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Mit den Konzernen geht der Atomausstieg nicht

Angela Klein

Es ist ruhiger geworden in der öffentlichen Debatte um den Atomausstieg. In den Tagen nach der AKW-Katastrophe von Fukushima schien auch unter den Herrschenden in einigen Industriestaaten ein Umdenken stattzufinden. Mittlerweile klagt der Atomkonzern RWE - bei dem Wolfgang Schüssel im Aufsichtsrat sitzt - gegen das Moratorium in Deutschland. Angela Klein kommentiert die Diskussion in Deutschland und kommt zu dem Schluss: Es geht nicht ohne Zerschlagung der Energiekonzerne und Überführung in öffentliches Eigentum.

29.04.2011

Wenn Kanzlerin Merkel (CDU) davon spricht, der Ausstieg aus der Atomenergie müsse und werde im gesellschaftlichen Konsens erfolgen, dann meint sie, dem Ausstieg müssten auch diejenigen zustimmen können, denen perspektivisch eine sehr lukrative Profitquelle genommen wird. So wird das aber nichts, da hat Guido Westerwelle (FDP) Recht: Wenn man den Teich stilllegen will, darf man die Frösche nicht fragen.
Die Energiekonzerne haben bereits zum Gegenschlag ausgeholt. RWE hat gegen das Moratorium Klage eingereicht (stellvertretend für die großen Vier), Begründung: Der Konzern habe zu allererst «die Interessen der Aktionäre (zu) schützen» – nicht etwa die Gesundheit der Bevölkerung. Hans-Peter Villis, Vorstandvorsitzender des Energiekonzerns "Energie Baden-Württemberg AG", zog Mitte April nach: «Ich bin als Chef von EnBW verpflichtet, das Vermögen der Gesellschaft zu schützen» (Süddeutsche Zeitung, 16./17.4.). Der baden-württembergische Energieversorger erzeugt zu 51% Atomstrom.

Rein rechtlich hat die deutsche Bundesregierung wohl schlechte Karten, sie wird nicht nachweisen können, dass zwischen Herbst 2010, als das Gesetz über die Laufzeitverlängerungen beschlossen wurde, und März 2011, als das Moratorium verhängt wurde, die Sicherheitslage für die sieben nun abgeschalteten AKWs sich gravierend verändert habe. Das hat sie sich jedoch selbst zuzuschreiben. Denn sie hat stets auf dem Boden der Sicherheitsphilosophie der Konzerne argumentiert und keinen atomkritischen Standpunkt eingenommen.

Das Moratorium begründete Frau Merkel so: «Nach Fukushima können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Die gesamte Regierung hält sich eisern an diese Sprachregelung. Sie ist in jeder Richtung interpretationsoffen. Daraus kann man lesen: Wir müssen die Sicherheitsstandards verschärfen, also nachrüsten (z.B. AKWs vor Flugzeugabstürzen sicher machen). Das wäre die Brücke zu ihrem Weiterbetrieb. Man kann daraus aber auch lesen: Unsere AKWs sind zwar sicher, aber politisch nicht durchsetzbar. Dann würde der sog. rot-grüne Atomkonsens, der den letzten Meiler erst 2022 vom Netz nimmt, zur Brücke zu einem Ausstieg, der die hochzentralistische Struktur der Energieversorgung beibehält, die abgeschalteten AKWs durch Großkraftwerke auf Kohlebasis ersetzt, das Kohlendioxid im Erdreich verbuddelt und darauf wartet, dass Megaprojekte wie Desertec und riesige Offshore-Windparks in der Nordsee realisiert sind.

Es sieht sehr danach aus, dass das die Lösung ist, die die Bundesregierung anpeilt – ungeachtet der Ergebnisse, die der auf EU-Ebene vereinbarte «Sicherheitscheck» Ende Mai bringen wird. Diese Lösung ist die unwirksamste und teuerste: Teuer sind alle neue Großkraftwerke, denn sie implizieren eine zentralistische Struktur der Verteilung der Energie und erfordern riesige Netze – unabhängig davon, ob sie mit fossilen Brennstoffen betrieben werden oder mit erneuerbaren Energien. Stromleitungen aus Marokko nach Deutschland zu verlegen, oder von der Nordsee in den Schwarzwald kostet Milliarden, ganz abgesehen von den hohen Energieverlusten auf den langen Transportwegen. Am Windrad im eigenen Garten und den Sonnenkollektoren auf dem eigenen Dach aber verdienen die Energiekonzerne nichts, die kommen nur dem Verbraucher zugute.

Am 13. April hat die deutsche Bundesregierung ein Gesetz zur Errichtung von acht Modellprojekten zur Erprobung der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (CCS-Technologie) verabschiedet. Das Gesetz geht davon aus, dass «Kohlekraftwerke sowohl bei uns als auch weltweit noch auf längere Sicht eine Grundlage der Stromerzeugung bilden» (Pressemitteilung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) – soviel zur Ernsthaftigkeit ihrer Klimaziele.

Aus der derzeitigen offiziellen Debatte um Alternativen zur Atomkraft wird der dezentrale Ansatz, wozu auch die Einbindung der zahlreichen, bereits bestehenden Blockheizkraftwerke gehört, geflissentlich ausgeblendet. Es reicht nicht, nur die stoffliche Seite der Energiefrage zu diskutieren: ob der Strom aus der Kernspaltung, der Kohleverbrennung oder der Sonne kommt. Es muss die Struktur der Energieversorgung geändert werden, und das hat mit Eigentumsfragen und mit der Frage nach Ziel und Zweck der gesellschaftlichen Produktion zu tun. Ein schneller Übergang (der zudem auch noch der preiswerteste wäre) zu einer Stromerzeugung allein aus regenerativen Energien ist mit einer hochzentralisierten, monopolistischen Kapitalstruktur, die Energieproduktion als Profitquelle, nicht als Dienstleistung für die Volkswirtschaft versteht, nicht zu machen.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Für die Konzerne ist in erster Linie der Erhalt dieser zentralistischen Struktur wichtig, in zweiter Linie erst die Frage, womit sie ihre Großanlagen befeuern. Diese Struktur hat aber Auswirkungen auf die Brennstoffe, für die wir uns entscheiden. Solange die Megaprojekte in der Sahara und in der Nordsee nicht stehen, werden die Konzerne erbittert für das Festhalten an der Atomenergie und an der Kohle kämpfen. Sie werden versuchen, die Brücke so lang zu machen, dass sie nirgendwo endet. Das gefährdet jede Perspektive auf einen klimatisch und sicherheitstechnisch wirksamen Umstieg der Energieversorgung.

Die Energiekonzerne müssen deshalb zerschlagen und ihre Einzelteile in öffentliches Eigentum überführt werden.

Quelle: SOZ