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Wilhelm Reich und die Psychoanalyse[*]

Helmut Dahmer

„Daß die Menschen als einzige Spezies das Naturgesetz der Sexualität nicht erfüllen, ist die unmittelbare Ursache einer Reihe vernichtender Seuchen. Die äußere gesellschaftliche Lebensverneinung hat Massensterben zur Folge, in Gestalt der Kriege ebensowohl wie infolge seelischer und körperlicher Störungen der Lebensfunktion.“ W. Reich (1940)[1]

05.12.2007

Die Versuche, Freud und Marx, Psychologie des Unbewußten und Theorie der kapitalistischen Entwicklung miteinander ins Gespräch zu bringen, weisen zurück auf den Psychoanalytiker Wilhelm Reich (1897-1957). Die „Kombination“ beider Theorien - deren Aktualität auch von anderen Zeitgenossen (Erich Fromm, Otto Fenichel) gesehen und von Siegfried Bernfeld, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (oder später von Ulrich Sonnemann und Alfred Lorenzer) in einer Weise konzipiert wurde, die über die von Reich gebotenen (ideologischen) Problemlösungs-Formeln weit hinausging - war sein Thema. Die Idee einer Verbindung der Psychoanalyse mit der Kritik der politischen Ökonomie (beziehungsweise mit der Soziologie) ist mit dem Namen Reichs vor allem deshalb verknüpft, weil er, wo andere zunächst einmal ein Problem sahen, sogleich faszinierend einfache und überdies politisch brauchbare Lösungen fand. Seine - sexualtheoretisch fundierte - Antwort auf die „Sexualökonomie“ der kapitalistischen Gesellschaft der zwanziger und dreißiger Jahre war die „revolutionäre Sexualpolitik“ - der Versuch, proletarische Jugendliche durch Appell an ihre (unterdrückten) sexuellen Bedürfnisse für den politischen Kampf der sozialistisch-kommunistischen Bewegung zu gewinnen. Der Name Reich steht also für die Erinnerung an eine politisch relevante „Kombination“ der (zu diesem Zweck in bestimmter Weise stilisierten) Lehren von Freud und Marx. Die von Reich propagierte Vereinigung beider Theorien unter dem Dach einer Metatheorie dialektischer Naturentwicklung lief auf eine arbeitsteilige Kooperation (bei strikter Abgrenzung der jeweiligen Arbeitsgebiete) hinaus: Der („naturwissenschaftlichen“) Neurosenlehre und -therapie korrespondierte eine allgemeine („naturwissenschaftliche“) Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung und des („rationalen“) politischen Handelns.
Die wichtigste Funktion frühkindlicher Sozialisation ist - Reich zufolge - die Ausbildung von Charakterstrukturen, in denen die jeweils herrschenden Ideologien ihre psychosomatische Verankerung finden: Die Gesellschaft greift, indem sie zur Bildung von Abwehrmechanismen nötigt, in den psychosexuellen Haushalt der (Klassen-)Individuen ein. Familiale frühkindliche Sozialisation führt im Regelfall zur Entstehung systemkonformer (freilich klassenspezifisch unterschiedlicher) Charakterformationen. Freud und Karl Abraham hatten die psychoanalytische Auffassung des Charakters als eines Ensembles von Reaktionsbildungen gegen bestimmte Partialtriebe begründet. Reich, der die psychoanalytische Charakterologie zu einer Ichpsychologie ausbaute, entnahm ihr die Erklärung für irrationales (nämlich: der sozialen Situation und den wirklichen individuellen und Klassen-Interessen nicht „entsprechendes“) Handeln. So, wie die „Charakteranalyse“ mit Hilfe eines technisch kodifizierten Objektivierungs- und Deutungsverfahrens (der „Widerstandsanalyse“) die „Charakterpanzer“ von Individuen durchbrechen und ihre natürliche Lebendigkeit wiederherstellen sollte, sollte die „revolutionäre Sexualpolitik“ der sozialistischen Revolution aufhelfen, indem sie Jungarbeiter, die den politischen Kämpfen gleichgültig gegenüberstanden, über den Zusammenhang zwischen der Sexualrepression und der Angst vor politischem Handeln aufklärte, an ihre unbefriedigten und uneingestandenen sexuellen Bedürfnisse appellierte und sie für die Durchsetzung „sexualbejahender“ Institutionen hier und jetzt mobilisierte.
Reich faßte das Verhältnis zwischen Individuen und sozialen Institutionen (wie Erich Fromm[2]) im wesentlichen soziologistisch auf, und das heißt, daß seine Theorie zwar Unterdrückung und Apathie, nicht aber das erklären kann, dem ihr wahres Interesse gilt: was Individuen und Klassen instand setzt, trotz einer auf die Reproduktion von konservativen Strukturen abzielenden Sozialisation ihr eigenes Leben und die bestehenden Institutionen zu ändern. Das von Fromm (1937) klassisch beschriebene „Gefühl der Ohnmacht“[3], das die Individuen unseres Zeitalters vor den von ihnen unterhaltenen, gleichwohl als unabänderlich erlebten sozialen Institutionen und Prozessen überkommt, verlieh den Sozialisationstheorien seit Émile Durkheim ihr eigentümlich soziologistisches Gepräge. Wie Erich Fromm, der die von ihm vertretene (sozialisationstheoretisch begründete) Stagnations- bzw. Regressionstheorie unserer Gesellschaft durch die erbauliche Aufbereitung von tradierten anthropologischen Entwürfen und von ungleichzeitigen Lehren vom richtigen Leben für Menschen, die nicht so leben können, wie die Philosophen und Mystiker es erträumten, zu konterkarieren suchte, wählte auch Reich einen transsozialen Ausweg aus dem Zirkel von Unterdrückung und Selbst-Unterdrückung: die Rückkehr zur präsozialen (Menschen-)Natur.
Reichs zeitbedingt kurzschlüssige „Lösung“ des durch die Koexistenz der beiden kritischen Theorien aufgeworfenen Problems hat es freilich nicht „erledigt“. Die Psychoanalyse und die psychoanalytisch beeinflußte Sozialisationsforschung indizieren, daß die Marxsche Theorie der Produktionsweisen und ihrer Veränderung keineswegs eine Theorie der Sozialisation erübrigt oder schon impliziert, vielmehr auf eine gegenwärtig erst in Bildung begriffene kritische Theorie der Individualität angewiesen ist. Deren Relevanz für die Theorie der Revolution, erst recht aber für eine Theorie der verzögerten, niedergeschlagenen oder verratenen Revolutionen, steht außer Frage. Sie könnte erklären, wie im Prozeß naturwüchsiger familialer Sozialisation - in der Matrix spezifischer Lebensverhältnisse und Traditionen - affektiv-kognitive Potentiale entstehen, die die Fruktifizierung bereits entwickelter materieller Produktivkräfte erst ermöglichen. (Die Psychoanalyse befindet sich im Hinblick auf diese Aufgabe in einer privilegierten Position, weil sie - wie die Kritik der politischen Ökonomie - die Theorie einer Praxis ist, die im Bewußtsein der Handelnden nur inadäquat repräsentiert wird. Die Ideologiekritik psychosomatischer - beziehungsweise sozialer - Pseudonatur entzündet sich an dem Sachverhalt, daß die Menschen mehr tun und mehr sagen, als sie wissen oder zu denken sich getrauen.[4])
Reichs spezifische Leistung war es, die arbeitsteilig getrennt gehaltenen Sphären der psychoanalytischen Therapie und des politischen Handelns durch kühne - und gewaltsame - Synthesen miteinander zu verbinden. Seine Schriften sind zentriert um eine Reihe von glücklichen Einfällen - autodidaktisch unbekümmerten Gewaltstreichen gegen wahrhaft gordische Problemknoten. Er hatte eine verhängnisvolle Neigung, seine Funde vorschnell zu generalisieren und seine Lösungen zu dogmatisieren. Daß ihm seine Gedanken sogleich zu handlichen Formeln gerannen, hinderte ihn an der Entfaltung einer wirklich gegenstandsadäquaten, differenzierten Theorie. Auf theoretischem Felde blieb er darum ein brillanter Pamphletist und Säbelfechter.
Der Keim, aus dem all’ seine Ideen und Entdeckungen - wie er selbst es sah - mit zwingender Logik sich entwickelten, war seine Trieb- und Orgasmustheorie: eine konsequente naturalistische Umdeutung der Psychoanalyse. Freuds Anthropologie zufolge ist der Mensch ein disharmonisches Wesen, weder mit der äußeren Natur, noch mit seinesgleichen, noch mit sich selbst im Einklang; seine Triebe luxurieren, die Aneignung der kulturellen Tradition muß instinktive Verhaltensregulationen „ersetzen“. Erst ein im Sozialisationsprozeß aufgebautes „Hemmungsorgan“, der psychische Reizbewältigungsapparat, erst das Erlernen des sprachlich gebundenen gedanklichen Probehandelns, erst der Aufbau einer Identität im Umgang mit dem mütterlichen Hilfs-Ich und anderen Personen auf der Familienbühne macht Menschen überlebensfähig. Ihre organische Ausstattung treibt die Gattung auf die Bahn der Geschichte, auf den Weg der Selbstdomestikation, des „Kulturfortschritts“. Die Sphäre, worin die Probleme des gegenwärtigen Zeitalters eine Lösung finden können, ist darum für Freud (wie für Marx) die Sphäre von Arbeit, Reflexion und Klassenkampf. Anders bei Reich: Die menschliche Gattung erscheint ihm ebenso wie alle anderen Lebewesen als harmonisch in die Natur eingehängt. Die psychosexuelle Entwicklung der Individuen ist nicht die verkürzte Rekapitulation (prä-)historischer Kollektiverfahrungen, sondern folgt - sofern nicht durch Herrschaftsinteressen irritiert - selbstregulativ einem Naturschema. Die Freudsche Revolutionierung der Sexualtheorie - die Relativierung der Genitalität durch Rehabilitierung der Partialtriebe - hat Reich rückgängig gemacht. Schon 1927 vertrat er im Gegensatz zu Freud, Otto Rank und Sándor Ferenczi die These vom „autochthonen“ Charakter der genitalen Stufe der psychosexuellen Entwicklung und wandte sich - im Hinblick auf Ferenczis Genitaltheorie (1924) - gegen ein Hineintragen von „Sinn“-Fragen in „rein“ biologische Zusammenhänge.[5] Beim Gesunden sei die Genitalität der Erbe, nicht der Konkurrent der Partialtriebe. Die Isolierung der genitalen Sexualität gegenüber dem, woraus sie sich zusammensetzt, ihre Überhöhung zum naturgegebenen Ziel der psychosexuellen Entwicklung und die Abwehr von entwicklungsgeschichtlich-psychologischen Interpretationen (à la Ferenczi) zielte darauf ab, die Genitalität als ein Stück Pseudonatur vor der psychoanalytischen Aufklärung zu retten. Reichs Fetischisierung der Genitalität nahm die gegenwärtige Sexualökonomie repressiver Entsublimierung (Herbert Marcuse) vorweg.[6] Neurose war ihm gleichbedeutend mit Verlust der „orgastischen Potenz“, Gesundheit wurde mit der Fähigkeit zu orgiastischer Regression gleichgesetzt. Zum physiologisch definierten „Glück“ erfand er die Technik, es wiederherzustellen, wie immer die Lebensgeschichte, wie immer die soziale Situation seiner Patienten beschaffen sein mochte. Der Übergang von den matriarchalisch organisierten Urgemeinschaften zu den patriarchalischen Klassengesellschaften, die Entstehung von Privateigentum, Familie und Staat galt Reich als ein folgenschwerer Abfall von „Natur“ (nämlich: vom „Naturgesetz“ der genitalen Befriedigung). Deutete Freud Kultur als progressiven Triebverzicht, so erschien Reich Gesellschaft als Unnatur: Die seitherige Geschichte ist demnach eine Krankheitsgeschichte, eine Historie zunehmender Dekadenz, deren späteste Symptome Krebs und Faschismus sind. Nur wenn die Menschen ihr Leben wieder naturgemäß einrichten, sich dem Viertakt der „Lebensformel“ (Spannung - Ladung - Entladung - Entspannung) ungehemmt und reflexionslos überlassen und ihre sozialen Einrichtungen bedürfniskonform reorganisieren, werden die Plagen, die gegenwärtig über sie gekommen sind, schwinden. Schon Reichs erste Veröffentlichungen (über Triebtheorie, Koitus, Genitalität und psychoanalytische Technik) bezeugen ein sehr spezifisches, selektives Interesse an der Welt der Psychoanalyse. Im Phänomen des Orgasmus sah er den Schlüssel zu den wichtigsten biologischen, psychotherapeutischen und politischen Problemen, schließlich zur Erklärung der Natur insgesamt: War der menschliche Organismus ein von Libidoströmen durchflossener hydraulischer Apparat mit Kanälen, Schleusen, Wehren und Dämmen, war die Seele seine Spiegelung, so war der Kosmos ein Ozean lebenstiftender Orgon-Energie (die zu lebenzerstörender DOR-Energie mutieren konnte). Die Therapie der biopathischen Menschentiere war - schon in der psychoanalytischen Phase Reichs (bis zum Jahre 1934) - im wesentlichen eine Psycho-Technik zur Restauration der natürlichen Selbstregulierung ihres Libidohaushalts. Die Weiterentwicklung zur „Orgon“-Therapie führte Reich dann zur direkten Arbeit am Muskelpanzer seiner Patienten, schließlich zu einer eher physikalischen Therapie mit Hilfe von „Orgon-Akkumulatoren“. Freuds Traumdeutung, die Begründung der Psychologie des Unbewußten, erschien ihm nun als ein bloßer Umweg zu einem sachgerecht technischen, nonverbalen Umgang mit dem Stück Natur Mensch.
Reichs marxistische Phase - die Jahre 1927 bis 1937, während deren er den dialektischen und historischen Materialismus (in einer ebenfalls naturalistischen Version) als Überbau oder Seitenstück zu Charakteranalyse, Sexualökonomie und Sexualpolitik akzeptierte und im Rahmen von KPÖ und KPD politisch aktiv war - hat für die Ausgestaltung seiner Theorien die Folge gehabt, den Triumph der biologistischen Tendenz hinauszuzögern. Die Orientierung an marxistischen Theoremen schuf ein Spannungsfeld, in dem Reichs interessanteste Arbeiten entstanden.[7] Seine Erfahrung mit der stalinistischen KPD, die Reichs sexualpolitisch-organisatorische Arbeit sehr bald als Gefährdung ihrer Jugendarbeit untersagte und ihn, als er im Oktober 1933 (also noch ehe das parteioffiziell eingestanden wurde) die das Schicksal der Kommunistischen Internationale besiegelnde kampflose Niederlage in Deutschland als solche bezeichnete und mit seinen Mitteln zu analysieren versuchte, ausschloß, führte ihn schließlich zur Abkehr von jedweder (Partei-)Politik. Das politische Treiben der bürgerlichen wie der sozialistischen Organisationen erschien ihm als ein weiteres Symptom jener „Biopathie“, die es orgontherapeutisch zu heilen galt. An die Stelle der kleinen anarchokommunistischen Sexpol-Organisation, deren klare politische Stimme in Reichs Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie (Kopenhagen 1934-1938) noch einige Jahre lang zu hören war und die sich durch Unbestechlichkeit in der Beurteilung der Komintern-Politik, der Moskauer Schauprozesse und des Spanischen Bürgerkriegs auszeichnete[8], trat das Orgon-Institut, das unter anderem auch Reichs anarchistisch-libertäre Traktate über „Arbeitsdemokratie“ und „Selbstbefreiung“ im Stile von Listen, Little Man (1948)[9] publizierte.
Reichs politische Aktivität wurde ausgelöst durch die Wiener Juli-Ereignisse des Jahres 1927. Die Polizei schoß damals auf führungslos demonstrierende Arbeitermassen, die gegen den Freispruch faschistischer Terroristen protestierten.[10] Reich war nicht nur „sympathisierender Intellektueller“, sondern aktives Mitglied der KPÖ und der KPD, beteiligte sich an Demonstrationen und an riskanteren politischen Unternehmungen, ehe er in den Jahren 1931/32 seine sexualpolitische Arbeit im Rahmen der KPD-Kultur- und Jugendorganisation in großem Stil realisieren konnte. Seine Massenpsychologie des Faschismus (1933) blieb für Jahre der einzige Versuch eines psychoanalytischen Psychologen, das Phänomen der zur Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung eingesetzten kleinbürgerlichen Massenbewegung sowie die Funktion der faschistischen Propaganda und Kulturpolitik sozialpsychologisch zu deuten. Seine Interpretation des braunen Kults als phantastischer Befriedigung antikapitalistischer Sehnsüchte nahm Fromms Argumentation in seinem (1941 veröffentlichten) Buch Die Furcht vor der Freiheit im wesentlichen vorweg.
Die Politik von KPD und Komintern, die in den Jahren vor 1933 der kampflosen Niederlage der organisierten deutschen Arbeiterschaft den Weg bereitete, ließ Reich (ähnlich wie Ernst Bloch 1935 in Erbschaft dieser Zeit[11]) außer Kritik. Er wandte sich lediglich gegen deren propagandistisch-agitatorische Umsetzung, gegen den (ökonomistischen) „marxistischen Rationalismus“. Sein Ziel war es, die Kluft zwischen dem Klassenbewußtsein der Avantgarde und dem der Arbeitermassen durch Artikulation und Politisierung der Alltagsbedürfnisse und -sehnsüchte dieser Massen zu schließen - sie durch Propagierung einer sexualpolitischen „Gegenideologie“ zum Faschismus der politischen Passivität zu entreißen.[12] Eine solche Konkretisierung der kommunistischen Propaganda hätte die Anziehungskraft der kommunistischen Parteiorganisation ohne Zweifel zunächst gesteigert, zugleich aber hätte die neue Spontaneität der Jugendorganisation das reibungslose Funktionieren des bürokratisch-zentralistischen Apparats (und dessen politische „Linie“) gefährdet. Reichs Kaltstellung und Ausschluß waren in einer stalinistischen Organisation nur konsequent.
Das ihm zu Gebote stehende „sexualökonomische“ Instrumentarium eignete sich wenig zur Analyse der Entwicklung sozialer Systeme. Seine Naturromantik, die ihn in die Nähe etwa eines Knut Hamsun bringt, ließ Reich die repressive Lockerung traditioneller sexueller Tabus in den Massenorganisationen des „Dritten Reiches“ als einen Fortschritt verkennen. Auf der anderen Seite machte es ihm die stark ausgeprägte sexualutopisch-anarchistische Komponente seines Denkens unmöglich, die Lebensverhältnisse unter der Stalinschen Diktatur mit „realem Sozialismus“ zu verwechseln.[13] So wenig er die Genesis der bürokratischen Diktatur verstand, so wenig vermochte er, einen Ausweg aus dem Stalinismus zu konzipieren, den er schließlich als „roten Faschismus“ dem braunen gleichsetzte und der weltbeherrschenden „Gefühlspest“ als ein weiteres Symptom subsumierte.
Fünfzig Jahre, nachdem seine (späten) Schriften in den USA infolge einer Verurteilung wegen Quacksalberei vernichtet wurden, und vierzig Jahre, nachdem seine frühen Schriften - als Raubdrucke - die antiautoritäre Studenten- und Jugendbewegung inspirierten, sind die meisten seiner Bücher - freilich in Gestalt von terminologisch gereinigten, von Marxismen gesäuberten Ausgaben letzter Hand - im Handel erhältlich[14], und es erscheinen noch immer neue Reich-Biographien und Monographien. Die Faszination aber, die noch vor vierzig Jahren von dem Mann und seinen Schriften ausging, scheint erloschen; die skurrilen Züge dieses Freudo-Marxisten sind deutlicher präsent. Die Sexualökonomie unserer Gesellschaft hat sich seit den sechziger Jahren - nicht nur infolge der Anti-Baby-Pille und der Aids-Seuche - verändert; die heutige sexuelle Emanzipationsbewegung kämpft für weitergehende Ziele als die Sexpol-Bewegung von vor siebzig Jahren; die Erforschung der sexuellen Funktion und der sozialen Definition der beiden Geschlechter, ihrer Mischformen und Spielarten, hat zu anderen Resultaten geführt, als Reich sie seiner Orgasmustheorie zugrundelegte.
Was bleibt von Reich? Menschen, die unter der sexuellen Repression autoritärer Milieus und Regime leiden, werden durch seine Schriften zu Auflehnung und Widerstand ermutigt. Seine naturwissenschaftlich aufgemachten Spekulationen über die „kosmische Lebensenergie Orgon“, die Entstehung des Lebens etc. werden ihr Publikum finden, das nach einer einfachen Lösung der Welträtsel verlangt; aufgeschlossene Ärzte werden sich von der Orgontherapie zu unkonventionellen psychosomatischen Praktiken anregen lassen; Psychoanalytiker werden Reichs Charakteranalyse als klassische Darstellung der psychoanalytischen „Technik“ (neben den Arbeiten von Fenichel, Glover und Greenson) studieren - ein Buch, ohne das die psychoanalytische Ich-Psychologie nicht zu denken ist. Die „orgastische Potenz“, von deren Wiederherstellung Reich alles erwartete - also die Fähigkeit, sich unangefochten von der Misere der Gegenwart, der kollektiven und der individuellen Situation, im Liebesspiel der Kopulationsautomatik anzuvertrauen, die in eine Bewußtseinsverdunkelung mündet - ist eine Fähigkeit zur Regression, die uns (wie der Schlaf) das Leben erst erträglich macht. Solange unsere soziale Welt indessen so ist, wie sie ist, ist der Orgasmus Weltflucht: nicht archimedischer Punkt praktisch-reflexiver Weltveränderung, sondern deren Gegenpol.
Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) hat Reich auf Betreiben Freuds, der in ihm (wie in Fenichel) einen „bolschewistischen Angreifer“ sah[15], schon 1933 insgeheim ausgeschlossen; 1934 hat die psychoanalytische Internationale (IPV) den Ausschluß dann bestätigt. Man sah in Reich, dem Marxisten und Sexpol-Agitator, der 1933 auch aus der KPD ausgeschlossen worden war, ein politisches Risiko. Freud hoffte, durch die Trennung von Reich die organisierte Psychoanalyse vielleicht vor der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime in Deutschland bewahren zu können. Der „Bolschewismus“ der Reich und Fenichel bestand aber im wesentlichen darin, die Freudsche Kulturkritik historisch zu spezifizieren, oder eben: Psychologie und Soziologie zusammenzuführen.[16] Und es ist Reichs Verdienst, früher und klarer als andere Psychoanalytiker gesehen und ausgesprochen zu haben, daß die Nazis die Freudsche Psychoanalyse (in ihren Augen eine „jüdische“, „zersetzende“ Wissenschaft) unter keinen Umständen tolerieren würden:

„Die politische Reaktion verbindet die Psychoanalyse mit dem Begriff >Kulturbolschewismus<. Mit Recht, da die analytische Wissenschaft eine Gefahr für den Bestand der faschistischen Ideologie bildet. Der soziologische, kulturpolitische Charakter der Psychoanalyse läßt sich nicht aus der Welt schaffen und auch nicht verbergen. Das könnte nur der wissenschaftlichen Arbeit schaden, doch nie die reaktionären politischen Mächte hindern, die Gefahr zu wittern, wo sie sich zeigt.“[17]

Freuds Psychoanalyse ist vor allem eine (anamnestische) Kritik defizienter psychologischer und kultureller Institutionen. Das therapeutische Verfahren ist eine praktische Anwendung dieser Kritik und bietet die Möglichkeit, neue Einsichten in das prekäre Verhältnis von Individuum und Kultur zu gewinnen und Neurotikern das Leben zu erleichtern. Freuds Wendung gegen die soziologisch interessierten „linken“ Psychoanalytiker lief auf eine Limitierung des psychoanalytischen Projekts selbst hinaus.[18] Der Versuch, die Psychoanalyse zu einer politisch neutralen „Naturwissenschaft“ zu stilisieren, um sie vor Faschisten (und Stalinisten) zu retten, scheiterte[19]; doch die große Mehrheit der organisierten Psychoanalytiker hält noch immer Psychoanalyse und Soziologie für unvereinbar.[20]
Reich steht vor uns als ein revolutionärer Arzt und wunderlicher Naturforscher, der in einer historischen Situation, in der der gesellschaftliche Fortschritt durch Faschismus und Stalinismus blockiert schien, an den Praxis-Theorien Psychoanalyse und Marxismus, wie er sie verstand, verzweifelte. Er lehrte das angstfreie Jasagen zu unseren (hetero-)sexuellen Bedürfnissen und die Verachtung für die autoritären Verteidiger der Unfreiheit. Die Lösung des historischen Problems der Überwindung einer Gesellschaft, in der Mangel und Herrschaft künstlich aufrechterhalten werden, suchte er (vergeblich) in der geschichtsfernen, imaginären Region bloßer Natur.

Zusammenfassung
Freuds Versuch, zum einen die im Rahmen der naturwissenschaftlich orientierten Universitätsmedizin des 19. Jahrhunderts unverständlichen „sozialen Leiden“ (Ferenczi) Obsession und Hysterie, zum anderen den Traum zu verstehen, bewog Sigmund Freud zum Übergang von der Objekt- zur Subjektwissenschaft - von der Erklärung zur Deutung, vom Monolog zum Dialog. Die Institutionen der Kultur (zum Beispiel das Inzesttabu oder das Bilderverbot) und der Seele (zum Beispiel die hysterische Lähmung oder die Phobien), mit denen er es als Gedächtnishistoriker und Psychotherapeut zu tun hatte, nehmen sich aus wie „Natur“, ohne es doch zu sein. Die Psychoanalyse, weder eine Natur, noch eine Geisteswissenschaft im traditionellen Sinne, bediente sich eben darum einer Kombination von Erklären und Verstehen. Freud deklarierte seine Kritik der pseudonatürlichen Institutionen aber als „Naturwissenschaft“, und es ist schwer sagen, ob dem ein traditionalistisches Motiv zugrunde lag, ob es sich um ein Selbst-Mißverständnis oder um eine Tarnung handelte.
Wilhelm Reich neigte schon in seinen Arbeiten aus den zwanziger Jahren dazu, die Triebtheorie zu naturalisieren - so als hätte Freud nur geschrieben, der Trieb sei eine „kontinuierlich fließende, innersomatische Reizquelle“, nicht aber hinzugefügt, es handele sich um deren „psychische Repräsentanz“. Die „Genitalität“, deren Genese Freud und Ferenczi zum Problem geworden war, erschien Reich als ein einfaches biologisches Faktum, an dem es nichts zu deuten gab. Die neurotischen Störungen entstanden aus persistierenden prägenitalen Trieben, und in der Therapie ging es vor allem um den Fortschritt zur „reinen“ (nämlich von prägenitalen Strebungen befreiten) Genitalität.[21] Reich ging den von Freud durchlaufenen Entwicklungsweg zurück: von der Psychologie zur Physiologie, von der Lebens- und Kulturgeschichte zur Biologie, von der Deutung freier Assoziationen zur Psychotechnik. Schließlich trat eine Physiotechnik an die Stelle des anamnestischen Dialogs.[22] Die von Reich in den späteren dreißiger Jahren begründete „Orgonomie“ - die vermeintliche Entdeckung der meßbaren kosmischen Energie Orgon (und ihrer Modifikation, der destruktiven DOR-Energie) - nimmt sich wie eine physikalistische Transformation der spekulativen dritten Freudschen Triebtheorie (der Lehre von Eros und Thanatos) aus.
In den Jahren 1927-1937 versuchte Reich - wie gleichzeitig Siegfried Bernfeld, Otto Fenichel, Erich Fromm und andere - marxistische Geschichts- und Gesellschaftstheorie und Freudsche Psychologie miteinander zu kombinieren.[23] Ebenso wie Otto Fenichel verkannte er die Marxsche und die Freudsche kritische Geschichtstheorie als „Naturwissenschaften“. Beide galten ihm als verschiedenartige Anwendungen einer sie übergreifenden, abstrakten Naturdialektik („Funktionalismus“), wobei der marxistischen Theorie das Monopol für die Analyse von gesellschaftlichen Problemen zuerkannt wurde, während Freuds kulturtheoretische Schriften der Nichtachtung verfielen. Die krude Wissenschaftslehre der Reich und Fenichel behinderte ihr eigenes Projekt, durch eine Kombination der Marxschen und der Freudschen Theorie Lösungen für die gesellschaftlichen Sphinxrätsel ihrer (und unserer) Zeit (wie das Aufkommen von massenfeindlichen Massenbewegungen) zu finden. Trotz dieser Begrenzung kam Reich in den Jahren 1927-1937 (also solange sein Denken sich im Spannungsfeld von Marxismus und Psychoanalyse bewegte) zu neuartigen Einsichten im Hinblick auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft beziehungsweise von Psychoanalyse und Gesellschaft:
* Deutlicher als andere Psychoanalytiker erkannte er den kulturrevolutionären (also „politischen“) Charakter der Freudschen Theorie-Therapie, der ihr die Feindschaft der totalitären Bewegungen und Regime eintrug. Als einziger warnte er vor dem Versuch, die psychoanalytischen Organisationen durch faule Kompromisse mit dem Hitler-Regime - durch Neutralisierung oder Anbiederung - „retten“ zu wollen. Unter dem Blickwinkel der „Sexualökonomie“ und „Sexualpolitik“ kritisierte er frühzeitig sowohl die Hitlerbewegung als auch den Stalinismus.
* Wie (nach ihm) Erich Fromm sah er in der Familie die entscheidende Prägestätte gesellschaftskonformer Sozialcharaktere, und wie (sehr viel später) Herbert Marcuse faßte er die zentralen „Prinzipien“ der Freudschen Psychologie (vor allem das „Realitätsprinzip“) als historisch-variable auf.
* Hinzuzufügen ist, daß sich Reichs „Sexualpolitik“ wie ein Vorläufer der später (von Ernst Federn und anderen) entwickelten psychoanalytischen Sozialarbeit ausnimmt und daß seine Vegeto- und Orgon-Therapie in die Vorgeschichte der Psychosomatischen Medizin gehört.

Nachdem Stalinisten und Freudianer ihn (diskussionslos) aus ihren Organisationen verbannt hatten, wandte Reich sich in den späteren dreißiger Jahren enttäuscht von jederlei „Machtpolitik“, auch von der der Arbeiterbewegung, ab. Er verabschiedete sich sowohl von der marxistischen Doktrin (und Terminologie) als auch von der Freudschen Psychologie. Die Dimension der Geschichte, in der die Freudsche und die Marxsche Theorie beheimatet sind, verlor für ihn an Interesse. Als ein Naturforscher sui generis wandte er sich direkt der Natur als der „eigentlichen“ Wirklichkeit zu. Ausgehend vom Phänomen des Orgasmus, glaubte er, die kosmische „Orgon“-Energie entdeckt zu haben, von der das Wohl und Wehe der Individuen und der Kollektive abhänge. Die Geschichte der letzten Jahrtausende erschien ihm nun als eine einzige Verfallsgeschichte, ausgelöst durch den verhängnisvollen, sexualrepressiven Abfall der Menschheit von der „natürlichen“ Lebensweise. Die „Orgonomie“ war nicht nur als eine neue Ontologie, sondern zugleich als ein weltanschauliches Remedium gedacht. Dem entsprechend war die aus der „Charakteranalyse“ entwickelte Vegeto- und Orgontherapie als eine „Technik“ konzipiert, die dazu dienen sollte, Menschen aus der Deformation („Panzerung“), die sie in familialen Sozialisationsprozessen erworben hatten, zu lösen, sie an die kosmischen Energieströme wieder anzuschließen und es ihnen auf diese Weise zu ermöglichen, zu ihrer natürlichen Lebendigkeit zurückzufinden. Reichs am Ende des zweiten Weltkriegs an den „Kleinen Mann“ gerichteter, „anarchistischer“ Appell (Listen, little man) ist ein Dokument dieser verzweifelten Hoffnung.


Literatur

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Fußnoten
[*] Vortrag im Rahmen des Symposiums der Sigmund Freud-Privatuniversität (Wien) „50 Jahre nach Wilhelm Reich“ am 26. 10. 2007.
[1] Reich, W. (1942): Die Funktion des Orgasmus. Sexualökonomische Grundprobleme der biologischen Energie. Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1969, S. 20.
[2] Vgl. dessen Aufsätze „Über Methode und Aufgabe einer analytischen Sozialpsychologie“ (1932) und „Die psychoanalytische Charakterologie und ihre Bedeutung für die Sozialpsychologie“ (1932). In: Fromm, E. (1980/81): Gesamtausgabe, Bd. I-X, Stuttgart; Bd. I, S. 37-57 und S. 59-77.
[3] Fromm (1937): „Zum Gefühl der Ohnmacht.“ A. a. O., S. 189-206.
[4] Vgl. dazu Dahmer (1994): Pseudonatur und Kritik. Frankfurt (Suhrkamp). Ders. (2001): Soziologie nach einem barbarischen Jahrhundert. Wien (WUV).
[5] Vgl. Reich (1927): Die Funktion des Orgasmus. Zur Psychopathologie und zur Soziologie des Geschlechtslebens. Wien. Kap. VI. [Nachdruck: Amsterdam (de Munter) 1965.]
[6] Vgl. dazu Dahmer (1977): „Sexualökonomie heute.“ In: Ders. (1994), a. a. O. (Anm. 4), S. 200-222.
[7] Reich W. (1929): Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse. Erweiterte Fassung, Kopenhagen (Sexpol-Verlag) 1934.
- (1932): Der Einbruch der Sexualmoral. Zur Geschichte der sexuellen Ökonomie. 2., erweiterte Aufl., Kopenhagen (Sexpol-Verlag) 1935. (Eine veränderte Neuausgabe aus dem Jahre 1951 erschien in deutscher Sprache unter dem Titel Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral, Köln 1972.)
- (1933): Charakteranalyse. Technik und Grundlagen für studierende und praktizierende Analytiker. [Erweiterte und veränderte Neuaufl., Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1972.]
- (1933): Massenpsychologie des Faschismus. [Veränderte und erweiterte Neuaufl., Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1971.]
[8] Der politische Kopf der Zeitschrift war der später im Vernichtungslager Auschwitz umgekommene Karl von Motesiczky (der unter dem Pseudonym Karl Teschitz schrieb).
[9] Reich (1948): Rede an den kleinen Mann. Frankfurt (Fischer) 1984 (1995).
[10] Vgl. dazu Reich (1953): Menschen im Staat.(People in Trouble.) Frankfurt, Basel (Stroemfeld) 1995, Kap. 2.
[11] Bloch (1935): Erbschaft dieser Zeit. Erw. Ausgabe Frankfurt (Suhrkamp) 1962 (Gesamtausgabe Bd. 4.) Ders. Vom Hasard zur Katastrophe. Politische Aufsätze aus den Jahren 1934-1939. Frankfurt (Suhrkamp) 1972.
[12] Parell, E. (W. Reich): Was ist Klassenbewußtsein? Ein Beitrag zur Neuformierung der Arbeiterbewegung. Kopenhagen (Sexpol-Verlag) 1934.
[13] Vgl. Reichs Aufsätze über Sowjetrußland aus dem Jahre 1936: „Der Kampf um das Neue Leben in der Sowjetunion“ - der II. Teil seines Buches Die Sexualität im Kulturkampf (1936), dessen veränderte Neuauflage später unter dem Titel Die sexuelle Revolution [Frankfurt (Europäische Verlagsanstalt) 1966] erschien - und „Masse und Staat“ (das IX. Kapitel der erw. Neuauflage von Die Massenpsychologie des Faschismus, Köln 1971).
[14] Bei Kiepenheuer & Witsch bzw. im Fischer Taschenbuch Verlag.
[15] Vgl. dazu Freud (1992): Tagebuch 1929-1939. Kürzeste Chronik. (Hg. von Michael Molnar.) Frankfurt, Basel (Stroemfeld) 1996, S. 207 f.
[16] Vgl. dazu Dahmer (1973): Libido und Gesellschaft. Studien über Freud und die Freudsche Linke. 2., erw. Aufl. Frankfurt (Suhrkamp) 1982, Teil III.
[17] Zitat aus Reichs Protestschreiben an den Psychoanalytischen Verlag vom 17. 3. 1933. Der Verlag hatte den im Januar 1933 mit Reich geschlossenen Vertrag über die Publikation von dessen Charakteranalyse „mit Rücksicht auf die politische Situation“ rückgängig gemacht. Reich (1953): Menschen im Staat. [People in Trouble.] Frankfurt, Basel (Stroemfeld) 1995, S. 203.
[18] Das daraus resultierende schlechte Gewissen hat die psychoanalytischen Verbandshistoriker bis in die jüngste Zeit dazu bewogen, den Ausschluß Wilhelm Reichs aus der DPG und der IPV zu leugnen oder zu beschönigen. Vgl. dazu Fallend, Karl, und Bernd Nitzschke (Hg.) (1997): Der >Fall< Wilhelm Reich. Beiträge zum Verhältnis von Psychoanalyse und Politik. Gießen (Psychosozial-Verlag) 2002. Ferner: Dahmer (1998): „Psychoanalytische Vereinsgeschichte, >anders< erzählt.“ Werkblatt Nr. 40, Salzburg, S. 106-123.
[19] Vgl. dazu Zaretsky, Eli (2004): Freuds Jahrhundert. Die Geschichte der Psychoanalyse. [Secrets of the Soul.] Wien (Zsolnay) 2006, Kap. 9. Ferner: Goggin, James E., und E. Brockmann Goggin (2001): Death of a Jewish Science. Psychoanalysis in the Third Reich. West Lafayette / Indiana (Purdue Univ. Press).
[20] Ernest Jones, Freud-Biograph und Vorsitzender der IPV, warnte in seiner Eröffnungsansprache vor dem 16. Kongreß der Psychoanalytiker in Zürich (am 15. 8. 1949) seine Kollegen ausdrücklich vor der „Versuchung“, neben den psychologischen „auch noch sozio-politische Faktoren zu berücksichtigen und unsere Ergebnisse soziologisch zu reformulieren.“ Dieser Versuchung müsse man „energisch widerstehen“. So wurde die Notmaßregel von 1933 zu einem Dogma der Verbandsideologie. International Journal of Psycho-Analysis, 30. Jg., London, S. 179.
[21] „Die Psychoanalyse erstrebt eine Neuordnung der Triebe im Sinne der normalen Grundstruktur.“ Reich, W. (1927): Die Funktion des Orgasmus. Zur Psychopathologie und Soziologie des Geschlechtslebens. Amsterdam (de Munter), 1965, S. 192.
[22] Die Möglichkeit einer solchen Weiterentwicklung hat Reich schon 1927 ventiliert: „Während wir die Funktion des Orgasmus und seine Beziehungen zum neurotischen Prozeß behandelten, stand abseits, aber nicht unbeachtet die große Frage: >Ja, wenn der Kern der Neurose ein somatisches Geschehen, die Energiequelle des Symptoms und des neurotischen Charakters ein pathologischer körperlicher Erregungsvorgang (die Libidostauung) ist und wenn die psychoanalytische Heilung der Neurosen letzten Endes auf Abänderung, beziehungsweise Beseitigung dieser somatischen Grundlage beruht, soll man da nicht lieber gleich auf organischem Wege zu heilen erstreben, was im Kern organisch fundiert ist, statt den umständlichen und langwierigen (weil gründlichen) Prozeß der Psychoanalyse einzuleiten? Haben also nicht diejenigen Recht, welche der Psychoanalyse Einseitigkeit vorwerfen und nur an die somatische Beeinflussung etwa durch Organotherapie glauben?<“ Reich, der hier noch als Psychoanalytiker spricht, argumentiert im Folgenden, daß selbst bei der Verwendung von „Präparaten“, die die Libido steigern oder schwächen könnten, die (erworbene) psychische Hemmung der Neurotiker bzw. ihre Sublimierungsfähigkeit unverändert blieben. „Wir sehen also, daß auch eine noch so vollkommene Organotherapie die Psychoanalyse nicht wird entbehren können, weil jene nur etwas hinzufügen oder wegnehmen kann, diese hingegen die Energieverteilung im seelischen Apparat beeinflußt und ihn durch die Abänderung des Ichs erst fähig macht, solche qualitativ wirksame[n] Energieverteilungen zuzulassen und quantitative Änderungen zu ertragen.“ A. a. O., S. 198 f.
[23] Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse (1929, 1934); Der Einbruch der Sexualmoral. Zur Geschichte der sexuellen Ökonomie (1932, 1935); Massenpsychologie des Faschismus (1933); Die Sexualität im Kulturkampf. Zur sozialistischen Umstrukturierung des Menschen (1932, 1936).

1 Reich, W. (1942): Die Funktion des Orgasmus. Sexualökonomische Grundprobleme der biologischen Energie. Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1969, S. 20.