Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich
Johann Schögler
Die Linke stellt keine/n EinheitskandidatIn für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich am 26. April. Und auch die Gefahr, dass Jean-Marie Le Pen (Front National) wieder in die Stichwahl gehen kann, prägt ebenfalls den Wahlkampf.
11.05.2007
Am 26. April findet der erste Durchgang für die Präsidentschaftswahlen
in Frankreich statt. Da sicherlich keine(r) der wahrscheinlich mehr als
16 KandidatInnen – die endgültige Anzahl steht am 16. März fest,
nachdem die KandatInnen 500 Unterstützungsunterschriften von 500
BürgermeisterInnen vorgelegt haben - die Mehrheit erreichen wird,
werden jene zwei KandidatInnen, die am 26. April die meisten Stimmen
auf sich vereinigen können, am 6. Mai zur Stichwahl antreten. Das
Trauma des 22. April 2002, als der rechtsextreme Le Pen neben Jacques
Chirac mehr Stimmen errang, als einer der linken Kandidaten, und als
die Mehrheit der SP/KP/radikalen Linken im zweiten Wahlgang aufrief,
gegen Le Pen und für Chirac zu stimmen, ist allgegenwärtig. Die Linke
tritt diesmal wieder in ebenso breiter Streuung wie damals an, und die
Gefahr, dass Le Pen nochmals in die Stichwahl kommt, ist nicht
auszuschließen. Im Vorwahlkampf war vergebens versucht worden, im
linken Spektrum der die gegen den EU-Verfassungsvertrag am 29. Mai
2005 gestimmt hatte (es gab 900 "Stimmt-nein"-Komitees) , eine
gemeinsame Kandidatur auf die Beine zu stellen. Die Parteiinteressen
waren jedoch zu unterschiedlich. Die Uneinigkeitslinie verlief unter
anderem in der Frage der Unterstützung einer sozial-liberalen
SP-Regierungskoalition nach den Legislativwahlen im Juni.
Zurzeit ist das Rechts /Links Verhältnis laut Meinungsumfragen 60 zu 40
(Rechte und Rechtsextreme - FN: Jean-Marie Le Pen; Dominique de
Villepin; UMP: Nicolas Sarkozy; UDF: Francois Bayrou….60%; und links -
SP: Ségolène Royal; KP: Marie-George Buffet; Grüne: Dominique Voynet;
Globalisierungskritiker: José Bové; radikale Linke: LCR: Olivier
Besancenot; LO: Arlette Laguiller; … 40%)
Die rechten KandidatInnen
Le Pen (FN, Front national) gibt sich bei Fernsehauftritten, die bis zu
einer Stunde dauern, bewusst gemäßigt; in seinen Meetings aber ebenso
rechtsradikal wie immer. Es gelang der FN, den renommierten
ex-Kommunisten Soral zu gewinnen, der Aussagen wie: „wenn Marx heute
leben würde, würde er für Le Pen stimmen“ macht und Reden für Le Pen
verfasst. Le Pen tritt für die Wiedereinführung der französischen
Grenzen (ohne Erleichterungen durch die EU-Bestimmungen) ein, er macht
sich für einen Immigrationsstopp stark und plädiert für die
Wiederherstellung der Souveränität Frankreichs, die an Brüssel verloren
gegangen wäre. Die FN hatte auch gegen den EU-Verfassungsvertrag
gestimmt.
Sarkozy von der UMP (Union für die Präsidentschaftsmehrheit; union pour
la majorité présidentielle) gelingt es derzeit geschickt, in das
ArbeiterInnenmilieu hineinzustoßen, indem er sich als Kandidat aller
Franzosen anpreist und linke Werte in seine Reden aufnimmt. Bisher ist
er bei Umfragen immer weit vor Ségolène Royal. Sarkozy konnte Linke wie
Max Gallo (SP-Minister unter Mitterrand) bzw. die Philosophen Alain
Finkielkraut und André Glucksmann für seine Kampagne gewinnen. Zum IN
der Frage des EU-Verfassungsvertrags ist er für einen „ vereinfachten“
Verfassungsvertrag, in dem nur jener Teil, der für die Funktionsweise
der 27 EU-Staaten von Bedeutung ist, beibehalten wird. Er ist gegen
eine neue Volksabstimmung und für eine Ratifizierung im Parlament.
Francois Bayrou (UDF, Union für die französische Demokratie; union pour
la démocratie francaise) tritt als Zentrist an und ist für eine
Koalitionsregierung zur Umsetzung seines Präsidentschaftsprogrammes
(nach den Legislativwahlen im Juni) zwischen UMP, seiner
zentristischen UDF und der SP. Für viele ist er eine glaubhafte
Alternative zum überkommenen links/rechts-Schema. SP und UMP, die einen
Verlust ihrer WählerInnen befürchten, bringen die Gefahr Le Pen ins
Spiel. Bezüglich EU-Verfassung ist er für einen neuen klaren, soliden,
für alle verständlichen Vertrag und für eine Volksabstimmung. Er gibt
sich auch als derjenige aus, der Frankreich innerhalb der EU am besten
vertreten könnte. Bezüglich Aufrüstung will er die neuen
„Flugzeugträger“ zusammen mit England finanzieren.
Sozialpolitisch steht die gesamte Rechte für eine Reduzierung der
Vermögenssteuer bis hin zu ihrer Abschaffung. Bezüglich der 35
Stundenwoche ist die Rechte für die Aufhebung des Limits und bezeichnet
es als Untergrenze und nicht Obergrenze.
Die KandidatInnen der Linken
Ségolène Royal hat Schwierigkeiten, eine klare Linie zu finden. Das
Problem ist, dass die SP keine wirkliche Veränderung gegenüber der
neoliberalen Politik vorlegt und sich somit nicht als echte Alternative
zu Sarkozy präsentieren kann. Erst vor ein paar Tagen hat sich
Ségolène Royal inhaltlich geäußert und in einem Meeting vor 15.000
Menschen ihr 100-Punkteprogramm vorgelegt. Ihre GegnerInnen
kritisieren, dass die Budgetierung zur Umsetzung fehlt. Die SP tritt
für einen neuen EU-Vertrag und eine Volksabstimmung ein.
Marie-George Buffet sieht sich nicht als KP-Kandidatin, sondern als
globalisierungskritische Einheitskandidatin. Sie wurde jedoch von den
anderen Gruppierungen darin nicht unterstützt. Selbst die KP
unterstützt sie nicht geschlossen.
José Bové, der zweite globalisierungskritische Kandidat, wird von
keiner Partei unterstützt. Er will die sozialen Bewegungen
repräsentieren und durch seine Kandidatur eine Dynamik auslösen. Bei
seiner Antrittsrede rief er zum „Aufstand der Wähler“ auf, die Kampagne
steht unter dem Motto „eine andere Welt ist auf dem Weg“. Er will vor
allem antreten, um Le Pen und die Rechte zu verhindern. Getragen wird
seine Kampagne von 400 der 900 Komitees, die gegen die EU-Verfassung
mobil machten sowie von einem kleinen Teil der KP und der LCR.
Inhaltliche Basis sind die von den Komitees erarbeiteten 125
Forderungen. Im zweiten Wahlgang wird er für die Sozialdemokratin
Ségolène Royal aufrufen, wenn sie in die Stichwahl kommt.
Olivier Besancenotnist der dritte globalisierungskritische Kandidat der
Mehrheit der LCR (die Minderheit trat ein für eine einheitliche
globalisierungskritische Kandidatur der Komitees, der KP, LCR u.a.
ein). Obwohl der offizielle Wahlkampf noch nicht begonnen hat, hat er
schon einige Stunden in Rundfunk- und Fernsehsendungen hinter sich. In
den Meetings geht es natürlich um das Programm der LCR, aber auch um
die Strategie einer Dynamik die von den sozialen Kämpfen der letzten
Jahre ausgeht (EU-Verfassungsvertrag, Aufstand in den banlieues,
Widerstand gegen den Erstanstellungsvertrag ….)
Alle linken KandidatInnen treten für einen neuen EU-Verfassungsvertrag
und eine Volksabstimmung ein. Hinsichtlich der Wochenarbeitszeit tritt
sowohl die LCR als auch die KP für die 32-Stundenwoche bei vollem
Lohnausgleich ein. Die LCR setzt sich auch für ein Verbot von
Entlassungen für Betriebe, die Profite machen, ein.
Wegen des morosen inhaltlichen Wahlkampfes haben an die hundert
kritische WissenschaftlerInen, VertreterInnen aus linken Gewerkschaften
und anderen Gruppierungen sich geeinigt, 80 Forderungen, die unbedingt
diskutiert werden sollten, in die öffentliche Debatte einzubringen.
21-02-2007, 08:20:00 |Johann Schögler