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Frankreich nach dem 1. Wahlgang: Philippe Poutou (NPA) im Gespräch

Philippe Poutou war der Präsidentschaftskandidat der Neuen Antikapitalistischen Partei - NPA. Beim ersten Wahlgang am 22. April 2012 holte er 1,15% der Stimmen, 2007 hatte die LCR mit Olivier Besancenot noch 4,08% erreicht. Gegenüber der Zeitung "Le Monde" erklärte Poutou, warum er kandidiert hat.

28.04.2012

Philippe Poutou war der Präsidentschaftskandidat der NPA. Beim ersten Wahlgang am 22.April holte er 1,15% der Stimmen, 2007 hatte die LCR mit Olivier Besancenot noch 4,08% geholt. Gegenüber der Zeitung Le Monde erklärte Poutou, warum er kandidiert hat.

Frage: Warum war es der NPA so wichtig, einen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen aufzustellen?

Philippe Poutou: Weil wir eine antikapitalistische Stimme zu Gehör bringen wollen. Weil wir sagen wollen, dass wir die Nase voll haben vom Gerede über Sparen und Notstand, weil ein anderer Weg möglich ist. Wir müssen das Geld dort holen, wo es ist, in der Tasche der Kapitalisten. In 25 Jahren sind 10% des Bruttoinlandsprodukts aus den Taschen der Lohnabhängigen in die der Kapitalisten gewandert. Das sind pro Jahr 200 Mrd. Euro, die wir uns wieder holen müssen. Das geht über die Enteignung der Banken und die Streichung der Schulden.

Arbeit bleibt eine der Hauptsorgen der Französinnen und Franzosen. Was schlagen Sie vor?

Seit 30 Jahren wird hier eine Politik gemacht, die zu mehr Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und Armut führt. Die Entlassungen müssen dringend gestoppt und die Arbeit auf alle verteilt werden, 35 Wochenstunden sind noch zuviel, es muss in Richtung auf die 32-Stunden-Woche gehen. Wir müssen zurück zur Rente mit 60, bei besonders schweren Arbeiten mit 55, nach 37,5 Beitragsjahren. Wir brauchen massive Neueinstellungen im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen, in Schule und Bildung und in einem zu schaffenden öffentlichen Energiesektor, der durch den Ausstieg aus der Atomenergie notwendig wird.

Sie kritisieren die Professionalisierung der Politik. Warum?

Man spricht von Demokratie, von der Vertretung des Volkes, aber wir haben eine politische Kaste, die mit der Bevölkerung nichts zu tun hat. Wir wollen die Einkommen der Abgeordneten begrenzen: Es ist nicht normal, als Abgeordneter 6000–10.000 Euro im Monat zu verdienen. Dass es eine Vertretung gibt, ist normal, aber sie sollte auf ein oder zwei Mandate beschränkt werden. Und es darf auch nicht mehr als ein Mandat zur gleichen Zeit geben, es ist völlig anormal, zwei, drei, vier Mandate auf einmal zu kumulieren, wie die meisten tun.

Sie meinen, das schürt die Enthaltung?

Ja, zumal wir es mit einem regelrechten Wahlzirkus zu tun haben, bei dem die Alltagssorgen der Bevölkerung keine Rolle spielen. In der einfachen Bevölkerung glaubt niemand, dass Wahlen etwas ändern können. Heute wird es ein Votum dafür geben, dass Sarkozy geht, aber es wird kein Votum pro Hollande geben, mit dem verbinden sich keine Hoffnungen.

Was halten Sie von der Kampagne von Mélenchon?

Sie hat Erfolg, das ist positiv, das kann den Anhänger der PCF und der Linkspartei Auftrieb geben. Aber wenn daraus nur ein großer Wahlcoup wird oder wir eine Neuauflage der pluralen Linken (PS/PCF/+) erleben, dann haben wir ein Problem. Dann wird es zwangsläufig Enttäuschungen geben. Mit der Linksfront haben wir gemeinsame Forderungen, aber sie schlägt andere Lösungen vor als wir. Sie will mit der PS zusammenarbeiten. Wir sind nicht damit einverstanden, sie kritisch von links zu unterstützen.

Gelingt der Linksfront nicht gerade das, was die NPA erreichen wollte?

Nein! Eine Zweitausgabe der PS aufzubauen, ein bisschen radikaler als die, die es schon gibt, ist weniger schwierig, als eine antikapitalistische Partei aufzubauen. Hollande ist auf einem sehr rechten Kurs, und links davon gibt es einen Raum, den die Linksfront besetzt hat. Wir diskutieren über ein politisches Instrument, das uns morgen erlaubt, den Kapitalismus zu bekämpfen. Wir diskutieren über die Enteignung der Banken, über eine wirkliche Demokratie, die Infragestellung der Macht des Kapitals über die Wirtschaft. Wir verfolgen nicht dasselbe Ziel, selbst wenn es unter uns dennoch immer möglich sein wird, zu diskutieren und gemeinsam Dinge abzuwehren.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Partei?

Wir müssen durchhalten, weil wir eine antikapitalistische Kraft brauchen. Wir werden sehen, wie wir da wieder rauskommen. Die Leute kommen wieder zu unseren Veranstaltungen, werden Mitglied, nicht viele, aber es passiert etwas, das hatten wir drei Jahre lang nicht.

Wenn die Linke die Wahlen gewinnt, werden wir eine Opposition gegen diese Regierung aufbauen müssen. Im Programm von Hollande gibt es nichts zur prekären Beschäftigung, zur Arbeitslosigkeit. Es ist dramatisch. Diese Opposition kann die NPA nicht allein aufbauen.

Ist das schwer, eine Präsidentschaftskandidatur?

Wir sind keine Politprofis. Ich bin Fabrikarbeiter. Im Rampenlicht stehen, das ist kompliziert. Es gibt Druck, weil man seine Sache gut machen will. Ich träume nicht davon, Präsident zu werden, dieses Amt muss abgeschafft werden. Ich habe mich auch nicht darum gerissen, Kandidat zu werden, aber ich wollte die Ideen der NPA bekannt machen. Morgen bin ich wieder zurück in meinem Leben, bei meinen Kumpeln, da freue ich mich drauf. Die Präsidentschaftswahl, das ist nicht das Leben.

Philippe Poutou arbeitet bei Ford Blanquefort (Bordeaux) und hat vier Jahre lang als Gewerkschafter der CGT einen erfolgreichen Kampf gegen die Schließung des Autowerks geführt.