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Kommunismus in Österreich 1918-1938

Fritz Keller

Ein HistorikerInnenteam hat die verborgene Geschichte der sowjetischen Diplomatie und der Kommunistischen Internationale in Österreich erforscht. Wien wird darin als Sitz einer Reihe von (halb-) legalen Unterorganisationen der kommunistischen Weltpartei präsentiert, die mit illegalen Netzwerken der militärischen Aufklärung (GRU) und dem Kommunikations- und Kurierdienst der Komintern (OMS) verbunden waren.

03.05.2010

Die Kommunistische Partei (Deutsch-) Österreichs wurde bereits am 3. November 1918 mit Hilfe von in der russischen Kriegsgefangenschaft gewonnenen Heimkehrern durch einen Zirkel um das Ehepaar Paul und Elfriede Friedländer (alias Ruth Fischer) gegründet. Heftige Fraktionskämpfe begleiteten dieses Projekt von allem Anfang an. Einziger politischer „Nutzen“ der überstürzten Gründung: Der KPDÖ-Delegierte Karl Steinhardt half im März 1919 in Moskau, den Widerstand der KPD-Vertreter gegen die Schaffung einer Kommunistische Internationale zu brechen. Der von der ungarischen Räte-Regierung unter Bela Kun unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel vorangetriebene Plan eines von der KPDÖ geführten Umsturzes in Österreich, um die Revolution durch die Schaffung eines Korridors von Budapest über Wien nach München nach Westeuropa zu verbreitern, mündete in einem politischen und organisatorischen Debakel.

Ab diesem Zeitpunkt fristete die KPÖ eine Existenz am Rand der ArbeiterInnenbewegung. Ende März 1930 hatte die Partei nur noch 1.571 Mitglieder, die Stadtleitung Wien existierte nicht mehr. Erst der Widerstand gegen den (Austro-)Faschismus nach den Februar-Kämpfen des Jahres 1934 brachte einen Aufschwung, der aber durch das Naheverhältnis der KPÖ zur russischen Besatzungsmacht nach 1945 abrupt endete.

Wien, Feldlager der Weltrevolution

Welches Erkenntnisinteresse an dieser unglückseligen Partei könnte heute noch bestehen? Die KPÖ-Interna selbst sind weitgehend aufgearbeitet. Als Leerfeld der Forschung galt bisher nur die verborgene Geschichte der sowjetischen Diplomatie und der Kommunistischen Internationale in Östereich. Jetzt hat aber ein HistorikerInnen-Team – nach langjähriger Auswertung der Moskauer Archive und der Bestände des Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober – seine Recherche-Ergebnisse über dieses Terrain veröffentlicht. Wien wird darin als Sitz einer Reihe von (halb-) legalen Unterorganisationen der kommunistischen Weltpartei (Westeuropäisches Büro, Südost-Büro, Balkanföderation) sowie einiger ihrer Sektionen (Ungarn, Bulgarien, Jugoslawien, Griechenland, Türkei …) präsentiert, die mit illegalen Netzwerken wie der Auslandsabteilung der Staatssicherheit (INO), der militärischen Aufklärung (GRU) und dem Kommunikations- und Kurierdienst der Komintern (OMS) verbunden waren.

Österreich selbst, das Überbleibsel aus der k. und k. Monarchie war, war für all diese Geheimdienste wenig spionagewürdig. Die KPÖ-Kader wurden aber als untergeordnetes Stammpersonal außerhalb ihrer Heimat eingesetzt. Diese spezifische Quellenlage ermöglichte ein Buch über die Aktivitäten im Wiener „Feldlager der Weltrevolution“, das auch für ein internationales Fachpublikum Neuigkeitswert hat.
Besondere Anerkennung hat das HistorikerInnen-Team dabei für die ent-heroisierende Darstellung der Geschehnisse verdient: Die Strukturen der Geheimdienste werden als gnadenlose Menschenmühle, angetrieben durch Konspiration, gegenseitiges Misstrauen und politischer Selbstzerfleischung begriffen.

Barry McLoughlin/ Hannes Leidinger/ Verena Moritz: Kommunismus in Österreich 1918-1938
Studien-Verlag, Innsbruck-Wien-Bozen 2009
600 Seiten, geb., 39,90 €
ISBN 978-3-7065-4459-7