Frankreich: Neue antikapitalistische Partei für den Sozialismus des 21. Jahrhunderts
Johann Schögler
Der 17. Kongress der französischen Ligue Communiste Revolutionnaire (LCR) hat getagt: Die LCR wird eine neue antikapitalistische Partei gründen und den Sozialismus des 21. Jahrhunderts mitgestalten.
01.02.2008
Der 17. Kongress der LCR - französische Sektion der 4. Internationale - beschloss die Marschroute für die Gründung einer neuen radikalen antikapitalistischen Partei bis Jahresende, die den Sozialismus des 21. Jahrhunderts mitgestalten soll.
Wenn alles gut verläuft, wird dies der letzte Kongress (24.- 27. Januar im nördlichen Vorort von Paris in La Plaine St-Denis) der LCR gewesen sein - jener in der Widerstandsphase des Mai 68 von Alain Krivine, Daniel Bensaid, Henri Weber und zahlreichen anderen gegründeten trotzkistischen Organisation. Sie hat sich in Frankreich heute, nach 40 Jahren gegenüber den beiden anderen Gruppierungen, der von LO (Lutte ouvrière; Arlette Laguiller) und der PT (Parti des travailleurs; Daniel Gluckstein) sowohl in den sozialen Bewegungen und ArbeiterInnenkämpfen als die konsequenteste und führende Kraft profiliert.
Größeren Einfluss gewannen sie auch bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2007 (LCR 4,08%, LO 1,33%, PT 0,34%, Marie-George Buffet von der KPF erhielt 1,33 %; nicht zuletzt wegen der steigenden Popularität des Kandidaten der LCR, Olivier Besancenot, der in den Popularitätswerten in der linken Opposition mit 46% schon einen Punkt vor Ségolène Royal (SP-Kandidatin zur Präsidentschaftswahl) liegt.
Der am 27. Januar 2008 wohl seit langem weitreichendste historische Resolutionsbeschluss der 313 Delegierten (jedes zehnte Mitglied entsandte eine/n Delegierte/n) für Ende 2008 den Gründungskongress einer neuen Partei (und die Auflösung der LCR) anzusetzen, erhielt 83% der Stimmen. Der Antrag war von der "Tendenz A" mit Olivier Besancenot und Alain Krivine vorgelegt worden.
Bei diesem Kongress gab es drei Tendenzen (Tendenz A, B und C). Die "Tendenz B" um Christian Picquet, die für eine breit angelegte Partei eintrat, die vom linken Flügel der SP über die KP Grünen, den anderen trotzkistischen Gruppierungen usw. reichen sollte, erhielt 14% der Stimmen. Die "Tendenz C" erhielt 3%.
Die erste Etappe der Marschroute ist die Gründung von “Initiativkomitees" die, wie Olivier Besancenot sagt, offen, anonym sein sollen und sich in den nächsten Wochen vor allem an die von den linken Parteien Enttäuschten wenden werden, um die neu an diesem Projekt Interessierten vom Anbeginn mitgestalten zu lassen. Für April ist eine frankreichweite “Koordinationsversammlung “ vorgesehen. Im Juni soll eine konstituierende "Generalversammlung" stattfinden, die das Programm und die neuen Richtlinien, sowie die Statuten der Partei erarbeiten soll. Schließlich soll im Dezember 2008 der “Gründungskongress" folgen.
“Die LCR will vor allem jenes Vakuum, das durch die Schwächung der KP, die nicht mehr als gesamtpolitische Kraft existiert und durch die Orientierung der SP in Richtung Zentrum entstanden ist, füllen.“... “Im Vergleich zu den Sekten ist die Partei für uns nur ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen" begründet Alain Krivine diesen historischen Beschluss.
Die Minorität um Christian Piquet, die in dieser Vorgangsweise nur eine "LCR-zwei in neuem Gewand" und eine Partei von Olivier Besancenot" sieht, muss erst noch überzeugt werden, dass dies nicht der Fall sein wird.
Für Alain Krivine ist der langjährige Versuch, mehrere Parteien von ihren Führungen her zusammenzuführen, fehlgeschlagen. Auch Olivier Besancenot stellt fest: "Nachdem Vereinigungbestrebungen über die Spitze seit 20 Jahren ohne Resultat verlaufen sind, wenden wir uns jetzt an die Basis, an die AktivistInnen von Arlette Laguiller, von José Bové, von Marie-George Buffet, den Grünen, an jene, die bei den gewerkschaftlichen Kämpfen aktiv sind, an die sozialistischen, kommunistischen, ökologischen und globalisierungskritischen AktivistInnen, die mit ihrer Spitze nicht mehr einverstanden sind. All jene, die auch nicht Mitglieder der LCR sind, können an diesem Konstruktionsprozess beteiligt sein. Wir wollen all jene vereinen, für die die Marktwirtschaft nicht die Zukunft der Gesellschaft, die Zukunft der Menschheit ist." Die neue antikapitalistische radikale Partei wird eine Neugründung auf programmatischer Ebene sein. In der Funktionsweise wird sie keine elitäre avantgardistische Partei sein, sondern den Aktivismus auf die breitere Gruppe der Engagierten abstimmen. Sie wird weiterhin internationalistisch bleiben, einen Bruch mit dem Kapitalismus anstreben, ganz unabhängig von der SP agieren und keine Zusammenarbeit mit diesem System eingehen. Sie muss innovativ sein und den Sozialismus des 21. Jahrhunderts erfinden.
Bei den im März stattfindenden Gemeinderatswahlen wird die LCR mit 209 Listen und in 36 der 37 Städte mit über 100.000 EinwohnerInnen präsent sein. Sie rechnet sich aber wenige Chancen auf Mandate aus. Dies wird aber den fix eingeschlagenen Kurs in Richtung neuer Partei nicht beeinflussen. Die KP und die Grünen gehen vor allem mit der sich immer weiter in Richtung Zentrum entwickelnden SP gemeinsame Listen ein. Auch LO hat Listen mit der SP eher angestrebt als zusammen mit der LCR.
Die konjukturellen Bedingungen für die Gründung einer solchen Partei sind sicherlich sehr günstig. Noch nie war ein Kandidat der radikalen Linken so populär und so breit verankert in den sozialen Kämpfen wie Olivier Besancenot. Die LCR war noch nie so einflussreich in den anti-neoliberalen Widerstandskämpfen. Die Krise von SP und KP war noch nie so tief. Die Popularitätswerte Sarkozys waren noch nie so tief gesunken.
Wir wünschen allen Engagierten in diesem Projekt für die neue antikapitalistische Partei bestes Gelingen.
Website der LCR und ihrer Zeitung Rouge