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Kopenhagen: Gegenkultur - obdachlos

Martin Hammer

Ein Militärhubschrauber setzte am 1. März 2007 eine Antiterroreinheit der Polizei auf dem Dach des Hauses ab. Die Räumung hatte begonnen.

11.05.2007

"In Erinnerung: Jagtvej 69, 1897-2007" - Das stand auf einer Kranzschleife vor dem Ungdomshus (Jugendhaus) im Kopenhagener Jagtvej 69, während Bulldozer und Abrissbirnen das Gebäude zerstören und die bisherigen Nutzerinnen und Nutzer vom gegenüberliegenden Bürgersteig heulend zusehen. Aber der Kampf für ein neues Haus wird mit täglichen Kundgebungen und Happenings fortgesetzt, und im Stadtrat fordert u.A. die rot-grüne Einheitsliste eine politische Lösung.
Das historische Haus am Jagtvej 69 war immer Teil des politischen Kampfs. Es wurde 1897 von Arbeitern errichtet, die einen Platz für Versammlungen brauchten. Jahrzehntelang war es unter dem Namen "Arbeiterpalast" Zentrum für Feste und Kämpfe. 1901 wurde die erste Frauengewerkschaft (KAD) in diesem Haus gegründet und 1910 rief Clara Zetkin hier den Internationalen Frauentag aus. Sowohl Lenin als auch Rosa Luxemburg haben hier gesprochen.
Seit 1982 war das Haus ein autonomes Kulturzentrum gewesen. Unter starkem politischem Druck mit Hausbesetzungen und Demonstrationen gab die Stadtregierung das Haus der Jugend zur Nutzung. Seither war das Haus vollständig selbstverwaltet und bildete als Zentrum der autonomen politischen Kultur einen Kristallisationspunkt der alternativen Musikszene ganz Skandinaviens.

1999 traf der Stadtrat die fatale Entscheidung, das Haus zu verkaufen. Im Jahre 2000 wurde es von einer kleinen christlich-fundamentalistischen Sekte gekauft. Obwohl eine von Gewerkschaftsführern, Rechtsanwälten und früheren Nutzerinnen und Nutzern gegründet Stiftung anbot, das Haus zu kaufen, suchte die Sekte die Konfrontation und behauptete, die Nutzer würden auf der Seite des Satans kämpfen. Nach einer Reihe juristischer Auseinandersetzungen errangen die Christen im August den juristischen Anspruch auf das Haus.

DER KAMPF...

Am frühen Morgen des 1. März 2007 setzte ein Militärhubschrauber eine Antiterroreinheit der Polizei auf dem Dach des Hauses ab. Die Räumung hatte begonnen. In den folgenden Stunden sammelten sich DemonstrantInnen auf den Straßen und Plätzen um das Gebäude. An der Polizeikette kam es zu Auseinandersetzungen. Die Polizisten erklärten die Demonstration für aufgelöst, und in den nächsten zwei Tagen breiteten sich Straßenschlachten mit brennenden Autos, Barrikaden, Pflastersteinen, Tränengas und Pflastersteinen auf verschiedene Teile der Stadt aus. Mehr als 750 Personen wurden verhaftet. Ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss stürmten die Polizisten politische Organisationen, darunter die Rechtsgruppe des Jugendhauses. Die Polizisten griffen private Häuser und linke Wohngemeinschaften an und verhafteten jeden, den sie antrafen. Friedliche Demonstrationen wurden ohne Vorwarnung mit Tränengas und Schlagstöcken attackiert. Wen die Polizisten erwischten, der wanderte den Verteidigern zufolge automatisch mehrere Wochen in den Knast und Kinder unter 15 wurden zusammen mit Erwachsenen eingesperrt. "Das Gericht wurde zur juristischen Irrenanstalt", schrieben sechs Verteidiger in einem Offenen Brief an die Zeitungen.

... GEHT WEITER

Tausende trotzten den Polizisten und zeigten ihre Unterstützung für das Jugendhaus auf verschiedenen Demonstrationen. Aber wir brauchen noch breitere Demonstrationen, um eine noch größere Bewegung aufzubauen, um die PolitikerInnen zu einer anderen Politik zu zwingen. Und wir brauchen mehr besetzte Häuser und einen Kampf, der die Menschen nicht durch Gewalt abschreckt. Das ist der Weg zum Aufbau einer Gesellschaft mit Raum für Differenzen, Flüchtlinge und Jugendhäuser und ohne Polizeigewalt, Rassismus und Krieg.

09-04-2007, 22:11:00 |Martin Hammer (SAP/4. Internationale)