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Was der Staatspräsident des Iran wirklich sagte

Anneliese Fikentscher/Andreas Neumann

Am 26.10. hatte der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad vor Studenten in Teheran eine Rede gehalten, in der er sich mit den USA und dem israelischen Besatzungsregime in Palästina befasste. Was hat er wirklich gesagt? Israel dem Erdboden gleichmachen? zerschlagen? vernichten? zerstören? tilgen? ausradieren? von der Landkarte löschen,? - das habe der iranische Präsident gefordert, lasen oder hörten wir Ende Oktober 2005 in zahlreichen Zeitungen und Fernsehberichten. Die Medien sind sich einig in der Empörung: Das sei eine Kriegserklärung des Iran an Israel.

25.04.2007

Am 26.10. hatte der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad vor Studenten in Teheran eine Rede gehalten, in der er sich mit den USA und dem israelischen Besatzungsregime in Palästina befasste. Was hat er wirklich gesagt? Es ist das Verdienst der New York Times, seine Rede im vollen Wortlaut veröffentlicht zu haben (30.10.2005). Hier ein Auszug:
"Sie sagen, eine Welt ohne die USA und ohne Zionismus sei nicht möglich. Aber Sie wissen, dass dies ein mögliches Ziel ist. Gehen wir einen Schritt zurück. Wir hatten in diesem Land ein feindliches Regime, es war undemokratisch, bis zu den Zähnen bewaffnet und hatte mit dem SAVAK [Geheimdienst des Shah-Regimes] einen Sicherheitsapparat, der alles überwachte. Es herrschte eine Atmosphäre des Terrors. Als unser lieber Imam [Ayatollah Khomeini] sagte, das Regime müsse beseitigt werden, sagten viele, die sich als politisch gut informiert ausgaben, das sei nicht möglich. Alle westlichen und östlichen Länder unterstützten den Shah damals, sogar nach dem Massaker vom 7.September [1978], und sagten es sei nicht möglich, das Regime zu beseitigen. Aber unser Volk widerstand und es sind nun 27 Jahre, dass wir überlebt haben ohne ein Regime, das von den USA abhängt. Die Tyrannei des Ostens und des Westens muss ein Ende haben, aber schwache Menschen, die nur sehen, was unmittelbar vor ihnen steht, können das nicht glauben. Wer konnte glauben, dass wir eines Tages den Zusammenbruch des östlichen Reiches erleben würden? Aber es geschah zu unseren Lebzeiten … Der Imam sagte, Saddam muss gehen, er werde schwächer werden als sich irgendwer vorstellen könne. Jetzt sehen Sie, dass der Mann, der vor zehn Jahren mit einer solchen Arroganz sprach, dass man geglaubt hätte, er ist unsterblich, in seinem eigenen Land in Hand- und Fußschellen vor Gericht gestellt wird von denen, die er als seine Unterstützer wähnte und mit deren Unterstützung er seine Verbrechen begangen hat. Unser lieber Imam sagte, das Besatzungsregime muss von der Landkarte gefegt werden — und das war sehr weise. Wir können in der Palästinafrage keine Kompromisse machen. Es ist möglich, im Herzen einer alten Front eine neuen Front aufzubauen. Das wäre eine Niederlage, und wer immer die Legitimität dieses Regimes akzeptiert, unterschreibt de facto die Niederlage der islamischen Welt. Ich habe keinen Zweifel, dass die neue Bewegung, die in Palästina begonnen hat … diesen Schandfleck von der islamischen Welt tilgen wird."
Der iranische Präsident bezeichnet also die Beseitigung der Regime, die in Israel und den USA an der Macht sind, als Ziel. Doch nirgends fordert er die Beseitigung oder Auslöschung Israels.
Hingegen unterscheidet sich seine Sprache und Argumentation ganz und gar von den Reden, die wir seit Jahren aus Washington hören. Es war der damalige stellvertretende US-Verteidigungsminister Wolfowitz, der im September 2001 öffentlich die Auslöschung von Staaten verlangte — inzwischen ist er Präsident der Weltbank. Und es war Bush senior, der vom gewinnbaren Atomkrieg sprach, wenn nur das Überleben einer Elite gesichert sei.
Die Medien aber geben seine Äußerungen — wir müssen befürchten bewusst — falsch wieder. Am 27.10.2005 unterstellte die Tagesschau Ahmadinejad die Äußerung: "Wie schon der Imam sagte, muss Israel von der Landkarte getilgt werden." Wir sehen, wie seine Worte verdreht wurden. Am 14.12. gab sie ihn mit folgenden Worten wieder: "…der Staat Israel solle in eine andere Weltgegend verlegt werden, etwa nach Europa, in die USA, nach Kanada oder Alaska".
CNN aber übersetzte einen Tag später seine Worte wie folgt: "Wenn ihr die Juden verbrannt habt, warum überlasst ihr Israel dann nicht einen Flecken in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada oder Alaska? Unsere Frage ist: Wenn ihr dieses gewaltige Verbrechen begangen habt, warum soll dann die unschuldige palästinensische Nation dafür bezahlen?"
Dieses Zitat ist zugleich ein Beleg dafür, dass Ahmadinejad den Holocaust keineswegs leugnet, wie vielfach behauptet wird. Die Tagesschau legte ihm am 14.12. die Worte in den Mund: "Der ‘Mythos vom Massaker an den Juden‘ werde in den westlichen Staaten ‘höher gestellt als Gott, die Religionen und die Propheten‘."
N24 übersetzte am selben Tag korrekter: "Sie haben im Namen des Holocaust einen Mythos geschaffen und schätzen diesen höher als Gott, die Religionen und die Propheten." Das ist ein gewaltiger Unterschied. Tatsächlich sagt er: Es kann nicht angehen, Verbrechen, die gegen das palästinensische Volk begangen werden, zu übersehen, weil es ein anderes Verbrechen gegeben hat, das an den Juden begangen wurde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rückte den iranischen Präsidenten in die Nähe zu Hitler und den Nationalsozialismus, als sie am 4.2. auf der NATO-Sicherheitstagung in München sagte: "Anfang der 30er Jahre haben auch viele gesagt, das ist nur Rhetorik. Man hätte rechtzeitig vieles verhindern können, wenn man gehandelt hätte … Wir haben uns in Deutschland verpflichtet, den Anfängen zu wehren und alles daran zu setzen, um deutlich zu machen, was geht und was nicht geht. Iran hat es selbst in der Hand."
Das alles deutet auf Krieg. Slobodan Milosevic wurde zu Hitler. Es folgte der Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Saddam Hussein wurde zu Hitler. Es folgte der Krieg der USA und ihrer Koalition der Willigen gegen den Irak. Jetzt wird der iranische Präsident zu Hitler. Und jemand wie Hitler kann hundertmal versichern, die Kernenergie friedlich nutzen zu wollen. Ihm wird nicht geglaubt. Jemand wie Hitler kann im Rahmen aller Verträge agieren. Ihm wird trotzdem vertragswidriges Handeln unterstellt.




30-04-2006, 12:25:00 |Anneliese Fikentscher/Andreas Neumann