Europäisches Sozialforum 4. bis 7. Mai in Athen
24.04.2007
Bericht von der ESF-Vorbereitungsversammlung
5. bis 8. Jänner 2006 in Wien
Das Wichtigste zuerst: Das ESF hat endlich ein feststehendes Datum: den 4. bis 7. Mai 2006
Diese banale Formalität hat die Vorbereitungsversammlung ungefähr zwei
Tage beschäftigt. Die Verschiebung war notwendig geworden, da es zu dem
ursprünglichen Termin Wahlen in Italien gibt. Da aber die mögliche
Abwahl Berlusconis als für alle sozialen Bewegungen wichtiges Ereignis
eingeschätzt wurde, musste ein neues Datum gefunden werden. Das jetzt
gefundene Datum stellt die griechischen Organisatoren vor große
Herausforderungen, da direkt zuvor die orthodoxen Osterferien
stattfinden.
Wir Nicht-GriechInnen dürfen uns wohl aber darüber freuen, dass es
durch die Verschiebung auf Mai wohl noch wärmer ist und dass der jetzt
gefundene Ort sich wohl in unmittelbarer Strandnähe befindet… Wer will
sich das wohl entgehen lassen: Tausende AktivistInnen aus der ganzen
Welt, und wenn es zu heiß wird treffen sich alle wieder, beim größten
Polit-Baden aller Zeiten. (oder wie hieß es schon Mai 68: „Sous les
pavés la plage“ Unter den Pflastersteinen: der Strand)
Die Frist für die Anmeldung von Veranstaltungen ist der 20. Februar.
Ausweitung des ESF – große Beteiligung aus Türkei und Osteuropa erwartet
Eine der sehr erfreulichen Entwicklungen der Vorbereitungsversammlung
in Wien, war neben der generell guten Beteiligung (über 300 Anwesende),
die gute Präsenz von Delegierten aus Osteuropa und der Türkei.
Die Vorbereitungsversammlung ESF sieht es als eine große
Herausforderung an, gerade politisch Aktiven aus diesen Bereichen die
Teilnahme an dem ESF zu ermöglichen. Es wird einen Solidaritätsfond
geben, der Aktivistinnen und Aktivisten aus diesen Ländern, die
Teilnahme ermöglichen soll. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass das
ESF in Athen durch die massive Teilnahme aus Ländern, die bis jetzt nur
marginal an der Sozialforumsbewegung teilgenommen haben, geprägt sein
wird.
Der Donnerstagnachmittag war der Programm-Arbeit sowie den Fragen von
Organisation und Erweiterung (vor allem Osteuropa) gewidmet. Der
gesamte Freitag wurde von verschiedenen Treffen von Netzwerken zu
bestimmten Themen bestritten: Prekarität und Ausgrenzung (Vorbereitung
dieses Tagesordnungspunktes für Athen), Bolkestein-Richtlinie, G8,
Charta der Grundsätze für ein anderes Europa, Migration und Rassismus,
Frauen, Gesundheit, Bildung, Frieden, Palästina). Diese Netzwerke
konnten ihre Arbeit konsolidieren und haben Ergebnisse hervorgebracht.
Eine besondere Rolle wollen in diesem Jahr die Gewerkschaften während
des ESF spielen. Der Dachverband der griechischen Gewerkschaften lädt
zu einer europäischen Gewerkschaftskonferenz am Vorabend ein, um
gemeinsam Globalisierungsfolgen und Gegenstrategien zu diskutieren. Die
Einladung wird sich an alle EGB-Mitgliedsgewerkschaften aber auch an
Gewerkschaften aus europäischen Ländern richten, die nicht der EU
angehören. Darüber hinaus haben die Teilnehmer eines
Gewerkschaftertreffens in Wien beschlossen, auch in den Veranstaltungen
anderer Gruppierungen in Athen präsent zu sein, um dort
gewerkschaftliche Standpunkte einzubringen.
Bolkestein: Mobilisierung zum 11.2/14.2 nach Strasbourg
Auf der Europäischen Vorbereitungsversammlung war die Mobilisierung
gegen die Bolkestein-Richtlinie ein zentrales Thema. Auf einem
Netzwerktreffen zu diesem Thema wurde die Mobilisierung zum 11.2. nach
Strasbourg beschlossen. Das Datum ist so gewählt, dass es am Wochenende
vor der ersten Lesung am Dienstag, 14.2. stattfindet. Alle sozialen
Bewegungen versuchen an diesem Samstag in Strasbourg präsent zu sein,
allerdings schätzen die meisten es so ein, dass es parallel dazu eher
stärker Mobilisierungen in ihren jeweiligen Hauptstädten geben wird.
Am 14.2., dem Tag der Lesung, ruft der Europäische Gewerkschaftsbund zu
einer Demonstration in Strasbourg auf. Auch diese Demonstration wird
von der Versammlung in Wien unterstützt, allerdings wird angesichts des
Termins unter der Woche eine schwächere Beteiligung erwartet.
In dem Treffen wurde deutlich, dass in ganz Europa eine
Sensibilisierung und Mobilisierung gegen die Bolkestein-Richtlinie
beginnt, die auch über die „üblichen Verdächtigen“ hinausgeht. So
berichtete beispielsweise ein rumänischer Aktivist, dass es ihnen
gelungen war, die Gewerkschaften für das Thema zu gewinnen und diese
Tausende Unterschriften gegen die Bolkestein-Richtlinie gesammelt
hätten.
Es ist also möglich, dass am 11.2. bzw. dann am 14.2. in ganz Europa
ein deutliches Zeichen gegen die Bolkestein-Richtlinie gesetzt wird.
Außerdem wurde zur Koordination künftiger Mobilisierungen (gerade auch
mit dem Ziel in Zukunft auch zu gemeinsamen Aktivitäten mit dem EGB zu
kommen) die Gründung eines Netzwerkes gegen die Bolkestein-Richtlinie
beschlossen. Das erste Treffen soll im Rahmen der nächsten
Vorbereitungsversammlung vom 2. bis 5. März in Frankfurt stattfinden.
Die Dringlichkeit der Mobilisierung ergibt sich aus dem zeitlichen
Ablauf: Nur wenn das Europaparlament den Richtlinienentwurf mit
Änderungsanträgen versieht, wird er weiter an den Rat verwiesen und
kommt dann einige Monate später zur 2. Lesung zurück ins Parlament. Die
österreichischen Vertreter machten auf dem Vorbereitungstreffen
deutlich, dass die Regierung in Wien sich möglichst nicht mit dem Thema
beschäftigen will, dasselbe wurde von der finnischen Regierung gesagt,
die im 2. Halbjahr den EU-Vorsitz führt. Eine veränderte Richtlinie
würde dann der deutschen Präsidentschaft im 1. Halbjahr 2007 vorgelegt,
und von ihr wird erwartet, dass sie sie durchwinkt. Auf den Bewegungen
in Deutschland lastet deshalb eine besondere Verantwortung.
Wer sich in die Koordinationsliste des europäischen Netzwerkes gegen Bolkestein eintragen will kann dies hier tun:
<mailto:bolkestein-subscribe@lists.attac.be>bolkestein-subscribe@lists.attac.be
In vielen inhaltlichen Arbeitsgruppen hat es wesentliche Fortschritte
bei der Ausarbeitung eines Programms für das ESF in Athen gegeben.
Allerdings gibt es noch einigen Klärungsbedarf:
1. Es kann insgesamt 150 Seminare bzw. Veranstaltungen geben. Die
bisherigen Anmeldungen sind thematisch sehr ungleich gewichtet (nach
Ländern, aber auch nach Themen mit einem überproportionalen Anteil für
den Themenbereich Krieg), was Schwierigkeiten bei der Endfassung des
Programms bereiten wird. Das heißt, es ist dringend geboten jetzt
Veranstaltungswünsche anzumelden (über die Homepage des ESF), damit in
Frankfurt dann die Einigung über die Zusammenlegung von Veranstaltungen
von verschiedenen Organisationen und Bewegungen beginnen kann.
2. Auf der Vorbereitungsversammlung gab es auf Initiative der
Griechischen OrganisatorInnen eine Diskussion über große, gemeinsame
„Events“ auf dem ESF. Diese „Events“ sollen dazu dienen das ESF vor
allem für die griechische Bevölkerung klar nach außen sichtbar zu
machen und zentrale inhaltliche Foki für das gesamte ESF bieten. Auf
dem nächsten Vorbereitungstreffen wird es dazu einen konkreten
Vorschlag von Seiten der griechischen Organisatoren geben.
3. Es wurde darauf hingewiesen, dass die neue, in Istanbul beschlossene
Methode, das Programm stärker von den Netzwerken erstellen zu lassen
und die Themenbereiche räumlich und zeitlich zusammenhängend zu ordnen,
auch den Nachteil haben kann, dass man sich nur im Rahmen dieser
Themenbereiche über den Weg läuft und nicht mehr die Gesamtheit des ESF
lebendig erfährt.
G8-Vorbereitung für St. Petersburg (2006) und Heiligendamm (2007)
Im Rahmen der Vorbereitungsversammlung war immer wieder der G8-Gipfel in St. Petersburg, bzw. in Heiligendamm ein Thema:
Das ESF hat eine Art Schirmherrschaft für den Gegengipfel in St.
Petersburg vom 3. bis 6. Juli übernommen. Damit soll vor allem den
russischen Aktivistinnen und Aktivisten, für die die G8-Proteste eine
Möglichkeit bieten, Protest und ihr eigenes Sozialforum zu verbinden,
Schutz geboten werden, vor der sonst üblichen harschen Repression.
In Bezug auf den G8-Gipfel in Heiligendamm gab es großes Interesse,
selbst wenn in vielen Sozialen Bewegungen die Diskussion darüber erst
beginnt. Allerdings betonten viele Aktive, dass eine solche
Mobilisierung im Herzen Europas für die sozialen Bewegungen eine große
Chance darstellt, da es viel leichter ist an diesen Protesten
teilzunehmen. Dementsprechend zuversichtlich waren die Vertreter der
einzelnen Länder, dass es eine erfolgreiche Mobilisierung aus ihren
Ländern geben könnte. Die SchwedInnen z.B. brauchen nur vier Stunden
mit der Fähre, die PolInnen waren zuversichtlich, dass es eine (für
ihre Verhältnisse) große Mobilisierung geben könnte, usw.
Angela Klein, angela.klein@soz-verlag.de
Hugo Braun, braun@attac.de
Judith Dellheim, judith.dellheim@web.de
Luigi Wolf, luigiw@gmx.net
Infos im web: www.fse-esf.org