewohnerinnen und Bewohner von Nørrebro und das Abfackeln einer Schulbibliothek durch und durch unsolidarisch sind. Zusammen mit Bränden und Pflastersteinen hat das viele, die das Jugendhaus und seine Nutzerinnen und Nutzer unterstützt hatten, dazu gebracht, sich gegen sie zu wenden, und andere blieben zu Hause, statt an Demonstration o.Ä. teilzunehmen. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben.

Vielleicht wäre der Jagtvej 69 nicht zu retten gewesen. Aber man hätte mit der vorbereiteten Besetzung der anderen Gebäude reagieren können, die als neues Jugendhaus im Gespräch waren, und Unterstützer und Sympathisierende auffordern zu kommen und einen permanenten Sperrgürtel um das Haus zu bilden.
Vielleicht hätte die Polizei auch das nächste Gebäude geräumt. Doch mit jedem neuen Haus wäre es für die Polizei schwieriger und mit jeder neuen Besetzung der Druck auf die Politiker größer geworden. In gewisser Weise war das die Methode, mit der vor 25 Jahren das Ungdomshus im Jagtvej erkämpft worden war. Aber das hätte vorausgesetzt, dass Nutzerinnen und Nutzer sich kollektiv von der Idee lösen, alle hätten das Recht, auf ihre Art und mit ihren Methoden aktiv zu werden und alle Methoden seien gleich gut und akzeptabel.
Diese fast totale Freiheit kann im Alltag eines selbstverwalteten Jugendhauses funktionieren und den Freiraum schaffen, für den Bedarf besteht. Aber diese Organisationsform taugt nichts, wenn gekämpft werden muss. Sie bringt keine Erfolge, unter Anderem weil sie die Aktiven von den breiten Gruppen in der Gesellschaft trennt, die man zur Unterstützung gewinnen könnte.
Es ist nicht gelungen, den Kampf politisch zu machen. Solange die Kampfziele unklar sind, wird zu leicht die Polizei als Gegner gesehen, und so kommt die Gewalt allzu sehr in den Fokus. Und das ist destruktiv für die Unterstützung.
Es ist daher eine wichtige Lehre, dass die anarchistische Methode zwar gut ist, Kreativität zu fördern und zu stärken, aber dass sie weniger gut für eine zielgerichtete Konfrontation mit der ganzen Gesellschaftsmaschinerie geeignet ist.

Der Kampf ist nicht verloren!

Wir brauchen kreative und soziale Freiräume - auch in Kopenhagen. Wir brauchen selbstverwaltete Jugendhäuser. Die Stadt Kopenhagen hat die Verantwortung, deren Existenz zu sichern und zu finanzieren - genauso wie Sporthallen, Freizeitheime, Parks und Altentagesstätten.
Diese Verantwortung liegt bei den PolitikerInnen im Kopenhagener Stadtrat, und vor dieser Verantwortung können sie nicht fliehen, nur weil es Gewalt - auch sinnlose Gewalt - auf den Straßen gegeben hat. (...)

Geschäftsführender Ausschuss der SAP, 9. März 2007

Quelle: http://www.sap-fi.dk/sap/ugens_kommentar/uk20070309.htm


09-04-2007, 21:53:00 |