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Zurück zu Kinder, Küche, Kirche – Die Lage der Frauen im „demokratischen“ Polen

Czeslaw Janik , Maria Szyszkowska

Eine Voraussetzung für Demokratie ist Meinungsvielfalt. Nach 1989 gibt es in Polen nur noch eine ideologische Strömung, die katholische. Die Lage hat sich also gegenüber den Jahren 1956 bis 1989 verschlechtert, denn damals gab es in der Gesellschaft zwei ideologische Strömungen.

11.05.2007

Die Marxisten hatten die Unterstützung des Staates, während die christlichen Gruppen, die legal anerkannt waren, ihren Standpunkt in Büchern stimmte damals der Einrichtung der privaten Katholischen Universität Lublin zu und eröffnete 1954 in Warschau eine staatliche katholische Akademie.
Die Wirkungsweise der beiden Strömungen hat in der Gesellschaft zu leidenschaftlichen politischen und philosophischen Debatten geführt, die ihren Niederschlag auch in der Tagespresse fanden.
In den Jahren 1956–1989, nach der stalinistischen Periode, hat sich die Lage der polnischen Frauen erheblich verbessert. Endlich wurden Frauen ernst genommen, und ihre Forderung nach Emanzipation führte dazu, dass alle möglichen Berufe auch für Frauen geöffnet wurden. Die Traktorfahrerin wurde zum Symbol für diese jüngste Vergangenheit.

Die goldenen Jahre?

Die Notwendigkeit, Frauen die Freiheit und Möglichkeit zur eigenen Lebensplanung einzuräumen, hat zur Einrichtung einer großen Zahl von Horten und Kindergärten geführt. Das Ziel war, den Frauen eine berufliche Tätigkeit zu ermöglichen. Damals wurde das Gesetz verabschiedet, das einen Schwangerschaftsabbruch aus sozialen Gründen ermöglichte.
Frauen erhielten im gleichen Umfang wie Männer Zugang zur Bildung. Auf dem Land wurden Schulen geschaffen. Viele Stipendien wurden geschaffen, damit jede Frau, die es wünschte, studieren konnte und das gesamte Ausbildungssystem kostenfrei für sie war. Die Frauen traten damals aus dem Horizont ihrer vier Wände heraus und konnten sich den Männern gleichgestellt fühlen. Die Mutigsten unter ihnen stürzten sich ins politische Leben, getrieben von der Leidenschaft der gesellschaftlichen Aktion. Natürlich traf ihr Auftritt im öffentlichen Leben auf den Widerstand der Männer. Aber allmählich rückten die Frauen in bedeutendere Positionen vor: sie arbeiteten als Vorarbeiterinnen, als stellvertretenden Leiterinnen, als Schuldirektorinnen, als Vizeministerinnen.
Damals war das politische Leben voller ideologischer Debatten. Pseudowerte wie materieller Reichtum hatte nicht dasselbe Gewicht wie heute.

Die Demokratie

1989 wurde in Polen „die Demokratie“ eingeführt. Walesa versprach, den Sozialismus zu verbessern. Keine Arbeiterin und kein Arbeiter, die damals streikten, konnte sich damals vorstellen, dass jemals wieder der Kapitalismus eingeführt und die Mehrzahl der Bevölkerung in der Armut landen würde. Nach 1989 trat in Polen ein Phänomen auf, das bis dahin unbekannt war: die Arbeitslosigkeit. Indem die Grenze für westliche Konzerne geöffnet wurden, wurde die polnische Industrie zerstört.
Die strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft haben sich auf die Lage der Frauen negativ ausgewirkt. Die Frauenarbeitslosigkeit stieg besonders stark an. Wenn heute jemand eine Frau einstellt, bietet er ihr für dieselbe Stelle weniger Lohn und schlechtere Arbeitsbedingungen als einem Mann. Nur sehr junge Frauen finden noch leicht eine Arbeit. Sie werden als Bankangestellte oder Sekretärinnen beschäftigt.
Die Horte und Kindergärten wurden geschlossen, Frauen wieder in eine einzige Rolle gesperrt: die der Hausfrau. Häufig hört man die Auffassung, die der Ideologie der katholischen Kirche entspricht, die Bestimmung der Frau sei die Mutterschaft und die Pflege der Familie. Ihre eigenen niedrigen Löhne erlauben den Männern jedoch nicht, angemessen eine Familie zu ernähren. Der Mangel an Arbeitsplätzen führt zur illegalen Prostitution, deren Orte man in Polen „Kontaktagenturen“ oder „Massagesalons“ nennt. Die Armut, die heute in der Mehrzahl der Haushalte herrscht, behindert den Zugang von Frauen zur Bildung, weil dieser anders als zu Zeiten der Volksrepublik jetzt private finanzielle Mittel erfordert.
Die massive Abwanderung ins Ausland auf der Suche nach Arbeit hat bereits begonnen. Unter denen, die Polen verlassen, machen die Frauen einen hohen Anteil aus.
Zu diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesellt sich die katholische Ideologie. Die Herrschaft einer einzigen Anschauung führt zu einer tiefen Entfremdung. Unter dem Einfluss der Kirche, aber auch der Frauenzeitschriften und Massenmedien ist die polnische Mutter ein Ideal geworden, das man anzustreben hat. Bei ledigen und kinderlosen Frauen führt das zu verstärkten Minderwertigkeitskomplexen, da sie von der Kirche als das Antimodell schlechthin vorgestellt werden. Lesbische Frauen sind in einer noch dramatischeren Situation, weil die Kirche der Gesellschaft einredet, Homosexualität sei eine Krankheit, eine Abnormität.
Die Kirche hat die Einführung von Sexualkundeunterricht an den Schulen verweigert; nur wenige haben Zutritt zu Verhütungsmitteln; illegale Abtreibungen nehmen zu und bei den ärmeren Frauen kommt es zu Kindestötungen. Die öffentliche Unterstützung, die das patriarchalische Modell erfährt, verbunden mit dem Stress der Arbeitslosigkeit der Männer, führt zunehmend zu Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Kein Ort für Emanzipation

Es gibt keinen Spielraum für Orte der Emanzipation, um dieser Entfremdung zu entgehen. Die Schulbücher geben die Lehrmeinung der katholischen Kirche wieder und das staatliche Fernsehen verbietet sich Äußerungen, die davon abweichen. Alle privaten Fernsehanstalten sind offen katholisch. Radio Maryja und der Sender „Trwam“ propagieren nicht nur Intoleranz gegenüber allem, was vom Katholizismus abweicht, sondern auch offenen Antisemitismus und Sympathien für die polnischen Neofaschisten.
Die Linke hat sich darum nicht gekümmert, nicht einmal als sie an der Macht war, und hat den öffentlich-rechtlichen Medien nicht den Respekt der Meinungsvielfalt eingeimpft. Die Linke an der Regierung hat ihre Macht auch nicht dazu genutzt, die Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch aus sozialen und persönlichen Gründen zu schaffen, weil sie die Unterstützung der Kirche wollte.
Es hat einen stillschweigenden Kuhhandel gegeben: Einem geheim gehaltenen Abkommen der damaligen Linksregierung mit der Kirche zufolge war die Kirche bereit, die Gesellschaft zu überzeugen, für den Beitritt zur EU zu stimmen unter der Voraussetzung, dass kein Gesetz verabschiedet werden dürfe, das der katholischen Lehre entgegen steht. Somit ist die Kirche, seit je eine Feindin der Frauenemanzipation, eine wirtschaftliche Macht geworden und die einzige politische Kraft, mit der sich alle anderen Kräfte arrangieren müssen.
Das Bewusstsein der polnischen Frauen ist heute angefüllt mit den Werten, welche die katholische Kirche propagiert und mit dem Aberglauben, der daran gebunden ist. Die Werbung für Luxusprodukte, Kleidung, Autos und Kosmetika trägt noch das ihre bei und weckte den unguten Wunsch, sich um jeden Preis zu bereichern. Der Sinn für die sozialen Werte ist verloren gegangen bei denen, die für die Erziehung der jungen Generation verantwortlich sind.
Das gesellschaftliche Klima treibt die Frauen in die Passivität. Viele Frauen sind es leid, ums Überleben zu kämpfen. Nur ein winziger Teil engagiert sich in der Politik. Sehr wenige Frauen nehmen an Parlamentswahlen teil, deshalb ist das Parlament so stark von Männern beherrscht. Selbst die parlamentarische Linke diskriminiert Frauen in ihren Reihen: sie bekommen die schlechteren Kandidatenplätzen und haben zu den höchsten Parteiämtern keinen Zugang. In der Regierung gibt es derzeit nur eine Frau.
Die Kandidatur einer der Autorinnen dieses Berichtes, Maria Szyszkowska, für das Präsidentenamt war deshalb etwas Neues und Besonderes.

Aus: Solidarités (Genf, 11.Oktober 2006, Übersetzung: Angela Klein)


07-12-2006, 20:25:00 |Maria Szyszkowska / Czeslaw Janik