Iran/USA: Betrachtungen über den 4. Golfkrieg
Siggi Berg
Die „US- Navy schickt Flugzeugträger in den Golf“ meldete n-tv am 19. Dezember. Die US- Navy verstehe diese Entsendung „als Warnung an den Iran“. Da sich bereits jetzt ein US- Flugzeugträger im Golf befindet, würde sich das US- Kriegspotential massiv erhöhen.
11.05.2007
„Diese doppelte Art des Krieges ist nämlich diejenige, wo der Zweck das
Niederwerfen des Gegners ist, sei es, daß man ihn politisch vernichten
oder bloß wehrlos machen und also zu jedem beliebigen Frieden zwingen
will, und die jenige, wo man bloß an den Grenzen seines Reiches einige
Eroberungen machen will, sei es, um sie zu behalten, oder um sie als
nützliches Tauschmittel beim Frieden geltend zu machen. Die Übergänge
von einer Art in die andere müssen freilich bestehenbleiben, aber die
ganz verschiedene Natur beider Bestrebungen muß überall durchgreifen
und das Unverträgliche voneinander sondern.
Außer diesem faktisch bestehenden Unterschied in den Kriegen muß noch
der ebenfalls praktisch notwendige Gesichtspunkt ausdrücklich und genau
festgestellt werden, daß der Krieg nichts ist als die fortgesetzte
Staatspolitik mit anderen Mitteln.“ (Carl von Clausewitz)
Der „Staat“, heißt es in Wirklichkeit bei Clausewitz, ist es, der im
Krieg seine Politik fortsetzt, der aus seiner Friedenspolitik seine
Kriegspolitik macht. Ohne diesen „Staat“ verflacht Clausewitzens
Feststellung über die Politik zu einer inhaltsleeren und
unverständlichen Phrase.
„Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung
unseres Willens zu zwingen“, lautet eine weitere Bestimmung bei
Clausewitz, aus welcher unmittelbar folgt: „Der Krieg ist ein Akt der
Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt
jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem
Begriff nach zum äußersten führen muß (Hervorhebung von mir). Dies ist
die erste Wechselwirkung und das erste Äußerste, worauf wir stoßen.“
Dies bedeutet nicht, daß jeder Krieg sich bis zum Äußersten entwickeln
muß und entwickelt, auf unsere Zeit übertragen, sich in einen Atomkrieg
entfalten muß, aber es bedeutet, daß diese Eventualität immer ein
bestimmender Teil der Kriegshandlungen ist und wie wir oben belehrt
wurden, damit auch der Friedenshandlungen.
Die „US- Navy schickt Flugzeugträger in den Golf“ meldete n-tv am 19.
Dezember, sich auf den Fernsehsender CBS berufend. Anders als in der
Analyse von Michel Chossudowsky – wir kommen auf seine Analyse noch zu
sprechen - verharmlost n-tv diese Entsendung mit der ergänzenden
Bemerkung: Die US- Navy verstehe diese Entsendung „als Warnung an den
Iran“. Da sich bereits jetzt ein US- Flugzeugträger im Golf befindet,
würde sich das US- Kriegspotential massiv erhöhen. Aber, so n-tv
weiter: „Die Aufstockung ziele nicht auf einen Angriff auf den Iran,
sondern solle die Regierung in Teheran von provokativen Handlungen
abhalten.“ Wie soll diese Formulierung „von provokativen Handlungen
abhalten“ zu verstehen sein? Eine militärische Bedrohung, die nicht die
Eventualität eines militärischen Schlages in sich birgt, ist keine
militärische Bedrohung, sondern nur leeres Säbelgerassel. Worin besteht
aber die militärische Drohung eines US- Flugzeugträgers? Der
Öffentlichkeit stets bei diesen atomar aufbereitenden Diplomatenbällen
vorenthalten ist das schnöde Fakt, daß US- Nuklearwaffen den Iran
bedrohen. Die Eventualität eines Atomkriegs ist einkalkuliert, ist
Bestandteil der amerikanischen Drohpolitik – nicht erst seit diesem
Jahr, sondern seit Jahrzehnten! – auch und gerade dann, wenn nicht
erwogen ist, diese Atomwaffen auch aktuell einzusetzen. Wir sind hier
bei dem „Begriff des Äußersten“, wie ihn Clausewitz dargelegt hat. Man
muß bei dieser emotional angeheizten Diskussion über die hochgeredete
Krise zur iranischen Urananreicherung „die Kirche im Dorf lassen“. Es
sind die USA, welche mit Atomwaffen ein anderes Land, den Iran,
bedrohen, um ihn – laut CBS, bzw. n-tv, von „provokativen Handlungen“
abzuhalten. Wir sehen allein aus der Betrachtung dieser Entsendung
eines zusätzlichen Flugzeugträgers in die Golfregion, daß es die
staatspolitische Seite der USA ist, von der die Aggression ausgeht. „Es
ist empörend“, schreibt darüber Daniel Ellsberg in der Frankfurter
Rundschau vom 13. 12. (online- Ausgabe), „dass der amerikanische
Kongreß, die US-Medien und die Öffentlichkeit, zusammen mit der
Öffentlichkeit und Regierungsvertretern amerikanischer Verbündeter wie
Deutschland, diese Drohungen zulassen, ohne dass vehement – oder
überhaupt – bestritten wird, dass ein amerikanischer Präsident oder der
Kongreß, oder auch die Nato oder die EU, überhaupt die Option eines
nuklearen Erstschlags haben – unter den derzeitigen oder überhaupt auch
nur irgendwelchen Umständen. Wenn andere Länder angesichts solcher
unrechtmäßiger Bedrohungen schweigen, machen sie sich schon lang vor
dem Angriff mitschuldig.“ Dabei hatte die UN- Generalversammlung vor 25
Jahren auf dem letzten Höhepunkt des ‚kalten Krieges’ folgende
Deklaration verabschiedet: „Jede Doktrin, die einen atomaren Erstschlag
oder irgendwelche Handlungen erlaubt, die die Welt mit einer
Katastrophe bedrohen, ist? unvereinbar mit menschlichen Moralstandards
und den erhabenen Idealen der UN […] Staaten und Staatsmänner die als
erste Nuklearwaffen einsetzen, begehen das denkbar schwerste Verbrechen
gegen die Menschheit.“ Die große Mehrheit der internationalen
Staatengemeinschaft lehnt nicht nur den Ersteinsatz von Atomwaffen
generell ab, sondern auch die Drohung mit einem solchen Ersteinsatz! Es
sind folgerichtig die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten, welche
eine Bedrohung des Weltfriedens im Geiste der UN- Charta darstellen.
Sicherlich werden sich die Schöpfer und Hauptakteure dieser
Veranstaltung nicht von selbst auf die Anklagebank begeben, aber es ist
bezeichnend für die politische und gesellschaftliche Krise der
Gegenwart, in welchen Gegensatz zu ihren eigenen erklärten Grundsätzen
sie sich begeben haben.
Entgegen den Erwartungen und ursprünglichen Versprechungen
amerikanischer und britischer Regierungskreise, daß man sich aus dem
Irak zurückziehen werde, verstärkt Bush nun, nachdem er sein Debakel
der Kongreßwahlen verdaut hat, die US- Truppenpräsenz im Halbmond. Von
480 000 Soldaten soll die Mannschaftsstärke auf 512 000 erhöht werden.
Kriegsvorbereitungen sind nicht in wenigen Wochen zu bewerkstelligen,
sondern bedürfen langer Vorbereitung und gründlicher Planung. Es ist
ein weit verbreiteter Irrglauben, daß Kriege einfach entstehen – Kriege
werden vorbereitet und geplant. Die letzte Kriegsvorbereitung, die
Planung des dritten Golfkriegs, wurde von amerikanischer Seite
innerhalb eines Jahres bewerkstelligt, obwohl der Irak seit 1991
ständiger militärischer Kontrolle unterworfen war. Global Research
berichtete bereits im Oktober von der Verlegungen mehrerer Zerstörer
und anderer Kriegsschiffe in die Golfregion. Deren Bewaffnung mit
Minensuchbooten und Minenräumern zeugen von einer Kriegsvorbereitung
gegen Iran, der im Falle eines Angriffes droht, die Meerenge von Hormuz
und damit die Ölstraße zu verminen. Daß der Iran ohne massive
Provokation die US- Streitkräfte oder Öltanker angreifen wird, ist mehr
als unwahrscheinlich. Warum sollte sich also die US-Marine mit
Minensuchbooten und Minenräumern ausstatten, wenn sie sich nicht gegen
Vergeltungsschläge des Iran versichern möchte?
Daß die USA Kriegspläne gegen den Iran ausgearbeitet haben ist längst
kein Geheimnis mehr. Unklar aber ist nach wie vor die Haltung der
europäischen Verbündeten im Falle eines Krieges gegen Iran. Wenngleich
der militärische Wert der Europäer für die USA vernachlässigbar ist, so
ist die politische Unterstützung von ungeheurer Wichtigkeit. Am 28.
November 2006 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der 26
Staaten der „vergrößerten“ NATO zusammen mit ihren
Verteidigungsministern in Riga, in unmittelbarer Nachbarschaft zu
Rußland. Nicht nur daß die Wahl des Tagungsortes ein deutliches Signal
gegen Moskau war, auch die Konferenzen fanden hinter verschlossenen
Türen statt. Mit von der Partie waren auch Vertreter des europäischen
militär-industriellen Komplexes, Vertreter einschlägiger Stiftungen und
ausgewählter Medien. Obgleich offiziell über Themen wie Aufnahme
Georgiens und der Ukraine in die Nato, Energieversorgung und die Rolle
der Nato im Mittleren Osten gesprochen wurde, ist anzunehmen, daß hier
auch die Frage eines Irankrieges erörtert worden ist. Die Konferenz
zielte darauf, einen Konsens zwischen US- und europäischer
Mittel-Ost-Politik zu erreichen.
Auch von anderer Seite erfolgen Warnungen. So schreibt Neues Deutschland vom 2. Oktober.
„Die Wochenzeitung ‚The Nation’ berichtete in ihrer Online- Ausgabe
unter der Überschrift ‚War Signals’ unter Berufung auf Militärs, das
Weiße Haus und das Pentagon hätten Marschbefehle für die Entsendung
einer ‚strike group’ aus Kriegsschiffen in den Persischen Golf vor die
Westküste Irans erteilt.“ Und weiter: „Die Öffentlichkeitsabteilung der
Marine bestätigte der ‚Nation’ zufolge den Befehl zum Auslaufen. Zuvor
sollen mehrere auf der ‚Eisenhower’ stationierte Offiziere ihrem Ärger
Luft gemacht und Kriegsgegner über den Plan informiert haben. Die
Regierung wolle Iran angreifen, ohne den Kongreß informiert zu haben,
teilten Informanten der Zeitschrift mit.“
Für die US- Zeitschrift The Nation ist es als deutliches Kriegssignal
zu verstehen, sollte der zweite Flugzeugträger, die Eisenhower, länger
in der Golfregion bleiben, ohne das die US- Enterprise abgezogen werde,
von der bisher die Luftangriffe auf Afghanistan ausgingen.
All diese Hinwese sind zwar verstreut und erlauben noch kein genaues
Bild über das wirkliche Szenario, aber in Verbindung mit der Tatsache,
daß der Irankonflikt des Frühsommers nun aus den großen Spalten der
Tagespresse verschwunden ist, weisen diese Informationen sehr deutlich
in Richtung Krieg. Bush möchte seine Regierungszeit mit einer
Erfolgsmeldung krönen, und die Hardliner in seiner Regierung verfechten
seit eh die Illusion, daß für das Debakel im Irak nicht sie und dieser
imbezile Präsident, sondern die iranische Regierung verantwortlich sei,
weswegen man das iranische Volk mit einem Krieg abstrafen müsse. Seien
wir darum wachsam und auf einen neuen, einen fürchterlichen Krieg
gefaßt.
Im nächsten Teil werden wir uns etwas mit dem diplomatischen Vorgeplänkel dieses Jahres beschäftigen.
Siggi Berg
22-12-2006, 22:28:00 |Siggi Berg