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Afrika in der Globalisierung: Objekt der Begierde

Jean Nanga

Von Afrika wird in den Medien das Bild eines Kontinents gezeichnet, der von der Globalisierung "abgehängt" wurde und deswegen nicht auf die Füße kommt. Hunger, Korruption und der anhaltende Massenexodus in die kapitalistischen Zentren wären die Folge eines selbstmörderischen Reflexes, der die Eliten dazu antreiben würde, anders als Asien die Chancen, die die Globalisierung bietet, verstreichen zu lassen.

11.05.2007

Die Lotterwirtschaft der herrschenden afrikanischen Eliten ist leider eine Tatsache. Die Demokratisierung der 90er Jahre hat den Virus der Oligarchie nicht ausgerottet. Im Gegenteil, da sie auf neoliberalem Humus gewachsen ist, hat sie eher die Bereicherung, auch die unzulässige, befördert.
In der Ära nach Mobutu oder nach Hufuet-Boigny wurden in der Subsahararegion Vermögen angehäuft. Regierungschefs wie Dos Santos (Angola), Sassou Nguesso (Kongo), Biya (Kamerun) oder Bongo (Gabun) haben durch die Veruntreuung öffentlicher Gelder und die Verschleuderung strategischer Märkte an Private Werte in der Größenordnung von Konzernen angehäuft. Sie haben aber auch investiert, sowohl im eigenen Land wie außerhalb — in Banken, Immobilien, Bergwerke, Erdöl... Sie sind damit zu richtigen Kapitalisten geworden, die sich vom Bilderbuchunternehmer nur dadurch unterscheiden, dass die Quelle ihrer ursprünglichen Akkumulation eine öffentliche ist.
Nicht einmal Mobutu hat Reichtümer nur angehäuft. Sein Vermögen lag nicht nur auf Nummernkonten von Banken in sog. demokratischen Ländern, es wurde auch in Immobilien und in Aktien außerhalb von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) investiert. So hat sich in Afrika eine lokale Klasse von Geschäftsleuten etabliert.
Vor kurzem hat z.B. der frühere Premierminister des Senegal, Abdulaye Wade, in einem Strafverfahren gestanden, dass er sich aus der senegalesischen Staatskasse bedient hat und dadurch zum Immobilienunternehmer geworden ist, der seine Geschäfte u.a. in Paris abwickelt. In Südafrika hat der ANC nach seinem Regierungsantritt führenden Partei- und Gewerkschaftsfunktionären (der COSATU) die Gelegenheit verschafft, Vorstandsvorsitzende oder gar Eigentümer von Privatunternehmen zu werden — im Namen des black empowerment (Ermächtigung der Schwarzen), einer positiven Diskriminierung, die darauf abzielt die südafrikanische Bourgeoisie um ein paar Farbtupfer zu bereichern.
Als Unternehmer hängen die herrschenden Eliten Afrikas an der neoliberalen Ordnung der Weltwirtschaft, deshalb lassen sie die Folgen der Globalisierung für die Völker kalt. Bestenfalls tolerieren sie deren "Kampf gegen die Armut", solange er sich noch mit ihren individuellen und Klasseninteressen verträgt.

Antikorruptionskampagnen mit zweierlei Maß

Das Ausmaß der Korruption und ihre schädlichen Folgen für die afrikanischen Gesellschaften kann man nicht leugnen: Erwachsene und Kinder sterben, weil sie nicht die Mittel haben, in den Gesundheitszentren die Korruptionsmaschine zu schmieren. Dennoch zeugen manche Kritiken an der Korruption eher von einem Moralismus, der nicht frei von einer rassistischen Überheblichkeit über die "Unreife" der Afrikaner ist, als von politischen Erwägungen.
In Wirklichkeit werden häufiger mindere Formen der Korruption aufs Korn genommen als solche, die wirklich die großen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Orientierungen eines Landes, also die Politik, beeinflussen — sie sind im Übrigen auch nicht exklusiv auf dem afrikanischen Kontinent anzutreffen. Dieser ist vielmehr Opfer einer Korruptionskultur, die dem System inhärent war, das ihm aufoktroyiert wurde bevor die einheimischen Eliten, die in diesem System ausgebildet wurden, es sich zu eigen gemacht haben. Die Orientierung des US-Kongresses an privatkapitalistischen Interessen ist eher die Norm als die Ausnahme, die politischen Entscheidungsträger können zugleich Wirtschaftsunternehmer sein, die viel eher daran interessiert sind, wie sie Gesetze und öffentliche Vorhaben zu ihren Gunsten wenden können, als wie sie die Verwendung öffentlicher Gelder kontrollieren.
Über Korruptionsfälle, in die die politische Klasse, manchmal sogar die Spitzen des Staates in den Gesellschaften des kapitalistischen Zentrums involviert sind, hüllt sich einvernehmlich des Mantel des Stillschweigens oder sie fallen dem kollektiven Vergessen anheim wie die Kette von "Affären" in Frankreich. Manchmal wird dem noch ein bisschen nachgeholfen, wie im Fall der "Affäre Elf" — ungeachtet dessen, dass sie im Kongo Tausende Menschenleben gekostet hat.
Gerade dieser Fall bringt noch einmal in Erinnerung, dass für die afrikanischen Gesellschaften die schädlichste Korruption diejenige ist, die die herrschenden Eliten des Kontinents an die wirtschaftlichen und politischen Mächte des kapitalistischen Zentrums bindet.
Das scheint nun auch Transparency International zu entdecken, eine NGO, die seit langem das Hauptaugenmerk auf die Korrumpierten statt auf die Korrumpierenden legt. "Die großen Exporteure gefährden durch zweifelhafte Praktiken im Ausland die Entwicklung ... In den wirtschaftlich schwächsten Ländern Afrikas haben die Befragten häufig französischen und italienischen Konzerne als Urheber solcher Praktiken benannt." (Zusammenfassung des Berichts über den Korruptionsindex exportierender Länder, 2006.) Kein westliches Land erhält von dieser NGO das Prädikat 10/10. In manchen Ländern wird diese Auslandskorruption sogar gesetzlich ermutigt und steuerlich begünstigt, weil sie dem Wettbewerb dient. Der Untersuchungsbericht der britischen Africa All Parliamentary Group, der britische Konzerne anprangert, ist deshalb eine große Ausnahme und bisher auch ohne Wirkung geblieben. Der Kreuzzug der Weltbank gegen die Korruption lenkt deshalb von den strukturellen Ursachen der sozialen Ungerechtigkeit eher ab. Seine einzige Absicht ist, Regeln für die Konkurrenz zwischen imperialistischen Mächten aufzustellen.
Die USA fühlen sich in ihrem Expansionsdrang auf dem afrikanischen Markt nämlich manchmal gestört durch Seilschaften, die geschichtlich zwischen afrikanischen Eliten und europäischen Multis entstanden sind und die Folgen für die Aufteilung der Märkte haben. Ihr Kreuzzug gegen die Korruption hat deshalb etwas Willkürliches. Kein Wunder, dass sich französische und britische Minister für Entwicklungshilfe manchmal darüber beschwert haben, dass unfolgsame Schüler wegen Korruption bestraft werden sollten. Diese Rivalität wird durch den Auftritt Chinas auf dem afrikanischen Markt noch verschärft. Der französische Außenminister hat ganz treffend bemerkt: "Zu Beginn dieses Jahrhunderts ist Afrika ein erstrangiger Spielball strategischer Interessen geworden."

Afrika uninteressant?

Ökonomen können mit Zahlen an der Hand beweisen, dass Afrika aus der Weltwirtschaft herausgefallen ist und in diese noch integriert werden muss. Das Bruttoinlandsprodukt Afrikas beträgt weniger als 1% vom Weltsozialprodukt, sein Anteil am Welthandel 2% (8% waren es in den 90er Jahren), sein Anteil an den Auslandsdirektinvestitionen 1%. Diese Zahlen gehen jedoch von der falschen Annahme aus, dass es zwischen den Handelspartnern einen gerechten Tausch gebe (gleiche Beträge also gleiches Gewicht haben). Das ist bei weitem nicht der Fall.
Ein Beispiel dafür ist das jüngste Kupferabkommen mit der Demokratischen Republik Kongo: "Der US-Konzern Phelps Dodge, einer der größten Kupferproduzenten der Welt, hält Anteile am größten Bergbauprojekt in Katanga. In Tenge Fungurume lagern die größten noch nicht ausgebeuteten Kupfervorkommen der Welt ... etwa 18 Millionen Tonnen Kupfer und 1,5 Millionen Tonnen Kobalt — sie sind nach Preisen der letzten Jahre etwa 100 Milliarden Dollar wert. Tenke Mining gehört der Gruppe Lundin mit Sitz in Genf. Während Phelps Dodge 57,75% Anteile besitzt, gehören Gécamines nur 17,5%. Gécamines hat dafür von Phelps 15 Millionen Dollar bekommen. Wie kommt es, dass eine Mine, deren Vorkommen 100 Milliarden Dollar wert sind, zu einem so lächerlichen Preis verkauft wird?" (Kurt Pelda, "Wie Kongo-Kinshasa seine Bodenschätze verschleudert. Undurchsichtige Verfahren bei der Erteilung von Bergbaukonzessionen", Neue Zürcher Zeitung, 19./20.August 2006.)
Wie zur Zeit der Wende vom 19. zum 20.Jahrhundert ist Afrika seit den 90er Jahren erneut Spielball der strategischen Interessen der imperialistischen Weltmächte. In ihrem Bericht 2006 schreibt die Weltbank: "Die Einkommenssteigerung in Afrika pro Kopf der Bevölkerung entspricht derzeit derjenigen der anderen Länder auf dem Weg der Entwicklung." Das ist jedoch nur ein statistischer Durchschnitt, hinter dem sich große Ungleichheiten bei den Realeinkommen und eine sehr ungleiche Verteilung des Reichtums zwischen den Gesellschaftsklassen verbergen. Andererseits schreibt die Weltbank: "Die Produktivität der besten afrikanischen Unternehmen ist vergleichbar mit der ihrer asiatischen Konkurrenten (in Indien und Vietnam)."
Die ausländischen Direktinvestitionen haben zugenommen, die neoliberalen Reformen werden beschleunigt umgesetzt. Die International Finance Corporation, eine Agentur der Weltbankgruppe, lobt die erreichten Fortschritte in höchsten Tönen: "Im Großen und Ganzen war die populärste Reform in den Jahren 2005—2006 diejenige, die Unternehmensgründungen erleichtert hat. 43 Länder haben die entsprechenden Bestimmungen vereinfacht, Kosten und Fristen herabgesetzt. Die zweithäufigste Reform, die von 31 Ländern durchgeführt wurde, betraf die Senkung der Steuern und die Vereinfachung der Steuerzahlungsmodalitäten." Auf diese Weise konnten die ausländischen Konzerne im neoliberal gewendeten Afrika im Jahr 2005 Geschäfte in Höhe von 200 Milliarden Dollar machen.
Großbritannien war einer der Gewinner bei diesem Geschäft. Nach Angaben der britischen NGO Christian Aid sind im Zeitraum von Juli 2005 bis Juli 2006 17 Milliarden Pfund Sterling von Großbritannien ins südliche Afrika geflossen — davon waren 1,35 Milliarden Pfund Spenden, 6,8 Milliarden Direktinvestitionen, 7 Milliarden Warenimporte. Im Gegenzug jedoch sind aus dem südlichen Afrika nach Großbritannien sage und schreibe 27 Milliarden Pfund Sterling geflossen — darunter 1 Milliarde Schuldenzahlung aus Nigeria, 4 Milliarden Gewinne britischer Unternehmen, 4,5 Milliarden Warenimporte — und 17 Milliarden Kapitalflucht!
Aus dieser Perspektive gewinnt eine Äußerung des französischen Außenministers eine ganz andere Bedeutung: "Das ist ein Kontinent, dessen mittleres Wachstum inzwischen dauerhaft über dem Wachstum der Weltwirtschaft liegt und dreimal so hoch wie das europäische Wachstum ist. In 2006 wird nach Angaben des IWF das Wachstum des südlichen Afrika das neunte Jahr in Folge die 5%-Marke überschritten haben. Die Investoren haben sich nicht geirrt, die internationalen Geld- und Finanzströme in den afrikanischen Kontinent haben sich in den letzten drei Jahren verdoppelt ... Frankreich hat nicht vor, sich aus einem Kontinent, dem es nahe ist und mit dem es seit langer Zeit privilegierte Beziehungen unterhält, zurückzuziehen."

Übersetzung aus dem Französischen: Angela Klein

15-02-2007, 06:08:00 |Jean Nanga