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Italien: Rifondazione Comunista ist am Ende

Rifondazione Comunista ist in die neoliberale Politik der Regierung Prodi nahezu vollständig eingebunden. Als Oppositionskraft auf der Linken fällt sie vollständig aus. Franco Turgliatto, Senator für die PRC, der Anfang dieses Jahres aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil er dem Militäreinsatz in Afghanistan und der Erweiterung der Militärbasis in Vicenza nicht zustimmen wollte, spricht im Interview mit Angela Klein über die italienische Linke und die Perspektiven der radikalen Linken.

06.01.2008

Frage: Wie haben sich die Rahmenbedingungen für die antikapitalistische Linke in Italien seit dem Regierungsantritt Prodis verändert?

Franco Turigliatto: Dazu müssen wir zunächst beleuchten, was sich für die abhängig Beschäftigten geändert hat. Und da ist es so, dass die Regierung Prodi die neoliberale Politik ihrer Vorgängerregierung fortsetzt — entlang der Linie, für die Prodi schon zu seiner Zeit als Präsident der EU-Kommission stand. Gegen die Prekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen wird nichts unternommen — das berüchtigte "Gesetz 30", das prekäre Beschäftigung auf niedrigem Niveau regelt, wird leicht verändert fortgeschrieben, einschließlich der Kürzungen der Sozialleistungen; ebenso die Einwanderungsgesetze von Berlusconi. Die Sicherheitsgesetze entsprechen gleichfalls dem europäischem Standard und belohnen Polizeifunktionäre, die an der Schlächterei von Genua beteiligt waren, mit hohen Regierungsposten. Die Regierung Prodi ist ein treuer Verbündeter der USA und setzt gegen großen Widerstand die Erweiterung der Militärbasis in Vicenza durch; sie unterstützt die Militärinterventionen im Irak und in Afghanistan und die Aufrüstung der italienischen Armee.
Mit dem Zusammenschluss des größeren Teils der früheren Linksdemokraten (DS) und der bürgerlichen Margherita zur neuen Demokratischen Partei (PD) ist eine neue bürgerliche Partei entstanden, die die Gesamtinteressen des italienischen Kapitals besser vertritt als Berlusconi vorher. Wo dieser hauptsächlich Klientelpolitik machte, ist die neue Regierung eng mit den Interessen des Finanzkapitals verbunden — einer ihrer größten Erfolge war die Fusion der Banca Intesa mit San Paolo Imi zur zweitgrößten Bank Italiens und siebtgrößten Europas im Herbst letzten Jahres.
Die Politik der neuen Regierung unterscheidet sich von der Berlusconis hauptsächlich formal. Wo letzterer die Konfrontation mit den Gewerkschaften gesucht hat, versucht erstere, die Gewerkschaften unmittelbar in die Gesetzesvorbereitungen einzubinden. Das skandalöseste Beispiel dafür ist das sog. Protokoll über den Sozialstaat: es setzt das Renteneintrittsalter auf 60 Jahre herauf, nicht in einem großen Schritt, aber in vielen kleinen Schritten — verbunden mit einer Absenkung des Rentenniveaus; nur Beschäftigte, die besonders schwere Arbeiten verrichten (Nachtarbeit, Fließbandarbeit etc.), können drei Jahre früher in Rente gehen. Dieses Gesetz ist mit den Vorständen der großen Gewerkschaften ausgemauschelt und in einer "Urabstimmung" der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten "verabschiedet" worden, bevor es durch das Parlament ging. Das ist eine perfide Form der institutionalisierten Klassenkollaboration und Unterstützung einer "befreundeten Regierung".

Wie hat sich denn Rifondazione gewandelt?

Rifondazione Comunista ist in diese Form der Zusammenarbeit vollständig eingebunden, bestenfalls enthält sich die Partei an einigen Punkten. Als Oppositionskraft auf der Linken fällt sie vollständig aus.
Das ist das herausragende Merkmal der aktuellen Situation: die Linke ist keine Opposition mehr, d.h. es gibt keine Kraft mehr mit parlamentarischer Vertretung, die gegen die Politik der Regierung von links mobil machen würde. Die italienische Linke durchläuft einen historischen Wandel, möchte man sagen. So schnell hat sich noch keine Partei sozialdemokratisiert wie die PRC in den letzten drei Jahren. Die Partei ist jetzt ganz auf die Besetzung von Posten in den Gemeindeverwaltungen und im Staatsapparat orientiert — es geht da ums Regieren, nicht allein um Sitze in den Parlamenten. Rifondazione beantwortet die Gründung der Demokratischen Partei mit einer Stärkung ihrer institutionellen Macht durch enge Kooperation mit anderen linksreformistischen Kräften: dazu gehören die Grünen, der kleine linke Flügel der Linksdemokraten, der den Weg in die DP nicht mitgemacht hat, und die PdCI.
Diese Parteien werden am 8.Dezember zusammenkommen, um ein Netzwerk zu bilden — es nennt sich Cosa Rossa (Rote Sache). Sie bilden noch keine gemeinsame Partei, aber inhaltlich haben sie große gemeinsame Schnittmengen. Sie verstehen sich alle zusammen als das linke Bein im Mitte-Links-Bündnis und peilen deshalb eine strategische Zusammenarbeit mit den restlichen Parteien des regierenden Koalitionsbündnisses an.
An der inneren Struktur der Partei hat sich wenig geändert, aber die aktive Parteibasis spielt keine Rolle mehr. Auf die Eigenaktivität der Mitglieder vor Ort greift die Parteiführung nicht mehr zurück. Die Parteigremien entscheiden auch immer weniger; wichtiger werden mehr und mehr die Rats- und Parlamentsfraktionen, die geben jetzt den Ton an.
Die einfachen Mitglieder sind sehr frustriert, einige treten aus, andere ziehen sich resigniert zurück.

So etwas wie einen Bruch einer Schicht von Aktiven in Partei und Gewerkschaften mit ihrer Partei, die ihre Ziele verraten hat, gibt es also nicht?

Die Schichten der abhängig Beschäftigten, die sich noch links verstehen, sind völlig desorientiert, konfus, zersplittert, aber auch zutiefst unzufrieden. Dazu trägt auch die Politik der Gewerkschaften bei. Sie hat das Vertrauen in den Kampf als entscheidendes Mittel, um gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen, gründlich unterminiert. Die Funktionäre, die hier entscheiden, schauen vor allem auf die Konkurrenzfähigkeit einzelner Betriebe — und auf den Fortbestand ihrer eigenen Rolle als Verhandlungspartner. Darüber geht auch der Begriff der Arbeiterklasse selber flöten. Klasseninteressen — die Grundlage für die Herstellung einer Einheit im Kampf gegen die Interessen des großen Kapitals — werden ersetzt durch die Interessen von einzelnen Sektoren der abhängig Beschäftigten.
Man muss aber auch sehen, dass wegen der Selbstaufgabe einer klassenkämpferischen Linken ein bedeutender Teil der Arbeiterklasse heute für die Rechten stimmt und ihrer Ideologie aufsitzt.

Sinistra Critica verstand sich bisher als linker Flügel der PRC. Führt ihr noch einen innerparteilichen Kampf?

Wir sind schon mit einem halben Bein draußen. Einige haben das Mitgliedsbuch schon zurückgegeben, der größte Teil noch nicht, aber das wird jetzt schnell gehen. Rifondazione gibt es nicht mehr — jedenfalls nicht mehr das Projekt, was einmal damit verbunden war, nämlich das einer kommunistische Neugründung. Das Projekt ist gescheitert, aus dem einfachen Grund, weil die Partei die Aufgaben nicht gemeistert hat, für die sie gegründet worden ist.
Wir stehen für eine antikapitalistische Orientierung, die sich auf die gesellschaftlichen Kämpfe gründet. Wir versuchen deshalb, jetzt eine stabile Zusammenarbeit mit all den Kräften aufzubauen, die Widerstand leisten: die Aktiven gegen die Militärbasis in Vicenza oder gegen die Hochgeschwindigkeitstrasse durch die Val di Susa; die Metallarbeiter, die gegen die Rentenkürzungen und die Aushöhlung des Flächentarifs Sturm laufen; die sozialen Zentren, die das Herz der Disobbedienti waren. Für all diese sind wir der einzige Bezugpunkt, der übrig geblieben ist. Es ist noch zu früh, über eine neue Partei zu reden, deshalb beschränken wir uns derzeit auf die Bildung eines Vereins, der vor allem die aktive Zusammenarbeit festigen will. Aber früher oder später brauchen wir natürlich ein neues politisches Projekt...

Danke für das Gespräch.

Quelle: SOZ