Italien: Die Linke formiert sich neu
In Italien ist nach den Auseinandersetzungen um italienische Militärauslandseinsätze (vor allem in Afghanistan) ein umfassender Prozess der Reorganisation sowohl der Linken als auch des bürgerlichen Zentrums im Gang.
03.06.2007
Die Linksdemokraten (DS, hervorgegangen aus dem Mehrheitsflügel der ehemaligen PCI) und die bürgerliche Margherita um Romano Prodi und Franco Rutelli haben beschlossen sich zu vereinigen, um die Demokratische Partei (PD) zu gründen. Den entsprechenden Beschluss fällten die beiden Parteien auf ihren Parteitagen im vergangenen April. Die Entscheidung des linken Flügels der DS, die Fusion nicht mitzumachen, hat zu einer Konvergenz auf der Linken geführt, an der auch die Partei der kommunistischen Neugründung (PRC — Rifondazione Comunista), die Partei der italienischen Kommunisten (PdCI, eine Rechtsabspaltung der PRC), aber auch ein Teil der Grünen und verschiedene andere kleine Formationen beteiligt sind. Die PRC hofft möglichst bald auf eine "neue politische Konstruktion": eine sozialdemokratische Partei links von der neuen Partei der italienischen Bourgeoisie. Diese Neuordnung der politischen Parteien in der Mitte und auf der Linken fügt sich in den Rahmen der bestehenden Regierungskoalition, die jenseits der unterschiedlichen politischen Projekte von allen getragen wird.
Die Kräfte, die dem auf der Linken entgegenstehen, sind wenig zahlreich. Es handelt sich vor allem um Sinistra Critica, die linke Strömung der PRC, die einen eigenständigen Verein gegründet hat. Ihr Senator Franco Turigliatto wurde aus der PRC ausgeschlossen, weil er gegen die Außenpolitik der Regierung Prodi gestimmt hatte. Der Autor des Artikels hat aus Solidarität mit Turigliatto seine Funktionen in der Parteileitung und in der Parlamentsfraktion im Abgeordnetenhaus niedergelegt.
Leider hat die zweite Minderheitsströmung in der PRC, Essere Comunisti, beschlossen, sich der Mehrheit anzuschließen. Ein Teil dieser Minderheit — vielleicht die Hälfte — hat sich diesem Schritt verweigert und bildet eine neue Strömung, l‘Ernesto. Sie wendet sich gegen die Transformation der Partei in eine neue "Rifondazione Socialista".
Trotz der geringen Kräfte, die sich der Rechtsdrift der italienischen Linken widersetzen, ist der Wille stark, nicht zurückzuweichen und die Perspektive einer antikapitalistischen, klassenkämpferischen Linken, die nicht in der Regierungsbeteiligung untergeht, aufrecht zu erhalten.
Sinistra Critica will trotz des Ausschlusses von Turigliatto eine Abspaltung von der PRC nicht provozieren, sondern zum Ausdruck bringen, dass es zwei verschiedene Projekte von Rifondazione (Neugründung) gibt: ein sozialdemokratisches und ein antikapitalistisches. Um diese zweite Perspektive zu konkretisieren, fand am 15. April eine große landesweite Versammlung mit fast tausend Teilnehmenden statt, darunter fast die gesamte soziale Linke, die sich der Regierung Prodi widersetzt: die Disobbedienti um Luca Casarini, die Cobas (Basisgewerkschaften) um Piero Bernocchi, die Linke der CGIL um Giorgio Cremaschi, die Komitees gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke im Val die Susa (No TAV), die Komitees gegen die Militärbasis in Vicenza, die Kollektive der Studierenden, die an der Universität Rom in der Frage des Kriegs in Afghanistan gegen [PRC-Chef] Fausto Bertinotti aufgetreten sind.
Etwa zwanzig sehr unterschiedliche Strukturen haben den Vorschlag von Sinistra Critica aufgegriffen, eine "soziale Oppositionsfront" um vier Punkte herum zu bilden: gegen den Krieg, gegen Einschnitte bei den staatlichen Sozialausgaben, gegen die fundamentalistische Offensive des Vatikan und gegen die Umweltzerstörung (bspw. durch Projekte wie TAV). Um den "Pakt" mit Leben zu zu füllen, bereiten diese sozialen und politischen Kräfte für den 9. Juni anlässlich des Besuchs von George Bush in Italien eine gemeinsame Mobilisierung vor.
Wir sprechen also — noch — nicht von einer neuen Partei, aber es ist klar, dass sich die Frage eines politischen Neuaufbaus stellt.
Zum ersten Mal seit der Auflösung der Italienischen Kommunistischen Partei versucht sich die italienische Mehrheitslinke auf der Linie des sozialen Kompromisses und des "Regierungsrealismus" zusammenzuschließen. Für diejenigen, die in den letzten Jahren dachten, die Regierungsfrage sei sekundär, birgt der neue italienische Fall wichtige Lehren.
Salvatore Cannavò, Rom
(Der Autor ist Parlamentsabgeordneter der PRC und führendes Mitglied der linken Strömung Sinistra Critica. Übersetzung: Hans-Günter Mull, SOZ)