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Von Menschen und Maschinen

Kurt Hofmann

Kurt Hofmann empfiehlt 2 Filme: "Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts" und "Lost in Beijing".

02.04.2008

Von Menschen und Maschinen
Zu  „Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts“

TOP-Kino; OmU

Wehe, wenn sie losgelassen: Die Finger von Young-goon sind eigentlich Teile einer Schnellfeuerwaffe. Wenn also die WärtInnen und ÄrztInnen Young-goons Existenz als Roboterin bezweifeln, feuert sie damit aus allen Rohren und metzelt damit das Personal der Nervenklinik nieder …
Young-goon ist ein Cyborg, aber das macht nichts in dieser Anstalt, in der die Irren ihr eigenes Wahnbild hegen und pflegen, ja geradezu wetteifern, wessen Phantasie vom eingenen Ich sich am stärksten behaupten kann …
Plötzlich taucht einer auf, der sich maskiert hat und verkündet, seine Absicht sei es, diverse Charakterzüge der anderen Insassinnen zu stehlen und für seine eigenen Zwecke zu verwenden. Park Il-soon, der Mann mit dem verborgenen Gesicht, interessiert sich für das Maschinenmädchen. Er entdeckt eine geheime Tür in ihrem Rücken (die er einzeichnet), lädt sie auf gemeinsame Flüge in weitentfernte satte Wiesen ein (und jodelt dort, als wäre er aus Tirol und nicht  aus Korea..), bringt schließlich sie, die als Cyborg keinen Mund und selbstverständlich auch kein menschliches Verdauungssystem hat, Nahrung aufzunehmen …

„Sai Bo Gu Ji Man Gwen Chan A“ (Ich bin ein Cyborg, aber das macht nichts; Republik Korea 2006; Regie: Park Chan-wook) verzichtet darauf, geistig Kranke als interessante Fälle, freigegeben zur pseudopsychologischen Durchleuchtung, als bedauernswerte Opfer (ihrer Umgebung, der Gesellschaft etc.) oder gar als Menschen mit besonderen Fähigkeiten jenseits der Wahrnehmungsgrenze darzustellen, ist weder political correct noch denunziatorisch.

Anders als in den kindlichen Rollenspielen, deren naives und wie unverrückbares Bild  von Familie und Umwelt auf festem Boden steht, hinterfragen die Erwachsenen den Sinn ihrer Existenz, um nicht selten daran zu verzweifeln. Den persönlichkeitsgestörten Kranken bleibt also nur die Flucht in das Kindheitsmodell  des selbstgeschaffenen Universums, so Regisseur Park Chan-wook, der konsequenterweise diesen Parallelwelten und den wild wuchernden Phantasien Raum gibt.

Der Preis der Lüge
Zu „Lost in Bejing“

Stadtkino; OmU

Ein Hochhaus in Peking: An Kun, der hier in halbrecherischer Manier als Fensterputzer arbeitet, beobachtet zufällig eine Vergewaltigung: das Opfer ist Liu Ping Guo, seine Frau. An Kun beginnt, den Vergewaltiger Lin Dong zu erpressen. Dieser leitet gemeinsam mit seiner Frau einen Massagesalon, in dem Liu Ping Guo arbeitet. Sie hat sich ihren Kundenstock aufgebaut und erhält reichlich Trinkgeld. Sie ist der „shooting star“ des Unternehmens und könnte, würde sie gewisse „Grenzüberschreitungen“ großzügig übersehen, noch viel mehr Trinkgeld einstreifen, hat ihr Lin Dong eben erklärt. Als sie sich alkoholisiert in einen Raum zurückzieht, nützt der Chef die „Gelegenheit“ …
Wir werden keinen Richter brauchen: Lin Dong zahlt. An Kun schläft aus Rache auch noch mit dessen Frau. Als Liu Ping Guo schwanger wird und abtreiben will, ist An Kun wütend. Denn nun sieht er die Gelegenheit, noch mehr Geld  von Lin Dong zu erpressen… Als der Vaterschaftstest ergibt, dass An Kun der Vater ist, besticht er den Arzt…Liu Ping Guos Kind erhält eine neue Familie … Doch auch, als An Kuns Eifersucht die Wahrheit an den Tag bringt, will Lin Dong auf die Vaterrolle nicht verzichten und bietet an, weiter für das Kind zu zahlen, wenn es bei ihm bleibt …

"Ping Guo“ (Lost in Beijing; VR China/Hongkong 2007, Regie: Li Yu) hat noch vor seiner Premiere Drohgebärden der chinesichen Behörden ausgelöst. So, ließ man die junge Regiesseurin wissen, wolle man das Land nicht dargestellt wissen. Dutzende Schnitte wurden eingefordert, ein Verlangen, dem Li Yu, trotz der möglichen Konsequenzen, nicht nachkam. Eine Frage der Moral: Nicht die expliziten Sexszenen, die wohl neben „schmutzigen Straßen“ und einer kurzen Einstellung, welchen den Tian’amen-Platz zeigt, waren, wie die Zensorinnen vermeinten, der „Skandal“. Vielmehr, so zeigt „Ping Guo“ das sichtbar werdende  Ausmaß der (moralischen) Korruption in einem Staat, der sich immer noch sozialistisch nennt, obwohl alles käuflich ist und Moral einfordert, wo die Gier Staatsdoktrin ist. Dennoch  vier Verliererinnen, die mit den selbst geschaffenen Tatsachen nicht leben können: so war das alles nicht geplant. Der Preis für Lüge und Vertrauensbruch ist hoch. Ein seltsames Quartett versucht sich eines (neugeborenen) Fünften wegen, der Projektionsfläche für die immer noch vorhandenen Sehnsüchte ist, aneinander zu klammern …