Präsidentschaftswahl in Frankreich: Die Rechte gewann den Bewegungskrieg
Viele FranzösInnen sehen im Wahlsieg von Sarkozy den Triumph einer "hemmungslosen Rechten", die es wagt, ihre reaktionären Werte zur Schau zu tragen und sogar deutliche Zeichen gegeben hat, sich dem Modell von Bush anzuschließen. Diese Rechte hat es geschafft, eine Synthese zwischen dem klassischen Liberalismus und einem großen Teil des autoritären Projekts der Front National zu schaffen (nationale Identität, Sicherheit, rassistische Reflexe, brutale Ordnungspolitik gegen Immigranten und Jugendliche). Sie erklärt offen, dass sie das Kapitel, das Mai 1968 eröffnet hat, schließen will.
03.06.2007
Mit 53% der Stimmen im zweiten Wahlgang hat Nicolas Sarkozy die Präsidentschaftswahl, auf die er sich seit langer Zeit vorbereitet hat, mit Abstand gewonnen und der Linken und der arbeitenden Bevölkerung eine schwere Niederlage zugefügt. Noch nie hat eine Wahlkampagne so lange gedauert. Sie begann schon 2002, als die Linke im ersten Wahlgang geschlagen wurde und es zu einem Duell zwischen Chirac und Le Pen kam — dieses Ereignis hat das Bewusstsein der Menschen tief geprägt.
Viele FranzösInnen sehen im Wahlsieg von Sarkozy den Triumph einer "hemmungslosen Rechten", die es wagt, ihre reaktionären Werte zur Schau zu tragen und sogar deutliche Zeichen gegeben hat, sich dem Modell von Bush anzuschließen. Diese Rechte hat es geschafft, eine Synthese zwischen dem klassischen Liberalismus und einem großen Teil des autoritären Projekts der Front National zu schaffen (nationale Identität, Sicherheit, rassistische Reflexe, brutale Ordnungspolitik gegen Immigranten und Jugendliche). Sie erklärt offen, dass sie das Kapitel, das Mai 1968 eröffnet hat, schließen will.
So versucht er, die Errungenschaften, von denen die politische Linke seit vierzig Jahren getragen wird, zunichte zu machen. Gleichzeitig zögert der neue Präsident nicht, sich Symbole aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zu eigen zu machen: In seinen Wahlveranstaltungen hat an Jean Jaurès erinnert (eine der Gründer der Sozialistischen Partei zu Beginn des 20.Jahrhunderts), oder an Léon Blum, dessen Volksfrontregierung 1936 unter dem Druck des Generalstreiks den bezahlten Urlaub und die 40-Stunden-Woche einführte. Es ist der gleiche Sarkozy, der mit Hilfe der Unternehmer der 35-Stunden-Woche den Krieg erklärt hat, die 1999—2000 eingeführt wurde.
Indem er Themen wie den "Wert der Arbeit" aufgreift und demagogisch Franzosen, "die früh aufstehen" oder die Opfer von "Standortverlagerungen" geworden sind, unterstützt, hat Sarkozy traditionell linke Werte an sich gerissen, um zu zeigen, dass diese Linke keine Überzeugung, kein Projekt, keine Vergangenheit und folglich auch keine Zukunft mehr hat. Mit dieser liberal-populistischen Mischung will er der Rechten eine neue Massenbasis schaffen, die ihr seit dem Ende des Gaullismus fehlt.
Die Linke enttäuscht
Die Linke hat eine Wahl verloren, die manchen Analysten "unverlierbar" schien. Seit 1995 ist die politische und soziale Entwicklung in Frankreich von Kämpfen gegen den geprägt: die Streiks im öffentlichen Dienst 1995, der Streik gegen die Rentenreform 2003; in der öffentlichen Meinung (Meinungsumfragen) und auch bei Wahlen erfährt die Linke starke Unterstützung durch die sozialen Bewegungen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 hat sie es nicht in den zweiten Wahlgang geschafft, weil ihre Bilanz die Wähler stark enttäuscht und demobilisiert hatte, deshalb enthielten sie sich im ersten Wahlgang der Stimme. Das erlaubte es der Front National, mit einigen hunderttausend Stimmen Vorsprung in die zweite Runde zu kommen. Aber Chiracs Wählerbasis war 2002 sehr begrenzt, das zeigte sich in der Folgezeit.
2003 wurden die sozialen Kämpfe wieder aufgenommen, es gab massive Streiks gegen die Rentenreform. 2004 musste die Rechte eine empfindliche Niederlage bei den Regional- und Europawahlen hinnehmen: 21 von 22 Regionen gingen an die Linke. Und 2005 fing sich die liberale Rechte (wie auch der Parteiapparat der PS) eine Ohrfeige ein, als eine große Mehrheit beim Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag mit "Nein" stimmte. Die Wähler der Linken und ein großer Teil der Bevölkerung und der Jugend wollten diese Politik und diese antisoziale Regierung nicht mehr. Die Jugendlichen mobilisierten 2006 massiv und mit starker Unterstützung durch die Lohnabhängigen gegen den Ersteinstellungsvertrag CPE.
Bewegungskrieg
Warum also hat die Linke trotzdem verloren? Meine Hypothese ist, dass diese Wahl weniger die simple Spiegelung einer Situation, als vielmehr das Ergebnis eines groß angelegten politischen Kampfes war. Sie war ein Bewegungskrieg (Sarkozy hat sich in der Tat auf Gramsci berufen), in dem die Fähigkeit zur Initiative und zur politischen Aktion von herausragender Bedeutung war.
Die Wähler wurden mobilisiert, um eine "politische Lösung" der Krise zu finden. Die Linke war auf dem Rückzug, gleichezeitig lehnte die Bevölkerung den Liberalismus ab. Die überaus große Wahlbeteiligung ging in eine Richtung, die allem, was in den letzten zwanzig Jahren geschehen war — als die Wahlbeteiligung sehr niedrig war — zuwider lief. Bei den Wahlen 2004 war die Wahlenthaltung nicht mehr gestiegen, die Rückkehr der Wähler zu den Urnen 2007 war spektakulär. Über 8 Millionen zusätzliche Wählerinnen und Wähler gaben ihre Stimme ab. Die Wahlkampagne hat die Menschen genauso erregt wie die Abstimmung über den Entwurf zur europäischen Verfassung. Überall wurde über Politik diskutiert: am Arbeitsplatz, in den Kantinen, auf der Straße. Die Wahlveranstaltungen waren überfüllt — von der Rechten bis zur extremen Linken. Die von Olivier Besancenot hatten oftmals zwei- bis dreimal so viele Besucher wie 2002.
Sarkozy hat sehr früh die bürgerliche Rechte hinter sich vereint und dann — und das war noch nie seit dem Aufstieg der Front National — einen wichtigen Teil der extremen Rechten für sich gewonnen, indem er sich als Mann der Ordnung darstellte. Im ersten Wahlgang hat Sarkozy mehr als eine Million frühere Le-Pen- Wähler für sich gewonnen. In der zweiten Runde haben dann 63% der Le-Pen-Anhänger für Sarkozy gestimmt — trotz Le Pens Aufruf zur Wahlenthaltung. Sarkozy konnte die älteren Wähler für sich gewinnen, das Kleinbürgertum und die Landbevölkerung, aber auch einen wichtigen Teil der Beschäftigten im Privatsektor, die keine Organisationstradition haben und von der kapitalistischen Globalisierung verunsichert sind.
Ségolène Royal schien eine Kandidatin für die mögliche Erneuerung des völlig verbrauchten politischen Personals der Führung der Sozialistischen Partei (PS) zu sein. Aber sie entschied sich dafür, sich sehr weit rechts von den linken Themen zu platzieren, und die "Werte" der Ordnung, des Blairismus usw. aufzugreifen. Gleichzeitig warf sie Themen auf wie die "partizipative Demokratie". Deshalb gelang es ihr im ersten Wahlgang, auch potenzielle Wähler der antiliberalen Linken für sich zu gewinnen, die Royal in die zweite Runde bringen wollten, um eine Wiederholung des Alptraums von 2002 zu vermeiden. 40% der Wähler, die 2002 Olivier Besancenot gewählt haben, haben diesmal für Royal gestimmt, während Besancenot neue Wähler unter den Jugendlichen und den traditionelleren Wählern der extremen Linken gewinnen konnte.
Ein Teil der Wähler, die gegen Sarkozy waren, aber die Linke nicht attraktiv genug fanden, stimmte im ersten Wahlgang für François Bayrou. Indem Bayrou versuchte, sich als Mann "gegen das System" zu positionieren, hoffte er in die zweite Runde zu kommen; er erweckte den Eindruck, er habe größere Chancen Sarkozy zu schlagen als Royal.
Das ist nicht gelungen. Trotzdem hat Bayrou die Debatte zwischen den beiden Wahlgängen polarisiert. Royal hat sich da ostentativ für eine Allianz der Mitte ausgesprochen, was die Linke noch mehr verstört hat und eine Krise in der PS zur Folge haben wird.
Linke Neugründung
Die Wahl von Sarkozy wäre in den 70er Jahren und auch noch in den 80er und 90er Jahren undenkbar gewesen. Es bedurfte einer Reihe von sozialen und ideologischen Rückschlägen, um eine solche Entwicklung zu ermöglichen. Doch sie war nicht unvermeidlich.
Niederlagen gab es viele: die Krise des Jahres 1974, die Massenarbeitslosigkeit, den Verrat der verschiedenen linken Regierungen, die diese Linke ihrer Bezugspunkte beraubt, die Gewerkschaften geschwächt und das Klassenbewusstsein verwirrt haben. Öffentliche Dienstleistungen wie France Télécom wurden von ihr privatisiert, die sozialen Sicherungssysteme ausgehöhlt und zum Teil zerstört. Die Bewegung gegen die Rentenreform 2003 endete mit einer Niederlage. Unbestreitbar ist das politische Bewusstsein auf der Linken erodiert und durcheinander geraten, wenn auch das Links-Rechts-Schema bestehen bleibt.
Im Herbst 2005 war die Revolte der Vorstädte der deutlichste und letzte Ausdruck einer sozialen Zersetzungskrise und Zeichen der Perspektivlosigkeit der fortschrittlichen Kräfte in der Arbeiterbewegung: sie waren unfähig zu mobilisieren und standen Forderungen des Innenministers und von Teilen der Bevölkerung nach Sicherheit und Härte gelähmt gegenüber. Sarkozy hat es als Innenminister seit 2002 verstanden, auf dieser Welle zu reiten und die Rechte als politische Kraft neu aufzubauen. Auf sozioökonomischer Ebene präsentiert sie sich als liberal, im Bereich der Sicherheitspolitik autoritär.
Die Linke ist mit widersprüchlichen Forderungen konfrontiert: jener von 70% der Franzosen, die die Mobilisierungen gegen den Ersteinstellungsvertrag CPE befürworten, und jener anderen 70%, die während der Krise vom November 2005 die Ausrufung des Notstands in den Vorstädten befürworten.
Dies zeigt, vor welch einer große Aufgabe die kämpferische, soziale und politische Linken steht. Die existiert zwar, aber sie ist unfähig, trotz der Teilerfolge bei der Mobilisierung der Jugendlichen oder beim Kampf gegen den europäischen Verfassungsvertrag, sich zusammenzuschließen.
Dominique Mezzi, Paris
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