die Linke

Menüpfad zur ausgedruckten Seite: Home Artikel Vermischtes Der Kontrakt des Zeichners
Adresse: https://dielinke.at/artikel/vermischtes/der-kontrakt-des-zeichners/

Der Kontrakt des Zeichners

Helmut Dahmer

Fritz Behrendt beglückwünscht (in der FAZ vom 26. 9. 2008, Seite 44) seinen 108jährigen Kollegen Boris Efimow zu seinem „spannenden und sehr erfolgreichen Berufsleben“.

14.10.2008

Jefimow zeichnete Karikaturen; sein zwei Jahre älterer Bruder, Michail Kolzow, schrieb Feuilletons, Berichte und Satiren. Beide machten in den zwanziger Jahren in der Sowjetunion Karriere, und beide stellten sich im russischen Thermidor auf die Seite Stalins und der GPU. Kolzow organisierte 1935 den Pariser antifaschistischen Schriftstellerkongreß, war mit Malraux und Gide bekannt und berichtete 1936 für die Prawda aus dem spanischen Bürgerkrieg. (In Hemingways Roman For whom the bell tolls tritt er unter dem Namen „Karkov” auf.) Er versuchte, mit seiner Feder die Parteilinie plausibel zu machen. Stalin mochte „kosmopolitische“ Intellektuelle wie ihn nicht, hielt sie alle für „Trotzkisten“ und ließ sie gern foltern und umbringen. In dem von Berija 1938 vorbereiteten Schauprozeß gegen die Spitzen der sowjetischen Intelligenzija (Meyerhold, Babel und viele andere) war Kolzow eine Hauptrolle zugedacht, und 1940 wurde er nach dem Widerruf seiner „Geständnisse“ erschossen. Seinen Bruder aber ließ man am Leben, und der zeichnete (so, wie schon unter Lenin und, später dann, unter Gorbatschow) auch die von Stalin jeweils gewünschten Karikaturen. Die Nazi-Größen porträtierte er als Zuschauer beim Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozeß. Doch wenn es (wie 1936-38) gegen die bolschewistische „Alte Garde“ oder (wie 1948-53) gegen die „titoistischen Faschis-ten“ ging, tauchte Jefimow seine Feder nicht in Tinte, sondern in Blut. Er hat überlebt und kann auf ein „erfolgreiches Berufsleben“ zurückblicken: das eines künstlerisch ebenso begabten wie bedenkenlosen Agitators.

Prof. Dr. Helmut Dahmer, Wien