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Spiel auf Zeit – Berlinale 2011: Der Wettbewerb

Kurt Hofmann

Kann man in den (scheinbar unvermeidlichen) Ablauf der Geschichte eingreifen? Der Zeit ein Schnippchen schlagen? Sich vorbeischlängeln an dem, was da zu kommen droht? Zeit schinden: etwa, um den Wahnwitz eines ungeschriebenen Gesetzes der rituellen Vergeltung zu entgehen? Zeit gewinnen: etwa, um vor Übernahme einer als einschneidend begriffenen Verantwortung rasch noch zu überprüfen, was sinnvollerweise stattdessen hätte passieren können? Auf Zeit spielen: etwa, um in einem Streit recht zu behalten, wo die Entdeckung der Wahrheit nur hinderlich sein könnte? Von alledem war in den Filmen des Wettbewerbs 2011 zu sehen und zu hören…

06.04.2011

Albanien, 2011: Als der Konflikt um das Wegerecht unter Nachbarn eskaliert und mit dem Tod des Blockierers endet, scheint der Familie des Getöteten nur eine Antwort denkbar: die Blutrache. Was weiter zu geschehen hat, regelt der Kanun, das seit Jahrhunderten bestehende Gewohnheitsrecht. Keiner der männlichen Familienmitglieder darf bis zur „Erledigung“ der Angelegenheit das Haus verlassen, will er nicht sein Leben riskieren. Die „schuldige“ Familie zwingt die 15jährige Rudina, die Schule abzubrechen, um anstelle des flüchtigen Vaters das Brot auszufahren. Rudina wie auch ihr 17jähriger Bruder Nik, der sich kurz vor den tragischen Ereignissen erstmals verliebt hat und nun keinerlei Kontakt zur Außenwelt halten darf, zudem als aktuell „ältester“ Mann der Familie Verantwortung übernehmen sollte, schwanken zwischen den Geboten der Familienehre und ihren Gefühlen, ohne diesen inneren Konflikt offen zeigen zu dürfen. Dazu kommt, dass der nach Tagen der Ungewissheit bei Nacht und Nebel kurzfristig zurückkehrende Vater keinen Zweifel an seiner Autorität duldet…

Albanien, 2011: Da kommen Todesdrohungen an Nik, dessen Berufsziel die spätere Eröffnung eines Internetcafes ist, per sms. Die Technisierung, so zeigt Joshua Marston in „The Forgiveness of Blood“(USA/Albanien 2011), hindert die albanischen Dörfler keineswegs, an einer archaischen Form der Rache festzuhalten. Dass Technik auch für Aufklärung und Fortschritt, zum mindesten doch für Weiterentwicklung stünde, scheint ein Irrglaube zu sein. Die Alten laden den Jungen die Mühlsteine längst nicht hinterfragter blutiger „Tradition“ auf. Man könnte, überlegen die eingekesselten Familienmitglieder, einen „Vermittler“  einschalten, wie im Ritual vorgesehen, doch schon über dessen Person zerstreitet sich der erweiterte Familienrat. Unvorstellbar, mit den „Anderen“, die zwischenzeitlich mit einer Brandlegung ihre Macht demonstrieren, direkt in Kontakt zu treten. Da durchbricht ausgerechnet Nik den Teufelskreis…

Wie die zwischen Pflicht und Neigung zerrissenen Jungen den Geboten der Sippe folgen müssen und sich dennoch die Hoffnung auf ein anderes, selbstbestimmtes Leben nicht nehmen lassen, dem spürt Joshua Marston (bei der Berlinale zuletzt 2003 mit dem Drogenschmugglerdrama „Maria voll der Gnade“ zu Gast) in „The Forgiveness of Blood“ nach, dabei keinen Zweifel lassend, dass Aussitzen und Zeit schinden den Eingemauerten nichts helfen wird, vielmehr erst das Durchbrechen des Rituals den Weg ins Freie weist…

Argentinien, Ende der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts: Worte wie Vaterland und Ehre stehen hoch im Kurs, wehe dem/der, der/die von Demokratie und Menschenrechten spricht, gar eine andere Gesellschaft anstrebt als die einzig vorstellbare. So eine ist Lucia. Die Militärs haben sie aus der Metropole in ein verlassenes Strandhaus vertrieben, in dem sie sich mit ihrer siebenjährigen Tochter Ceci vor deren Nachstellungen verbirgt. Das aufgeweckte Kind, mit dem Lucia lange geübt hat, wie man seine Identität verschleiert, drängt Lucia, sie eine nahe gelegene Schule besuchen zu lassen. Ceci hat die Lektionen der Mutter verinnerlicht, bleibt in der Deckung, wo unvorsichtiges Antworten gefährlich wäre. Bald schon ist das Kind von Intellektuellen, das früh gelernt hat, mit Worten umzugehen, der Liebling der Lehrerin in der Provinzschule. Eines Tages kommt ein Offizier in die Klasse, erzählt den Kleinen von den wunderbaren Zeiten, in denen sie aufwachsen, und fordert sie auf, an einem Aufsatzwettbewerb teilzunehmen. Unsere Armee! Ceci denkt an das Schicksal ihres „verschollenen“ Vaters und verlässt die Deckung. Daheim wird ihr klar, was sie angerichtet haben könnte. Abends geht die Mutter mit ihr zum Haus der Lehrerin. Hoffend, dass diese die Aufsätze noch nicht korrigiert hat, will sie das Heft unter Berufung auf gravierende Rechtschreibfehler wegen Nervosität zurückhaben. Doch der Trick funktioniert nicht. Als Lucia und Ceci wieder abgezogen sind, liest die Lehrerin den Aufsatz, lässt die beiden zurückholen und Ceci den Aufsatz noch einmal verfassen. Was soll ich schreiben? Das Gegenteil, sagt die Mutter. Damit gewinnt Ceci den Hauptpreis. Darf sie sich den von  d e n e n  abholen? Das zu rasch in die Ernsthaftigkeit gestoßene Kind schwankt…

„El Premio“(Mexiko/F 2010), der erste (Lang-)Film der Argentinierin Paula Markovitch, ist, entgegen dem Handlungsrahmen, weder ein Politdrama noch eine Erforschung der kindlichen Psyche (in herkömmlichem Sinne). Langsam, sich Zeit nehmend, findet Markovitch einprägsame Bilder für die Situation ihrer Protagonistinnen: etwa, wie das Stadtkind Ceci immer wieder erfolglos versucht, mit ihren Rollschuhen über den nassen Sand zu rollen - das Nicht-vom-Fleck-kommen… Oder: wie die zur Untätigkeit verdammte Lucia wiederholt, nachgerade manisch, das Strandhaus aufzuräumen versucht, so, als könnte sie der aufgezwungenen „Ordnung“ im Staat eine wohlgeordnete Barriere aus Büchern entgegensetzen. Da ist die Nähe zwischen Mutter und Tochter. Und zum anderen der Wunsch Cecis, Freundinnen zu finden. Doch wenn sie mit diesen spricht, ist das Kind gezwungen, wie eine Erwachsene zu denken, sich ja nicht zu verplappern. Schier unauflösbar schließlich das Drama zwischen dem Wunsch, vor allen ausgezeichnet zu werden und dem Wissen, damit die Mutter und die eigene Geschichte zu verraten…

Kennzeichnend der Blick fürs Detail. Wie ein gewalttätiger Staat ein Kind zwingt, seine kindliche Unbefangenheit zu verlieren, das erklärt Paula Markovitch in „El Premio“ mit ihrem Interesse für die alltäglichen Abläufe einer Existenz im Verborgenen besser und intensiver als manches allzu kinowirksames Polit-Rühr-Stück.

Wer seine Prinzipien verraten hat, der wird nach seinem Tod in ein Nilpferd verwandelt, so ein afrikanischer Mythos. Ebbo Velten, ein deutscher Arzt, der seit Jahren in verschiedenen afrikanischen Ländern, zuletzt in Kamerun, medizinische Forschungsprojekte betreut, ist einer, der seine Grundsätze hochhält. Als er durch die schikanöse Kontrolle einer Militärstreife an der Weiterfahrt gehindert wird, rettet ihn und seine Familie ein intervenierender Offizier, der allerdings in die Hauptstadt Yaoundé mitgenommen werden will. Da zeigt Ebbo seiner im Fonds wartenden Familie, insbesondere der 14jährigen Tochter Helen, welche, in deutschen Internaten erzogen, erstmals Kamerun kennenlernt, wie Kant in Afrika triumphiert… Nein, einen Uniformierten und Bewaffneten nehme er nicht mit. Erst als der Offizier, der ungeachtet dessen allerdings ein Repräsentant der herrschenden Klasse bleibt, seine Waffe ablegt und Zivilkleidung angelegt hat, darf dieser in den Wagen der Veltens einsteigen. Bei der letzten Sitzung im Krankenhaus vor seiner geplanten Rückkehr nach Deutschland wettert Ebbo noch gegen missbräuchliche Verwendung von Hilfsgeldern, und einem korrupten Kollegen, der Veltens Auto so gerne (als Statussymbol) kaufen möchte, nützt es nichts, dass er sein Angebot an Ebbo erhöht, da geht nichts, wo kämen wir denn da hin, der kriegt das Auto nicht…

Soviel Moral tut nicht gut: Trotz widersprüchlicher Gefühle verbleibt Ebbo schließlich in Kamerun. Als Jahre später der Pariser Arzt Alex Nzila im Auftrag der WHO das Projekt zur Bekämpfung der Schlafkrankheit evaluiert, ist Projektleiter Velten nicht anwesend. Alex findet die von Ebbo geführte Klinik nicht nur verwaist, sondern geradezu verlottert vor. Zwischen leeren Krankenbetten laufen Hühner umher, wären Kranke anwesend, würden die hygienischen Verhältnisse gegen eine längere Unterbringung sprechen. Obwohl er auf eine Mauer des Schweigens trifft, wird Alex bald klar, dass es hier längst keine an der Schlafkrankheit Leidenden mehr gibt und das Geld offenbar veruntreut wird. Doch Alex fühlt sich nicht wohl in seiner Rolle als europäischer Revisor (mit afrikanischen Wurzeln). Es wird ihm übel und das nicht nur sprichwörtlich. Als er aus seiner Ohnmacht erwacht, ist ein Arzt über sein Krankenbett gebeugt: Ebbo Velten, der Erklärungsbedarf hätte, würde ihn das Gewissen (noch) drücken.

Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit“(D 2011) ist eine Spurensuche über die Grauzonen, ein Film, den die Lücken und Widersprüche mehr interessieren als vorfabrizierte „Wahrheiten über…“. Wenn Alex, der französische WHO-Beauftragte, bei einem Straßenhändler in Yaoundé Zigaretten kaufen will und ihm der Händler den Preis nennt, vermeint dieser, übervorteilt worden zu sein. Der wütende Protest von Alex, 600 Franc seien Betrug und Wucher, in Paris koste das 10 Franc und mehr werde er auch nicht zahlen, wird vom Verkäufer mit dem Hinweis gekontert, es handle sich um 600 Kameruner Franc, dies sei weniger als 1 Euro. Nichts ist hier, wie es scheint: wer von außen kommt, muss das vorschnelle Urteil ebenso vermeiden wie die langsame Anpassung an die Trägheit des Nehmens.

In „Schlafkrankheit“ wird exemplarisch vorgeführt, was es heißt, den „Dingen ihren Lauf zu lassen“, ohne dass eine/r dies auch nur ansatzweise denken oder gar sagen würde. So löst sich auch Ebbo nicht mit Vorsatz von seinen einstmals so hehren Prinzipien, das Abrutschen in die Korruption „passiert“ ihm, die „guten Absichten“ erweisen sich, wie bei vielen Unternehmungen im Dienste der Menschheit, als falsche Münze…

Vier Wochen: ist das kurz oder lang? Die Katze Pfötchen, noch Insassin eines Tierheims, bald schon Mitbewohnerin von Sophie und Jason, weiß das nicht so recht einzuschätzen, doch sieht sie einer rosigen Zukunft entgegen. Pfötchen ist mitteilsam, böse Zungen wrden sie geschwätzig nennen, was man von ihren zukünftigen Lebensmenschen nicht eben behaupten kann. Eloquenz zählt kaum zu den Stärken von Sophie und Jason, auch die Kommunikation der beiden beschränkt sich auf ein liebevolles Minimum. Freilich plagt sie ein neu aufgetretenes Problem: wenn, in vier Wochen, die verletzte Pfote der Katze gut verheilt ist, könnte diese nach Ansicht des Tierarztes noch gut und gerne fünf Jahre leben. Fünf Jahre Verantwortung für ein vierbeiniges Ersatzkind – wo bleibt da der eigene Freiraum? Bei den beiden Dreißigern bricht Torschlusspanik aus. Zwar haben sie schon bisher nicht gewusst, wie das Leben außerhalb ihrer vier Wände verläuft, und ihre Berufe - Jason ist Call-In-Computerdoktor und Sophie Ballettlehrerin für Kinder – haben auch nicht gerade zu einem intensiven Kontakt mit ihren Mitmenschen beigetragen, aber all das wollen sie in den vier Wochen, bevor Pfötchen in ihr Leben tritt, nun im Schnellgang nachholen. Sophie hat einen Plan: sie will mit einem getanzten You-Tube-Clip ihre Umwelt auf sich aufmerksam machen – leider scheitert dieses Vorhaben an Sophies Unzufriedenheit mit ihrem eigenen vertanzten Ich. Jason hat einen Plan: er will die Erdatmosphäre und damit nicht weniger als die Menschheit retten, kündigt kurz darauf entschlossen seinen Job, um unter die Menschen zu gehen und klinkenputzend für Baumpatenschaften zu werben. Immerhin findet Sophie übers Internet auf Umwegen einen ältlichen Geliebten, der zu ihr so wenig passt, dass er ihrer Vorstellung eines veränderten Lebens fast nahe kommt, und Jason findet, dass die Menschheit ihn nicht verdient hat. Immer noch aber wartet Pfötchen, die Katze…

„The Future“(D/USA 2011) , ein Film des New Yorker Multitalents Miranda July, die sich neben dem Filmemachen auch noch als bildende Künstlerin, Schriftstellerin und Performerin betätigt, zudem auch noch die auf der Suche befindliche Sophie verkörpert, war ein Ausnahmefall des diesjährigen Wettbewerbs. Eine zeitgenössische Komödie über zwei, die vermeinen, ihr Leben neu definieren zu müssen, ohne so recht zu wissen, wie, konterkariert durch die Kommentare der wartenden Katze: das war so skurril wie unwiderstehlich komisch, kam leichtfüßig daher und war doch nicht leichtgewichtig. Die völlig untauglichen Versuche von Sophie und Jason, sich der großen Leere und des drohenden Nichts zu erwehren, ihre durchwegs zum Scheitern verurteilten Lebenspläne, zwei Nichtschwimmern gleich, deren Hauptprojekt die Durchquerung eines großen Flusses ist, boten ausgiebig Stoff für Pointen, doch das Lachen über Miranda Julys immer wieder vergeblich Anlauf nehmende Lebensjongleure könnte auch ein befreiender Reflex des Wiedererkennens eigenen Scheiterns sein…

Selten zuvor war eine Entscheidung in Berlin so eindeutig, konnte nur den einen, herausragenden Film des Wettbewerbs betreffen: die Rede ist von Asghar Farhadis „Jodaeiye Nader Az Simin“ (Nader and Simin, A Separation; Iran 2011).

Nader hat die lange geplante gemeinsame (Aus-)Reise kurzfristig abgesagt, weil er seinen alzheimerkranken Vater nicht fremden Gesichtern ausgesetzt im Iran zurücklassen möchte. Simin, die alles unternommen hat, um die bürokratischen Hindernisse hiefür zu beseitigen, reicht darauf die Scheidung ein, wird zunächst abgewiesen und verlässt in der Folge die gemeinsame Wohnung. Nader, nunmehr alleinerziehender Vater der elfjährigen Termeh, ist mit der ebenfalls anstehenden Betreuung des dementen Vaters überfordert und sucht eine Pflegerin für diesen. Die tief religiöse Razieh übernimmt den Job, nachdem sie sich telefonisch bei der islamischen Hotline abgesichert hat, dass sie einen alten, geistig abwesenden Mann berühren darf… Als der heimkehrende Nader eines Tages seinen Vater alleingelassen und am Bett angebunden, hilflos nach einem Schlaganfall vorfindet, packt ihn die Wut und er kündigt der zurückkehrenden Razieh, die beteuert, das Haus nur für eine kurze Besorgung verlassen zu haben. Nachdem er sie auch noch des Diebstahls verdächtigt, ist diese nicht mehr zu beruhigen und wird von Nader, heftig widerstrebend, aus der Wohnung bugsiert. Sie fällt im Stiegenhaus. Am darauffolgenden Tag findet sich Nader, des Mordes an deren ungeborenem Kind beschuldigt, vor Gericht wieder. Die Schwangerschaft sei durch den Tschador nicht sichtbar gewesen, behauptet Nader. Sie habe ihn über ihren Zustand informiert, repliziert Razieh. Aussage gegen Aussage. Als Raziehs Mann, ein religiöser Fanatiker, schließlich auch noch Termeh vor der Schule bedroht, greift Simin ein. Sie will, um das Wohl des gemeinsamen Kindes besorgt, eine Lösung finden, welche die erbittert Streitenden das Gesicht wahren lässt, zumindest jedoch Zeit gewinnen. Doch Nader begreift ihre Intervention als feinseliges Eingreifen der Getrennten…

 „Nader and Simin, A Separation“: ein Konfliktfall wird referiert, der ein bezeichnendes Bild auf den Iran unserer Tage liefert. Da ist der gutsituierte Nader, ein Intellektueller, dessen urbane Wurzeln in Teheran so gut wie in London liegen könnten, wäre da nicht der Konflikt mit Simin, ein Machtspiel, in dem er sich, trotz aller Distanz zum Gottesstaat, doch auf dessen Frauen benachteiligende Gesetze  verlässt… Und da sind Razieh und ihr Mann, vom Land kommend, gering gebildet, tiefreligiös… Mehr noch als deren Behauptungen empört Nader das Eindringen der staatlichen Ideologie in seine Lebenssphäre. Freilich kann er sich darauf verlassen, dass dem Richter die Klassenzugehörigkeit wichtiger ist als das religiöse Einverständnis, denn dass der eben aus dem Gefängnis entlassene arbeitslose Gatte Raziehs vor Gericht herumbrüllt und meint, es bedürfe keiner Beweisführung, denn es läge doch alles auf der Hand, macht diesen vor Gericht zum verhaltensauffälligen Regelverächter, dessen provinzielle Rage nervt, da hilft die Gläubigkeit nicht weiter… Und da ist die Frage nach Wahrheit oder Lüge, die, wie sich herausstellt, nicht so einfach zu beantworten ist, da alle Beteiligten die „Wahrheit“ zu ihren Gunsten manipulieren…

 Wer glaubt, die Wahrheit gepachtet zu haben, irrt: Nicht weniger behauptet „Nader and Simin, A Separation“ und somit lässt diese iranische „Rashomon“-Variante den Rückschluß vom Privaten aufs ganz Große zu, ohne ihn zu betonen, indem sie scheinbar stets auf den vorgegebenen Pfaden bleibt. Ein subversiver Film, fürwahr.

Kurt Hofmann