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Frankreich: Eine Neue Antikapitalistische Partei entsteht

Seit etwa einem Jahr wird in Frankreich auf Initiative der LCR (Ligue Communiste Revolutionnaire, französische Sektion der 4. Internationale) über eine neue, breite antikapitalistische Partei diskutiert. Dahinter stehen die Erfahrungen mit den Wahlkampagnen der LCR mit Olivier Besancenot und mit den sozialen Kämpfen der Jugendlichen in den Vorstädten, der SchülerInnen und StudentInnen, der Kampagne für ein „Nein“ zur EU-Verfassung u.a. Die neue antikapitalistische Partei soll die AktivistInnen aus diesen Bewegungten zusammenfassen und ein neues Instrument schaffen, um die politische Landschaft zu verändern und ein undogmatisches Instrument gegen Neoliberalismus und Kapitalismus bilden.

07.10.2008

Am 28./29. Juni 2008 fand bei Paris die erste nationale Konferenz der Initiativkomitees für eine Neue Antikapitalistische Partei (NAP) statt. Ein voller Erfolg – sowohl was die TeilnehmerInnenzahl betrifft, als auch bezüglich politischen Debatten.
Die Tagesordnung der nationalen Konferenz der Komitees für die NAP bestand aus zwei Teilen. Zunächst fand eine Plenarsitzung mit allgemeiner Diskussion statt, in der es um den aktuellen Stand des Gründungsprozesses ging. Sechzig TeilnehmerInnen kamen zu Wort und berichteten von ihren Erfahrungen und Aktionen oder noch offenen Fragen. Da es das erste Treffen auf nationaler Ebene überhaupt war, wurde diesem Punkt in der Tagesordnung verständlicherweise umfangreiche Zeit und großes Interesse unter den Teilnehmern gewidmet.
Der zweite Teil der Konferenz war in Kommissionssitzungen zu verschiedenen Themen gegliedert: Internationalismus, Feminismus, Ökologie, Betrieb und Gewerkschaft, Stadtteilarbeit, Prekarität, Gesundheitswesen, Namensgebung der NAP, Jugend, Lesben –Schwule – Transgender, gemeinsame Erklärung und organisatorische Aufgaben. Alle Arbeitsgruppen tagten in konstruktiver Atmosphäre und werden schriftliche Berichte vorlegen. Lediglich die beiden letztgenannten Kommissionen referierten ihre Ergebnisse bereits in der anschließenden Plenarsitzung, da ihnen die Aufgabe zukam, eine vorläufige Bilanz dieses Wochenendes zu erstellen und weiterführende Schritte zur Diskussion zu stellen. Zum einen wurde eine gemeinsame Erklärung ausgearbeitet, wobei dieser neue Aufruf zum Aufbau einer NAP (s. Kasten) nicht mehr von der LCR sondern bereits von der Aufbauorganisation ausgeht.
Ende Oktober/Anfang November wird eine weitere Konferenz stattfinden und der Gründungskongress schließlich Ende Januar 2009.
Es sollen keine rigiden Strukturen geschaffen werden, die darauf hinauslaufen, dass der zuletzt Eingetretene die Türe hinter sich schließt, sondern die Aufmerksamkeit soll vielmehr den Hunderten und Tausenden gelten, die noch für den laufenden Parteigründungsprozess gewonnen werden können. Ausdrücklich wurde auch darauf verzichtet, Zwischeninstanzen zu errichten. Die Komitees sollen selbst vor Ort entscheiden, wie sie ihre politische Arbeit am besten ausrichten, ohne dass übergeordnete Strukturen auf regionaler Ebene in einen Prozess intervenieren, der von Ort zu Ort unterschiedlich verläuft.

Der nationale Koordinierungsausschuss
Ein weiterer wichtiger Punkt war der Koordinierungsausschuss, der zunehmend Aufgaben übernehmen soll, die bisher von der Führung der LCR gewahrt worden sind. Damit konnte ein wichtiger Schritt auf dieser nationalen Konferenz erzielt werden, auch wenn der designierte Ausschuss natürlich nur temporär existiert. Obendrein ist er durch eine eher improvisierte Mandatsbildung zustande gekommen, was angesichts der erst seit kurzem bestehenden Komitees nicht verwundern kann.
Mit der Aufgabe, den konstituierenden Prozess bis zur nächsten Konferenz zu koordinieren und voranzutreiben hat der Koordinierungsausschuss alle Hände voll zu tun. Namentlich muss er sich um die Verbreitung und den Austausch von Informationsmaterial kümmern und den Kongress vorbereiten, der auf Grundlage von drei Dokumenten organisiert werden könnte: eines über organisatorische Fragen, ein vorläufiges programmatisches Dokument – das sicher nicht alle Fragen abdecken und in einer Reihe von Fragen noch zu ergänzen sein wird – und ein “konjunkturelles” Dokument, das die Orientierung der NAP in aktuellen Fragen darlegt.
Die Zusammensetzung des Koordinierungsausschusses war Anlass für heftige Diskussionen, aber schließlich einigte man sich auf breiter Basis über die Kandidaturen, die sich vier Gruppen zuordnen lassen. Der zahlenmäßig größte Bestandteil entfällt auf die VertreterInnen der Komitees, die mit zwei Ausnahmen nicht der LCR zuzuordnen sind. Sie werden mit etwa 35 vertreten sein. Die Fraktion “Der Funke” von Lutte Ouvrière und die Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke, die französische Sektion des CWI [Das Komitee für eine Arbeiterinternationale ist in Österreich durch die SLP vertreten. ])entsenden drei BeobachterInnen, wobei ihre Zustimmung zur Gründung der neuen Partei nur vorläufig ist und keinen definitiven Beitritt beinhaltet, sie machen dies vom Ergebnis im Januar abhängig. Die LCR ist durch ihr 21-köpfiges Politisches Büro vertreten, wobei noch die beiden oben erwähnten VertreterInnen der Komitees hinzukommen. Die Jugendausschüsse entsenden sechs VertreterInnen, darunter drei Mitglieder der LCR oder JCR (Jugendorganisation der LCR). Zwischen den Geschlechtern ist eine paritätische Vertretung vorgesehen.



Die NAP in Zahlen
Mittlerweile gibt es landesweit zwischen drei- und vierhundert Initiativkomitees. Das heißt, dass der Prozess noch voll im Gange ist und mindestens noch bis Herbst, eher noch bis zum Kongress selbst, anhalten wird. Das macht es schwer, einen zahlenmäßigen Überblick über die Beteiligung zu geben, zumal viele Komitees gerade erst aus der Taufe gehoben worden sind. Dennoch können wir bereits jetzt festhalten, dass die Erwartungen weit übertroffen worden sind und dass dort, wo bereits ein Konsolidierungsprozess stattgefunden hat, das Zahlenverhältnis zwischen LCR-Mitgliedern und Gesamtmitgliedschaft bei 1:3 liegt, darunter 35% Frauen. Die meisten Komitees sind nach geographischen Kriterien organisiert; daneben gibt es 40 Jugendkomitees und allmählich entstehen Gliederungen nach Arbeitsfeldern, Branchen oder Unternehmen.
Bei der Konferenz selbst waren ungefähr 300 Komitees mit knapp 800 Delegierten vertreten. Hinzu kamen Gäste und BeobachterInnen, sodass die Gesamtteilnehmerzahl bei etwa 1.000 TeilnehmerInnen lag, davon 40% Frauen und mehrheitlich Nichtmitglieder der LCR.