Münchner Sicherheitskonferenz: Die Spannungen steigen
Paul Kleiser
Ungewohnt offen und öffentlich wurde auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz die aggressive Politik der USA kritisiert.
11.05.2007
Seit langem ist die Münchner "Sicherheitskonferenz" das weltweit
wichtigste internationale Treffen von Politikern und Militärs zu Themen
der "internationalen Sicherheit". Darunter sind vor allem Diskussionen
zwischen Europäern und US-Amerikanern über die Strategie der NATO zu
verstehen; außerdem ist München ein Tummelplatz von Lobbyisten der
Rüstungsindustrie, die die neuesten "Sicherheitslücken" mit dem Verkauf
ausgebufftester waffentechnischer Entwicklungen stopfen möchten. Man
könnte München das Davos der Militärpolitik nennen.
Seit ein paar Jahren stehen auch die Krisenregionen des Nahen und
Mittleren Ostens sowie die Themen "Energiesicherheit" und "Kampf gegen
den Terrorismus" auf der Tagesordnung. Der informelle Charakter der
Konferenz ermöglicht dabei eine offenere Diskussion ohne "leere
diplomatische Worthülsen", wie Putin sich ausdrückte.
300 Gäste waren heuer angereist — handverlesen von Tagungsleiter Horst
Teltschik, dem früheren Kohl-Berater und Abwickler der DDR. Javier
Solana sprach für die EU, Jaap de Hoop Scheffer für die NATO. Auf
US-amerikanischer Seite kamen der neue Verteidigungsminister Robert
Gates sowie die beiden Senatoren John McCain (Republikaner) und Joseph
Lieberman (früher Demokrat) zu Wort.
Den größten Rummel gab es jedoch um den russischen Präsidenten Wladimir
Putin. Dieser formulierte eine deutliche Kritik an der Politik der USA
und der NATO und warnte vor einer Politik des Unilateralismus. Kritik
musste Teltschik wegen der Einladung des Sekretärs des Obersten
Nationalen Sicherheitsrats des Iran, Ali Larijani, einstecken; er hielt
einen Vortrag über "Sicherheit im Mittleren Osten". Auf der Konferenz
zeigten sich zunehmende Spannungen zwischen den USA und Russland sowie
die Versuche der Europäer, eine gewisse Eigenständigkeit ihrer Politik
zu behaupten.
Der US-Senator und aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat McCain
geißelte in seiner Rede Russland, "das seine Rohstoffe für politische
Zwecke instrumentalisiert und die Länder in seiner Nachbarschaft
destabilisiert". Man müsse der russischen Führung klar machen, dass sie
nicht auf eine Partnerschaft mit dem Westen bauen kann, "solange ihr
Handeln im In- und Ausland so grundsätzlich den Kernwerten der
euroatlantischen Demokratien widerspricht". Die EU dürfe bei Öl und Gas
nicht von Russland abhängig sein.
Er zitierte den EU-Präsidenten José Manuel Barroso, der eine
"gemeinsame Energiesicherheitspolitik in Europa" gefordert habe. "Es
ist erstaunlich, dass Präsident Barroso daran erinnern musste, dass es
diese einheitliche EU-Politik in Energiefragen noch nicht gibt — ebenso
wenig wie eine Koordination mit den USA und Kanada."
Sodann lobte er die Erfolge in den "jungen Demokratien" Ukraine und
Georgien, die aber durch die andauernden Konflikte in der
Schwarzmeerregion gefährdet würden. Und wer trägt die Schuld daran?
"Russland hat diese Konflikte mit seinem provokanten und zynischen
Verhalten am Leben erhalten."
Putins Worte
Man muss diese Rede und ähnliche Wendungen von Robert Gates im
Hinterkopf haben, will man die Putin‘sche Kritik an einer von den USA
angestrebten "monopolaren Welt" richtig beurteilen. Putin zitierte
US-Präsident Roosevelt: jede Bedrohung des Friedens habe globale
Auswirkungen. Der Kalte Krieg habe manchen "Blindgänger" hinterlassen,
vor allem "Schablonen des Blockdenkens". Und das Ende der
Blockkonfrontation habe nicht zu weniger, sondern zu mehr kriegerischen
Konflikten geführt. In den internationalen Beziehungen sei ein
zunehmender Einsatz militärischer Gewalt zu beobachten, ohne dass
dadurch einer der Konflikte gelöst würde. Die einzige Grundlage für den
Einsatz von Gewalt könne die Charta der UNO sein, sie dürfe nicht durch
einseitige Entscheidungen der NATO oder der EU ersetzt werden.
Putin kritisierte auch die Ostausdehnung der NATO und insbesondere eine
mögliche Mitgliedschaft von Georgien und der Ukraine als eine das
gegenseitige Vertrauen schmälernde "ernsthafte Provokation". Besonders
wandte er sich gegen die Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen in
Polen und Tschechien im Rahmen des Aufbaus eines Raketenabwehrsystems,
das zu einem neuen Rüstungswettlauf führen könne.
Putins Rede enthüllte einerseits das gewachsene wirtschaftliche Gewicht
Russlands als wichtiger Energielieferant Europas, andererseits aber die
zunehmende Besorgnis Russlands über die unverhohlene
Einkreisungspolitik der NATO.
"Die Tragik der Demokratie..."
Obwohl eigentlich eine private Konferenz, sorgen jedes Jahr fast 4.000
Polizisten plus 310 Soldaten für die Sicherheit der Veranstaltung im
Hotel Bayerischer Hof. Das deutsche Verteidigungsministerium gibt
323.000 Euro dazu, die Sachleistungen kosten die deutschen
SteuerzahlerInnen nochmals über eine halbe Million Euro.
Als Organisationen der Friedensbewegung im Vorfeld des Irakkriegs 2002
erstmals zu einer Großdemonstration aufriefen, erließ man wegen
angeblich zu erwartender Gewalttätigkeiten (der Irakkrieg ist ja ein
Friedensmarsch!) ein Verbot, das von den Gerichten jedoch nicht
akzeptiert wurde. Wes Geistes Kind der Organisator Teltschik ist,
zeigte sich in seinem Kommentar, es sei "die Tragik jeder Demokratie,
dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf ... In
Diktaturen würde so etwas nicht passieren."
Offensichtlich fühlten sich die Herren von den etwa 7000
Demonstrierenden (fast doppelt so viele wie im letzten Jahr) aus der
Friedensbewegung, den Gewerkschaften und der Linken gestört. Obwohl die
Demonstration friedlich verlief, kam es verschiedentlich zu Übergriffen
der Polizei, die Seitentransparente wegriss oder Teilnehmende wegen
angeblicher Flaschenwürfe oder Beleidigungen verhaftete. Offenbar
brauchte man dringend eine Rechtfertigung für die massive
Polizeipräsenz.
(Quelle: Sozialistische Zeitung, März 2007)
05-03-2007, 15:58:00 |Paul Kleiser