Genug der Hölle für Frauen! Aufruf polnischer Frauen.
Die Zeit ist gekommen, um wieder einmal auf die Situation von Frauen in Polen aufmerksam zu machen. PolitikerInnen wollen die Reste ihrer sowieso schon äußerst begrenzten Rechte nehmen. Die Liga der Polnischen Familien (Liga Polskich Rodzin, LPR) hat den Vorschlag eingebracht, die Verfassung der Volksrepublik Polen zu verändern.
11.05.2007
Dies soll dem Schutz des menschlichen Lebens vom Moment seiner
Entstehung dienen. In der Realität bedeutet es, dass Abtreibung in so
gut wie jedem Fall, selbst in dramatischen Umständen, illegalisiert
werden soll.
Gegenwärtig regelt ein Gesetz aus dem Jahr 1993 die Familienplanung,
den Schutz von Föten und die Bedingungen für die erlaubte Unterbrechung
der Schwangerschaft. 1997 wurde dieses angepasst, was beinhaltet, dass
eine Schwangerschaftsunterbrechung heute nur in drei Fällen möglich
ist: wenn das Leben oder die Gesundheit der Frau gefährdet ist, wenn
genetische Veränderungen oder schwere unheilbare Krankheiten beim Fötus
festgestellt wurden oder wenn die Schwangerschaft die Folge von
Verbrechen (z.B. Vergewaltigung, Inzest) ist. Diese Regelung wirkt sich
in der Realität so aus, dass faktisch keine legalen Abtreibungen mehr
ausgeführt werden. Viele Frauen verloren dadurch bereits ihre
Gesundheit, manche zahlten für die Scheinheiligkeit von Ärzten und
Politikern mit ihrem Leben.
Das Projekt der LPR kann dazu führen, dass wir selbst beginnen, das
derzeitige Gesetz als Kompromiss zu betrachten. Dem können wir nicht
zustimmen. Das Verbot der Abtreibung bedeutet eine Verletzung des
Rechts der Frau auf eine bewusste Mutterschaft, es bricht mit den
Menschenrechten und europäischen Standards. Es ist zusätzlich im
Endeffekt auch wirkungslos. Offiziellen Angaben nach werden jährlich
ca. 150 Abtreibungen durchgeführt (sic!), unabhängige Institute dagegen
gelangen zu dem Resultat, dass die Zahl der illegalen Abtreibungen in
Polen sich auf 80.000 bis 200.000 beläuft. Ein Verbot trifft vor allem
die große Anzahl armer Frauen, die sich einen illegalen Eingriff nicht
leisten können.
Die Verhinderung der Durchführung legaler Abtreibungen und genetischer
pränataler Untersuchungen bei Frauen in Polen hat Schäden an Gesundheit
und Leben zur Folge. Wiederholt sind in dieser Sache Verfahren gegen
Polen vor dem Europäischen Menschenrechtstribunal angestrengt worden.
Die ersten Todesfälle bei Frauen, denen die gesundheitliche Versorgung
und Heilung aufgrund ihrer Schwangerschaft verweigert wurden, werfen
einen Schatten auf die Geschichte der Frauenrechte in Polen.
Gleichzeitig spricht sich die Mehrheit der Einwohnerinnen und Einwohner
Polens für eine Schwangerschaftsunterbrechung nicht nur im Fall einer
gesundheitlichen Gefährdung oder lebensgefährlichen Situation für die
Frau oder den Fötus und bei einer Schwangerschaft als Folge eines
Verbrechens aus, sonder auch aus sozialen Beweggründen. Diese Tatsache
hat aber keinerlei Bedeutung, da Politiker in Polen gemeinsamen mit
einer Reihe von Ärzten die Kontrolle über das Leben und der Gesundheit
von Frauen ausüben wollen und ihnen das Recht absprechen, über sich
selber zu entscheiden.
Heute sind illegale Abtreibungen in Polen eine gängige Praxis. Eine
Abtreibung ist ab 2.000 bis 3.000 Zloty in Privatpraxen möglich, oft
werden sie von Ärzten durchgeführt, die zuvor im Krankenhaus einen
solchen Eingriff abgelehnt hatten. Ebenfalls ist auf dem Schwarzmarkt
die Tablette RU-486 erhältlich. Gesundheit, Würde und Freiheit kosten
in Polen Dreitausend. Nicht viele Frauen können sich das leisten.
Die immer häufigeren Aussetzungen von Babys sind die offensichtliche
Folge eines Gesetzes, dass Frauen zur Geburt zwingt, die sich aufgrund
ihrer persönlichen und / oder wirtschaftlichen Situation nicht für ein
Kind entscheiden können.
Das Problem der äußerst schlechten Situation der Polinnen, die nicht
von dem Recht der legalen Abtreibung Gebrauch machen können, griff auch
das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen auf. Dies fand in den
Beobachtungen und Vorschlägen für Polen vom Oktober 2004 seinen
Niederschlag und im Bericht der Europäischen Union zum Thema der
Menschenrechte in der EU, der 2004 und 2005 von den Network Experts
ausgearbeitet worden ist.
In den jetzigen – bereits ausreichend drastischen – Verhältnissen
werden wir mit einem weiteren Vorschlag zur Verschärfung des
Abtreibungsrechts konfrontiert, mit dem Vorschlag der endgültigen, in
der Verfassung festgeschriebenen Entrechtung der Frauen, im Rahmen von
Wahlkampfspielereien.
Aufruf: Als Frauen, als Menschen, als Bürgerinnen und Bürger können wir uns damit nicht abfinden.
Wir rufen jede und jeden, der oder die Frauenrechte wichtig findet, auf, uns zu helfen und unserer Aktivitäten zu unterstützen, mit denen wir die Verfassungsänderung der Polnischen Republik zum Schutz beginnenden Lebens verhindern wollen.
Wir rufen ebenfalls auf, die Initiativen zu unterstützen, die sich für die Liberalisierung des Rechts auf Abtreibung einsetzen.
Es ist unsere Aufgabe, an die Gesundheit und das Leben von Frauen zu erinnern.
Um unseren Protest auszudrücken haben wir uns entschieden, eine Reihe von Aktionen und einer großen Demonstration unter dem Slogan zu organisieren
Genug der Hölle für Frauen! Wir fordern das Recht auf Abtreibung!
07-12-2006, 20:31:00 |