Italiens Rifondazione Comunista: Eine verpasste Chance
Warum die stärkste der linken Parteien in Europa gescheitert ist und ob dies unvermeidlich war...
18.07.2009
Auch die Europawahlen im Juni haben der Partei der kommunistischen Neugründung (Partito della Rifondazione Comunista — PRC) (oder dem, was von ihr übrig geblieben ist) den Einzug in ein Parlament verwehrt.
Bei den Parlamentswahlen im April 2008, zu denen die PRC zusammen mit den Grünen und der PdCI (Partei der italienischen Kommunisten) im Wahlbündnis Sinistra Arcobaleno (Regenbogenlinke) angetreten war, musste die PRC eine deutliche Niederlage einstecken — sie erhielt nur 3,5% der Stimmen; damit wurde erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werde ein Kommunist noch ein Sozialist zum Abgeordneten gewählt.
Auf dem außerordentlichen Parteitag einen Monat später erhielt die Strömung, die sich auf den damaligen Parteisekretär Fausto Bertinotti bezog, mit 47,3% die relative Mehrheit der Delegiertenstimmen, wurde damit aber in die Opposition geschickt, weil die anderen drei Strömungen, angeführt vom jetzigen Sekretär der Partei, Paolo Ferrero, ein Abkommen schlossen. Ferrero war Minister in der Regierung Prodi gewesen.
Am 24./25.Januar 2009 beschloss die Bertinotti-Strömung, die PRC zu verlassen. Dabei nahm sie etwa ein Viertel der über 80000 Mitglieder mit und gründete die „Bewegung für die Linke” (Movimento per la sinistra); zusammen mit den Grünen trat sie bei der Europawahl mit der Liste Sinistra e Libertà (Linke und Freiheit) an. Die Grünen haben sich anlässlich der Spaltung von Rifondazione auf die Seite Bertinottis geschlagen.
Bei den Europawahlen konnten beide Listen, Sinistra e Libertà und Lista anticapitalista (PRC und PdCI), die Sperrklausel von 4% nicht überwinden. Angesichts dieses Desasters bleibt nur die Frage: Wie konnte dies kommen?
Die Umstände
Entstanden war die PRC 1991 durch den Zusammenschluss der Minderheit der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) mit den Resten der Neuen Linken der 70er Jahre um Democrazia Proletaria. Vorangegangen war die Spaltung der PCI auf dem Kongress in Bologna 1991: Die Minderheit der Partei war nicht bereit, den langen Weg mitzugehen, der die Führungsgruppe der PCI schließlich in die Demokratische Partei (PD) führen würde. Diese Transformation einer KP in eine liberale Partei war international ein beispielloser Prozess.
Wo die PRC landen würde, war nicht vorher bestimmt. Ihr ruhmloses Ende ist zugleich das Ergebnis einer Reihe struktureller Mängel, einer objektiven, breiteren Dynamik, wie auch politischer Entscheidungen, die nicht unvermeidlich waren.
Zu den Faktoren, die die Entwicklung der PRC beeinflusst haben, zählt die lange Phase von Niederlagen der Arbeiterbewegung seit dem Ende der 70er Jahre. Das war eine Periode, in der die Arbeiterklasse einen großen Teil ihrer zuvor erkämpften Errungenschaften durch frontale Angriffe, Sparpolitik und eine stillschweigende, aber fortgesetzte Erosion wieder einbüßte, weil die Bourgeoisie immer weniger zu Zugeständnissen bereit war. Als Fausto Bertinotti anlässlich des Bruchs der PRC mit der ersten Regierung Prodi (1998) und auf dem darauffolgenden Parteitag sagte, in der derzeitigen Phase der kapitalistischen Globalisierung gebe es keine Spielräume mehr für Reformismus, hätte er gut daran getan, ein wenig ernster zu nehmen, was er vielleicht instinktiv gewittert hatte. Dass die Spielräume des Reformismus verschwanden, hat der italienische Kapitalismus mit sozialen Konterreformen und Angriffen zu verstehen gegeben, auf die nicht einmal die globalisierungskritische Bewegung bei all ihrer Lebendigkeit eine angemessene Antwort gefunden hat.
Es ist nicht ausgemacht, dass man dem Aufbau einer antikapitalistischen Linken dauerhaft die Stange halten kann, wenn man ständig gegen den Strom schwimmen muss. Gewiss hat diese allgemeine Situation die interne Dynamik der PRC beeinflusst. Und doch reicht sie nicht aus, ihre Regression zu erklären.
Die Gründe
Es lassen sich zumindest drei Elemente ausmachen, die zu dem Ergebnis geführt haben.
Erstens: Vor dem Hintergrund wiederholter Niederlagen und dem Ausbleiben selbst von Teilerfolgen war Rifondazione nie in der Lage — ihre Führungsgruppe schon gar nicht — sich gut innerhalb der Arbeiterklasse zu verankern. Die Intervention der PRC in die sozialen Bewegungen und ihre Verankerung darin lässt sich als Parabel zeichnen, deren Scheitelpunkt die zwei bis drei Jahre Engagement in der globalisierungskritischen Bewegung war. Danach stürzte sie rasant ab — bis zur dramatischen Loslösung der Partei von der Arbeiterklasse, die auch ihr miserables Wahlergebnis zuletzt zur Folge hatte.
Auch in den besseren Jahren, 2001 und vor dem Parteitag 2002 mit seiner Hinwendung zu den Bewegungen, war die Führung von Rifondazione nie in der Lage, eine kohärente Strategie für die eigene gesellschaftliche Verankerung zu entwickeln, die die Partei befähigt hätte, bei Wahrung der notwendigen Autonomie der sozialen Bewegungen auf unsektiererische Weise eine klare politische Linie zu verfolgen. So hat sie ständig geschwankt zwischen dem Druck der Bewegungen — was oft in ihre unkritische Anbetung und die Fetischisierung ihrer „spontanen Weisheit” mündete, die die Entwicklung eines politischen Projekts und einer politischen Führung überflüssig zu machen schien — und dem spiegelbildlichen Gegenstück, nämlich der Tendenz, Politik völlig unabhängig von den Regungen in der Gesellschaft zu betreiben und ihre Ziele dabei losgelöst vom Entwicklungsrhythmus der sozialen Bewegungen zu verfolgen.
Das vielleicht eklatanteste Beispiel für das Fehlen einer kohärenten Strategie der sozialen Verankerung war die Intervention der PRC in den Gewerkschaften: In all den Jahren war die Partei nicht in der Lage, ausgehend von der Herstellung einer Einheit der linken Gewerkschaftsströmungen von unten, den Wiederaufbau einer klassenkämpferischen Gewerkschaft zu betreiben.
Zweitens: In den 18 Jahren ihres Bestehens hat die PRC nie wirklich mit den bürokratischen Traditionen der Togliatti-PCI gebrochen. In erster Linie betrifft dies die interne Demokratie und den Aufbau des Kaders. Die Erneuerungsversuche, vom Parteitag 2002 an die große Glocke gehängt, erwiesen sich als Seifenblase. In der PRC hat sich ein Organisationsmodell durchgesetzt, das das organisationsinterne Tendenzrecht leugnete — die parteiinternen Strömungen waren lange Zeit verboten, man durfte nur ein Dokument auf dem Parteitag vorstellen und sich darum herum organisieren, das war alles. Auf vielen Parteitagen hatte man nicht das Recht, Änderungsanträge zu einem Dokument zu stellen; wer nicht einverstanden war, musste ein komplettes Gegendokument vortragen. Und die Führungsgruppe wurde vorwiegend durch Kooptation erneuert — und das eher auf der Basis von Willfährigkeit und Zuverlässigkeit als auf der Basis realer Fähigkeiten. Dadurch hat die PRC eine Führungsgruppe hervorgebracht, die eine gewisse Neigung zum Opportunismus hatte und an den eigenen Privilegien klebte.
Das Fehlen eines wirklichen Bruchs mit den Traditionen der Togliatti-PCI führt drittens zur Frage des Programms. Die PRC hat die für die PCI charakteristische reformistische Konzeption der gesellschaftlichen Transformation fortgesetzt.
Hauptursache dafür war vielleicht ihr kurzes Gedächtnis, anders gesagt ihre Unfähigkeit, die Geschichte der Arbeiterbewegung aufzuarbeiten, mit allen Strömungen der Arbeiterbewegung eine offene und umfassende Debatte über die Vergangenheit und Zukunft zu führen und eine reale programmatische Grundsatzdebatte anzustoßen, die dazu beigetragen hätte, der Partei eine Identität zu geben. Von Parteitag zu Parteitag hat vor allem die Frage des Verhältnisses zur sozialliberalen „Linken” eine Rolle gespielt; sie hat größere interne Erschütterungen ausgelöst und die tiefsten Wunden gerissen.
Dennoch hat die PRC ihr Verhältnis zum Sozialliberalismus im Kern nie programmatisch geklärt. Ständig pendelte sie zwischen Bewegungslinken und Regierungsbeteiligung. So verlor die PRC nach links und nach rechts Mitglieder, Aktivisten, Energien und auch Glaubwürdigkeit.
Dem wurde in den letzten Jahren noch die Krone aufgesetzt mit einer regelrechten historischen und theoretischen Revision, die alles in einen Topf geworfen hat: die Oktoberrevolution zusammen mit dem Stalinismus, die herausragendsten Beispiele von Arbeitermacht zusammen mit ihrer bürokratische Entartung, die Selbstverteidigung der Revolution zusammen mit der militaristischen Degeneration von Bewegungen.
Der subjektive Faktor
Wenn dies die strukturellen und nie überwundenen Grenzen von Rifondazione waren, war das Ergebnis dann absehbar? Keineswegs. Es war vor allem nicht absehbar, dass der Teil des Führungskerns, der aus der Neuen Linken und insbesondere aus Democrazia Proletaria (DP) stammte, die Wende zur Regierungsbeteiligung mitvollziehen würde, indem sie Paolo Ferrero ins Ministeramt schickte. Die kommunistische Linke aus der Togliatti-Tradition hätte sich reformieren müssen, stattdessen hat sich der aus DP stammende Teil ihr angepasst und dabei nicht nur ihre organisatorischen Formen übernommen, sondern auch das alte Lied von der Partei des Kampfes und der Regierung gesungen.
Wäre die Geschichte anders ausgegangen, wenn dieser Führungskern stattdessen beschlossen hätte, eine starke parteiinterne Linke aufzubauen? Wahrscheinlich ja.
Bei all ihren Beschränkungen hat die globalisierungskritische Bewegung es für einen kurzen Zeitraum ermöglicht, dass sich die Partei positiv verändert und einen Sprung nach vorne macht in Richtung einer starken antagonistischen Linken. Eine neue Generation war aufgetaucht, die sich in Demonstrationen, auf den Sozialforen politisierte und in vielen Formen organisiert war.
Diese Bewegung verlieh der Partei, die immer noch die größte auf der radikalen Linken in Europa war, neuen Schwung; dadurch schien sich eine neue Debatte zu eröffnen. Dass diese Phase so traurig enden würde, stand einmal mehr nicht von vornherein fest. Die politischen Wendungen werden von Menschen mit Vor- und Zunamen getragen, und die Wende von 2003 bleibt mit dem Namen von Fausto Bertinotti und der Führungsgruppe verbunden, die Rifondazione widerstandslos in die Arme der Mitte-Links-Koalition geführt hat.
Nochmal: Selbst vor dem Hintergrund der schwierigen objektiven Bedingungen, der Last der Niederlagen und der strukturellen Beschränkungen von Rifondazione blieb ein Restspielraum, in dem es die subjektiven Entscheidungen waren, die für den Fortgang der Dinge den Ausschlag gaben.
Cinzia Arruzza
(Quelle: SOZ, Übersetzung: Hans-Günter Mull)