Karikaturenstreit: Offener Brief der Enhedslisten
Offener Brief an den Ministerpräsidenten: Lieber Ministerpräsident, es gibt guten Grund, über den Zorn, den viele Musliminnen und Muslime gegenüber Dänemark zeigen, beunruhigt zu sein, und wir meinen, dass es notwenig ist, einige Initiativen zu ergreifen, die darüber hinausgehen, nur die dänische Politik über diplomatische Kontakte zu erklären.
24.04.2007
Wir sind völlig einig in der Kritik, dass Sie in dieser Sache nicht genug unternommen haben. Sie hätten sich klar zu den Zeichnungen der Jyllands-Posten äußern können. Die Zeitung hat selbstverständlich das Recht, ihre Meinungsfreiheit auszuüben, aber genauso klar haben Sie und andere das Recht, zu den Zeichnungen eine eigene Meinung zu äußern. Und es wäre auch sehr nützlich gewesen, wenn Sie klar Respekt für die muslimische Kultur signalisiert und deren Recht auf die eigene Religion anerkannt hätten – und dass Sie Musliminnen und Muslime als Teil der dänischen Bevölkerung wie alle anderen Teile der Bevölkerung auch respektieren. Und wenn Sie anerkannt hätten, dass Ihnen klar ist, dass es in der dänischen Debatte viele Beispiele der Herabwürdigung von Muslimen gibt.
Die Realität ist, dass sich viele Musliminnen und Muslime in Dänemark und draußen in der Welt gekränkt fühlen, und in dem Zusammenhang sind die Zeichnungen der Jyllands-Posten nicht die einzige Ursache. In Dänemark hat sich ein ganz schlimmes Diskussionsklima entwickelt, angeführt von der Dänischen Volkspartei. Die Politik der Regierung mit ihren ewigen Verschärfungen der Ausländerpolitik unterstreicht, dass viele sich zu Recht getreten fühlen. Aus diesem Grund hat Dänemark im Ausland den Ruf eines Landes, das Fremden gegenüber intolerant und feindlich eingestellt ist. Doch an dieser Situation kann die Regierung etwas ändern. Die Regierung kann ein klares Zeichen geben, dass die Entwicklung der letzten Jahre in Dänemark umgedreht werden soll und dass die Regierung aktiv Tendenzen entgegenwirken will, die in Dänemark Teile der Bevölkerung und bestimmte Religionen dämonisieren.
Wir fordern Sie auf, eine Versöhnungskonferenz einzuberufen, auf der die Ursachen behandelt werden, warum sich viele Musliminnen und Muslime aufgrund ihrer Religion gekränkt und herabgewürdigt fühlen. Wir meinen, dass Sie deutlich machen müssen, dass sie die Ursachen dafür beleuchten wollen, warum es soweit gekommen ist. Und dass sie bereit sind, eine Änderung der Regierungspolitik in Betracht zu ziehen, um zu vermeiden, dass die Widersprüche nur immer weiter wachsen und wachsen.
Wir fordern Sie auf, einen breiten Querschnitt der muslimischen Bevölkerung und Vertreter anderer Minderheiten, auch nicht-religiöse Gruppen, sowie Regierung und Folketing-Parteien einzuladen, um die Situation zu erörtern und zu diskutieren, was getan werden kann.
Eine solche Initiative wäre ein gutes Signal an die muslimische Bevölkerung, die sich gekränkt fühlt. Wir sind überzeugt, dass dies eine höhere Durchschlagskraft habe wird als 100 Gespräche mit Diplomaten aus Ländern, deren Regierungen in vielen Fällen kaum die eigene Bevölkerung repräsentieren. Über einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Krise hinaus kann eine solche Konferenz auch mit dazu beitragen, eine Entwicklung in Dänemark zu verhindern, die irgendwann zum Ausbruch von Krawallen führen kann, wie wir sie in Paris erlebt haben.
Wir sind natürlich bereit, unseren Vorschlag weiter zu vertiefen.
Mit freundlichem Gruß
Für die Folketingsgruppe der Enhedslisten
Frank Aaen, Kopenhagen, 30. Januar 2006
Aus: http:// www.enhedslisten.dk/nyhed.asp?nyhed=9336
Übers.: Björn Mertens
Enhedslisten (Einheitsliste) ist ein Zusammenschluss dreier linkssozialistischer Parteien in Dänemark. Mit 3,4% bei den letzten Wahlen stellt sie sechs Abgeordnete im Folketing (Parlament).
24-02-2006, 20:15:00 |Offener Brief der Enhedslisten