Mexiko: Jagd auf MigrantInnen aus Mittelamerika
Die USA bauen eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze und jagen MigrantInnen aus dem Süden mittels Hochtechnologie und Spitzeldiensten der Bevölkerung in der Grenzregion. Auf Druck der USA verschärft sich aber die Repression gegen Menschen, die aus Mittelamerika in die USA wollen, schon in Mexiko.
11.05.2007
Als Teil des vom Präsidenten Felipe Calderón Hinojosa geförderten
Operativplans „México Seguro“ (Sicheres Mexiko) wird die Südgrenze des
Landes seit dem 19. Januar verstärkt bewacht. Wie das
Menschenrechtszentrum Fray Matías de Córdova beklagt, kommt es seither
bei den nächtlichen Patrouillengängen der Mitarbeiter der staatlichen
Migrationsbehörde Instituto Nacional de Migración (INM), der
polizeilichen Ermittlungseinheit AFI (Agencia Federal de Investigación)
und der Präventivpolizei PFP (Policía Federal Preventiva) zu
systematischen Einschüchterungen sowie massiven verbalen und physischen
Angriffen auf MigrantInnen. „Nach eigenen Aussagen gehen die
Sicherheitskräfte oft soweit, die Frauen gewaltsam zu entkleiden und zu
drangsalieren. Sie bedrohen die MigrantInnen und behandeln sie wie
flüchtige Kriminelle. Dadurch provozieren sie die verschiedensten
Unfälle, die das Leben dieser Menschen, einschließlich der Kinder, die
sich in ihrer Begleitung befinden, gefährden.“
Angesichts dieser Situation fordert das Zentrum Fray Matías de Córdova
in einem Brief an Felipe Calderón, an Innenminister Francisco Ramírez
Acuña, an den Leiter der staatlichen Menschenrechtskommission José Luis
Soberanes, an die Leiterin des INM Cecilia Romero und an den Leiter der
Staatssicherheitsbehörde Genaro García Luna „die sofortige Einstellung
der verbalen und physischen Gewalt, der Belästigung und Bedrohung der
MigrantInnen durch die an der Grenze eingesetzten Polizei- und
Sicherheitskräfte“. Calderón Hinojosa solle „eine sofortige gründliche
Untersuchung der tatsächlichen Aufgaben und der Funktionalität der
Grenzsicherung“ anordnen, die aktuell für die „massive und
systematische Menschenrechtsverletzung der MigrantInnen“ verantwortlich
sei.
Repression in Mexiko...
In der Gemeinde Arriaga in Chiapas wurden in der Nacht zum 10.
Februar bei einem Einsatz von AFI, PFP und INM 115 Personen ohne
Ausweis im Abschnitt „El Paraíso“ verhaftet. Es handelte sich um 43
Guatemalteken, 32 Personen aus Honduras, 27 aus El Salvador, 12 aus
Nicaragua und einer aus Kuba, die sich in einem Zug zehn Kilometer vor
der Station Arriaga befanden.
In dem Güterzug, der Freitag Nacht bei Paraíso in der Gemeinde Arriaga
im Rahmen einer Aktion gegen illegale Einwanderung von den Behörden
festgesetzt wurde, reiste auch die 25jährige Teresa García Tiu,
gemeinsam mit über 500 weiteren Personen. „Wir stiegen ein, und etwa
eine Stunde nach der Abfahrt, bei Chauite, zwischen Chiapas und Oaxaca,
blieb der Zug plötzlich stehen. Auf beiden Seiten der Gleise standen
Polizisten, die uns brüllend aufforderten auszusteigen“, erzählt sie
der Presse vom Krankenbett aus. Zusammen mit vier weiteren Personen,
die bei der Aktion verletzt wurden, befindet sich García Tiu im
Krankenhaus von Arriaga.
Die Menschen hätten begonnen, vom Dach des Zuges zu springen, während
etwa 400 Polizisten von PFP und AFI sowie Mitarbeiter des INM auf sie
eingedroschen und sie in die Polizeiwannen getrieben hätten. „Ich bin
hingefallen, und die anderen Menschen liefen über mich drüber. So
verlor ich das Bewusstsein“, erzählt García Tiu. „Eine Frau aus El
Salvador war im 5. Monat schwanger. Ich konnte sehen, wie sie sie
wegzerrten und auf sie einschlugen, um sie zu verhaften. Es war sehr
brutal, es wurde viel geschrieen.“
Auch die 26jährige Yolanda Amita de León Méndez aus San Marcos in
Guatemala reiste in dem Zug. Als sie aus dem Waggon fiel, wurde ihr
Bein vom Zug überrollt. Ihr wurde ein Fuß amputiert. Andere Verletzte
flohen in das katholische Zentrum „Casa del Migrante“ in Arriaga. Ins
Krankenhaus wollen sie nicht, aus Furcht, verhaftet und abgeschoben zu
werden.
Niemand weiß genau, wie viele Personen bei der Aktion verwundet oder
verstümmelt wurden. „Die Menschen wurden mit Schlägen aus dem Zug
getrieben, zum Teil setzten die Ordnungskräfte Knüppel und
Wurfgeschosse gegen die MigrantInnen ein“, so der Pfarrer Heyman
Vázquez Medina. Einige konnten sich im Gebüsch verstecken, anderen
gelang die Flucht zum Casa del Migrante, die meisten wurden jedoch
festgenommen und ins Gefängnis von Arriaga überstellt. Von dort aus
werden sie in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt.
Wiederholt haben mexikanische und internationale
Menschenrechtsorganisationen darauf hingewiesen, dass
Menschenrechtsverletzungen gegen MigrantInnen aus Mittelamerika nicht
nur von Mara-Jugendbanden, bewaffneten Gruppen und Schleusern ausgehen,
sondern auch von Angehörigen ziviler und militärischer Behörden.
Wie der Pfarrer Herman Vázquez Medina, Leiter des Zentrums „Hogar de la
Misericordia“, das den MigrantInnen Unterkunft, Essen und medizinische
Versorgung bietet, bereits mehrfach erklärt hat, betrachten die
Behörden die MigrantInnen aus mittelamerikanischen Ländern als ihre
Beute. Die internationalen Abkommen, in denen Mexiko menschenrechtliche
Verpflichtungen eingegangen sei, nützten da genauso wenig wie die
Versprechungen hinsichtlich der Rechte der MigrantInnen oder die
zahlreichen Anzeigen, die in den Medien veröffentlicht worden seien.
...Warnungen in Guatemala
Das guatemaltekische Außenministerium wird eine Warnkampagne für die
Bevölkerung von Escuintla in Gang setzen, um über die Gefahren einer
Reise in die USA ohne entsprechende Papiere zu informieren. Die Behörde
griff zu diesem Mittel, nachdem Guatemalteken in letzter Zeit zunehmend
Opfer tragischer Zwischenfälle in Mexiko und den USA wurden. Der letzte
Fall ereignete sich diese Woche in Arriaga im südmexikanischen
Bundesstaat Chiapas. Dort gingen Sicherheitsbeamte gegen eine große
Gruppe von Zentralamerikanern vor. Dutzende von Flüchtlingen wurden
verletzt. Einer Guatemaltekin musste ein Bein amputiert werden, nachdem
sie von einem Zug überrollt wurde, als sie zu flüchten versuchte.
Die guatemaltekische Vizeaußenministerin Marta Altolaguirre erklärte
gegenüber der Presse, dass diese Kampagne auch in San Marcos,
Huehuetenango und Quiché durchgeführt werde. Zusammen mit Escuintla
seien dies die Orte, von denen aus am meisten Menschen migrierten.
Altolaguirre bat die Bevölkerung, sich über die Risiken zu informieren,
die eine Reise ohne Dokumente über Mexiko in die USA mit sich bringe.
Die mexikanischen Beamten kündigten an, die Kontrollen zu verstärken.
Eine neu geschaffene Grenzpolizei solle eingesetzt werden.
Laut Studien internationaler Organisationen und guatemaltekischer
lokaler Regierungen ist Escuintla ein Department, das mit am meisten
Geldüberweisungen von im Ausland lebenden Guatemalteken erhalte. Diese
Zahlungen würden sich minimieren, wenn sich das scharfe Vorgehen gegen
Migranten in dieser Weise fortsetze.
Angesichts der harten Kontrollen an der Grenze zwischen Guatemala und
Mexiko sowie an der zwischen Mexiko und den USA, werden höhere Risiken
für die körperliche Versehrtheit der ohne die nötigen Papiere Reisenden
vorausgesehen. Menschenrechtsaktivisten weisen darauf hin, dass diese
Migranten nach neuen Wegen suchen werden, um an ihrem Zielort
anzukommen, ohne sich um die damit verbundenen großen Gefahren für Leib
und Leben zu scheren. Am vergangenen Donnerstag wurde in Tucson,
Arizona ein Guatemalteke erschossen und eine Guatemaltekin erlitt
Verletzungen. Der Grund: Unbekannte – wahrscheinlich Entführer – hatten
das Fahrzeug, in dem die so genannten „Coyoten“ die beiden
dokumentenlosen Guatemalteken über die Grenze brachten, mit
Waffengewalt attackiert.
(Quelle: poonal, 15.2.2007)
26-02-2007, 10:07:00 |