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Frankreich: Ein Jahr "Neue Antikapitalistische Partei" - eine Zwischenbilanz

Vor nunmehr einem Jahr wurde, Anfang Februar 2009 auf einem Kongress im Pariser Vorort Saint-Denis, die „Neue Antikapitalistische Partei“ – auf französisch le Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA) – mit rund 9.000 Mitgliedern gegründet.

15.02.2010

Die Schaffung des NPA, zu der anfänglich rund 9. 000 Mitglieder gehörten, sollte eine wichtige Etappe bei der Entstehung einer neuen Kraft der radikalen Linken darstellen. Diese sollte breiter als die bisher bestehenden marxistischen Organisationen und Strömungen sein, etwa als die seit Jahrzehnten bestehenden marxistisch-revolutionären und trotzkistisch orientierten Gruppen wie die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) oder Lutte Ouvrière, („Arbeiterkampf“ – LO), aber gleichzeitig eine radikale politische Ausrichtung haben. Die angestrebte Verbreitung und Überwindung des bisherigen Kleinparteiencharakters sollte also nicht durch Verwischen des Unterschieds zwischen kapitalismus- und systemkritischer sozialistischer Linker einerseits und wahl- sowie regierungsorientierten, „reformistischen“ Strömungen andererseits vollzogen werden. Zugunsten eines Aufgehens in dieser neuen Sammlung löste sich die seit 1968/69 bestehende LCR, als eine der wichtigsten Organisationen der französischen radikalen Linken, kurz vor dem Gründungskongress der NPA auf.

Ein Jahr danach

Wie steht es heute um dieses Projekt, wie fällt die Bilanz ein Jahr danach aus? Zunächst darf festgestellt werden, dass die neue Organisation sich als solche weitgehend konsolidieren konnte. Zwar sind leichte Mitgliederverluste zu verzeichnen (anlässlich des Gründungskongresses lag die erreichte Mitgliederzahl bei gut 9 .000, derzeit eher nahe bei 8. 000), doch ist die neue Partei damit noch immer annähernd drei mal so mitgliederstark wie die frühere LCR. Gleichzeitig, und darauf deutet der leichte Rückgang an Mitgliedern hin, konnte der NPA bislang noch nicht alle Hoffnungen erfüllen, die von SympathisantInnen, Aktiven oder AnhängerInnen an sie gerichtet wurden.

Ausbleiben sozialer Bewegungen

Ursächlich dafür dürfte in allererster Linie das Ausbleiben starker sozialer Bewegungen in der zurückliegenden Periode sein. Seit den letzten größeren Gewerkschafts- und Sozialprotestdemonstrationen vom 29. Januar und 19. März 2009 haben in Frankreich bislang keine bedeutenderen Mobilisierungen sozialer Widerstände stattgefunden. Ein zentraler Faktor dafür liegt in der Politik der stärksten Gewerkschaftsapparate: Hauptsächlich aus bürokratischem Eigeninteressen heraus bremsen diese seit langen Monaten jeden sozialen Protest weitaus eher, als dass sie ihn befördern. Seit dem Winter 2007/08 hat die regierende Rechte in Frankreich die juristischen Grundlagen der ‚représentativité’ (Tariffähigkeiten) reformiert. Kleinere, eher rechte oder „gelbe“ Gewerkschaften – die bislang als Tarifpartner künstlich aufrecht erhalten wurden – werden tendenziell geopfert, die mitgliederstärksten Dachverbände CGT und CFDT aufgewertet. Im Gegenzug verzichtet aber auch die CGT, nachdem sie früher oft einen wichtigen Motor bei sozialen Mobilisierungen bildete, derzeit weitgehend auf ihre Rolle als soziale „Gegenmacht“.

Die neue Partei, die zu einer Zuspitzung sozialer Kämpfe beitragen wollte, entstand somit in eine Periode hinein, die objektiv von einem Rückgang gesellschaftlicher, gewerkschaftlicher Konflikte geprägt war.

Erholung der KPF

Gleichzeitig konnte sich die französische KP von ihrer seit Jahren schwelenden, schweren historischen Krise vorübergehend etwas erholen, insbesondere dank des Zugewinns einer neuen Bündnispartnerin: der französischen Linkspartei (Parti de gauche) unter Jean-Luc Mélenchon, einer Linksabspaltung von der Sozialdemokratie des Landes. Zwar verfügt die KP nach wie vor über keinerlei schlüssiges strategisches Konzept, um für von ihr angestrebte soziale Verbesserungen offensiv kämpfen zu können. Denn nach wie vor ist die Orientierung auf Regierungsbeteiligung – auf lokaler wie nationaler Ebene – bei ihr ein festes Dogma, obwohl ihre letzten Koalitionsteilnahmen auf zentralstaatlicher Ebene (1981-84 und 1997-2002) jeweils mit einem jämmerlichen Fiasko endeten. In jüngerer Zeit ist diese Ausrichtung für die geschwächte KP, aufgrund der Tatsache, dass sie dem Erhalt ihrer örtlichen Bastionen (Rathäuser, Bezirksregierungen) oberste Priorität einräumt und dies ohne Wahlbündnisse aus eigener Kraft nicht mehr vermag, zu einer Art Geiselstatus gegenüber der Sozialdemokratie geworden. Doch angesichts eines breit aufgefächerten organisatorischen Angebots auf der Linken diesseits der Sozialdemokratie – das sich an der Vielzahl erklärter und verhinderter Kandidat­Innen bei der Präsidentschaftswahl 2007 aus diesem Spektrum ablesen lässt – strebt ein breiter Teil ihrer potenziellen Wählerschaft nach „Einheit“. Angesichts des neuen Bündnisses links-sozialdemokratischer „Dissidenten“ mit der KP konnte letzteres Bündnis sich diesen Einheitswunsch stark zunutze machen. Die vielfach in einer historischen Sackgasse geglaubte, früher pro-sowjetische und gleichzeitig auf Regierungsbeteiligung gepolte KP konnte so ihre AnhängerInnen- und WählerInnenschaft noch einmal remobilisieren. Auch dies beschränkt vorläufig die Wachstums- und vor allem Wahlchancen des NPA.

Bernhard Schmid  (Quelle: avanti)

Die NPA im Internet: http://www.npa2009.org/