Mexiko: Militäreinsatz gegen Protestbewegung?
Im Bundesstaat Oaxaca droht eine weitere Eskalation der Gewalt. Brennende Autoreifen, Barrikaden, Zeltlager und ausgebrannte Autos prägen das Straßenbild der gleichnamigen Landeshauptstadt, seit streikende LehrerInnen und Mitglieder linker Basisorganisationen den Touristenort besetzt haben.
25.04.2007
Nun bereiten sich Sicherheitskräfte auf einen Einsatz gegen die
Aktivisten vor. In den letzten Wochen wurden etwa 5.000 Beamte der
Bundespolizei zusammengezogen, um den Protestaktionen ein Ende zu
setzen. Bereits seit längerem stehen militärische Truppen in
Bereitschaft, Armee-Hubschrauber überfliegen die Stadt. Mexikos
Präsident Vicente Fox erklärte dennoch, der Konflikt müsse friedlich
gelöst werden.
In den letzten Tagen hatte es immer wieder Versuche gegeben, die
Situation durch Gespräche zwischen der Bundesregierung und Vertretern
der Bewegung zu deeskalieren. Die Regierung hatte ein Paket zur
Diskussion gestellt, in dem höhere Löhne für die LehrerInnen,
Änderungen im Schulsystem und sogar eine Verfassungsreform vorgesehen
waren. Die AktivistInnen fordern jedoch die Absetzung des Gouverneurs
Ulises Ruiz. Sie sind deshalb zurückhaltend und lehnten die
Gesprächsangebote zunächst ab. Zudem wollten sie nicht auf die
Forderung der Regierung Fox eingehen, die Kontrolle der
Landeshauptstadt Oaxaca den Kräften der Bundespolizei zu übergeben.
Erst am Montag (9. Oktober) trafen sie sich wieder mit Vertretern der
Regierung, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Am gleichen Tag
erreichten mehrere tausend Demonstranten Mexiko-Stadt. Sie hatten sich
vor zwei Wochen aus Oaxaca auf den Weg gemacht, um ihrer Forderung nach
Absetzung des Gouverneurs Ruiz Nachdruck zu verleihen.
Schon seit dem 22. Mai befinden sich in dem südöstlichen Bundesstaat
etwa 70.000 LehrerInnen im Streik. Doch was als Arbeitskampf um höhere
Löhne und bessere Lehrbedingungen begann, ist mittlerweile zu einem
Volksaufstand geworden. Nach dem Polizeieinheiten des Bundesstaates am
14. Juni gewaltsam gegen die Streikenden vorgegangen waren, haben sich
zunehmend andere gesellschaftliche Gruppen den Pädagogen angeschlossen:
indigene Organisationen, linke Parteien, StudentInnen. Organisiert in
der „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (APPO) kontrollieren sie das
Zentrum der Landeshauptstadt. Die AktivistInnen besetzten Radio- und
Fernsehstationen, blockieren Straßen und machen mit Protestcamps auf
ihre Forderungen aufmerksam. Zahlreiche Regierungsgebäude sind durch
Blockaden faktisch geschlossen, in Wandparolen empfiehlt die APPO
Urlaubern, die in die traditionelle Zapotekenstadt kommen: „Touristen,
haut ab!“
Militär in Bereitschaft
Die Stimmung ist angespannt: Mindestens drei APPO-Mitglieder starben
durch gewaltsame Angriffe, ein der APPO nahe stehender Student wurde
entführt, mehrmals fielen Schüsse gegen DemonstrantInnen. Die von 350
Gruppen getragene APPO geht davon aus, dass hinter den Aggressionen von
der Regierung Ruiz gedeckte paramilitärische Gruppen stecken. Ebenso
wertet das Bündnis vier Bombenanschläge auf Banken und eine
VW-Vertretung, die vergangene Woche vermeintlich von einer
Guerillagruppe verübt wurden. „Diese terroristischen Akte sollen die
Intervention der Bundessicherheitskräfte rechtfertigen,“ reagierte die
APPO. Auch Menschenrechtler erheben schwere Vorwürfe gegen Ruiz.
Gefangene seien misshandelt und APPO-Sprecher mit dem Tode bedroht
worden, heißt es in einem Bericht internationaler und mexikanischer
Menschenrechtsorganisationen. Zudem kritisierten die Menschenrechtler
die massive Präsenz des Militärs.
Ruiz forderte die Bundesregierung dazu auf, mit Sicherheitskräften
einzugreifen. „Die Bewegungsfreiheit der Bürger muss gewährleistet
werden“ erklärte der Politiker der Institutionalisierten Revolution
(PRI). Auch der Sprecher des Innenministeriums in Mexiko-Stadt Arturo
Chávez schloss gewaltsame Maßnahmen nicht aus. „Der Einsatz der
Sicherheitskräfte ist das letzte Mittel der Politik,“ sagte er.
Präsident Fox von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) versprach,
dass das Problem erledigt sei, bis er am 1. Dezember sein Amt dem
Nachfolger Felipe Calderón (PAN) übergeben werde. Von dem Ausstand sind
über eine Million Kinder betroffen, zudem verzeichnen
Tourismusunternehmen schwere Einbußen. Oaxaca zählt zu den ärmsten
Bundesstaaten Mexikos, der Fremdenverkehr ist eine der wichtigsten
Einnahmequellen.
Bislang sind sämtliche Versuche gescheitert, über Gespräche zwischen
der Bundesregierung und der APPO zu einer Lösung zu kommen. Die APPO
hat nun am Wochenende vorgeschlagen, künftige Verhandlungen sollten in
Oaxaca und mit Menschen aus Oaxaca stattfinden, so etwa mit dem
berühmten Künstler Francisco Toldeo. An ihrer grundlegenden Position
hielten sie jedoch fest: Die Forderung nach einem Rücktritt von Ruiz
werde man „weder verhandeln noch sie zurücknehmen“. Hinter den
Barrikaden Oaxacas warten die Aufständischen indes mit Angst und
Spannung auf die nächsten Tage. In die auf der Straße gestapelten
Sandsäcke haben sie ein Schild gesteckt: „Wir sind vorbereitet“.
(poonal, 9.10.2006)
11-10-2006, 20:20:00 |