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Frankreich: Alle Macht der Rechten?

Johann Schögler

Im 2. Wahlgang gewann Nicolas Sarkozy die Prädidentschaftswahlen mit 2,2 Millionen Stimmen Vorsprung vor der Sozialdemokratin Ségolène Royal. Er drängt auf eine rasche Umsetzung seines ultrakonservativen Programms. Die bevorstehenden Wahlen zur Legislative könnten seine macht noch stärken.

26.05.2007

2,2 Millionen Stimmen Vorsprung gegenüber Royal ermöglichen es Sarkozy, an die rasche Umsetzung seines ultraliberalen Programms zu gehen. Zudem stützt er sich auf die totalitäre Verfassung der V. Republik, die auf De Gaulle zugeschnitten war: All-Macht als Staatspräsidenten, Chef des Ministerrates, Chef des Premierministers, Herr über die Auflösung der
Nationalversammlung, Herr über den Atomknopf,  höchster Repräsentant der Außenpolitik .... Seine Handschrift wird überall zu erkennen sein.
Der einzige Wind, der Sarkozy entgegen blasen kann, ist der Widerstand aus den von den radikal-rechten Reformen betroffenen Sektoren der Gesellschaft, der sich bereits zu formieren beginnt.
Als Nicolas Sarkozy am 16. Mai die Schlüssel der Macht und den Geheimcode für den Zugriff auf die Atomwaffen bei einer königlich-zeremoniellen Farce von Ex-Präsident Chirac uebernahm, hatte er bereits vor Amtsantritt
sozialpartnerschafts-ähnliche Schein-Gespräche mit den Gewerkschaftsspitzen hinsichtlich der Aufrechterhaltung eines
Minimalbetriebes bei Streiks in öffentlichen Verkehrsbetrieben und in Schulen hinter sich. Die Gewerkschaftsbasis interpretiert dies als Einschränkung und Beschneidung des Streikrechts. Selbst wenn die Gewerkschaftsspitzen sich dagegen aussprechen, wird Sarkozy diese Maßnahme durchziehen.

Noch am Tag des Amtsantrittes musste auch Angela Merkel nach Sarkozys Blitzbesuch in Berlin anmerken, dass der neu zu reformierende EU-Verfassungsvorschlag "sehr, sehr auf Sarkozy abgestimmt" werden wird. Dieser hatte einen Mini-Vertrag vorgeschlagen, welcher von den übrigen EU-Kommissionsmitgliedern als ungenuüend empfunden wird. Der Mini-Vertrag
sollte die eingeschränkte Funktionsweise der EU-Institutionen bereinigen (unter anderem einen Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrheitsprinzip schaffen ...). Diesen neuen Vertrag will er allerdings nicht
mehr - wie 2005 unter Chirac - einer Volksabstimmung unterziehen, sondern vom Parlament abnicken lassen.
Äußerst rasch stellte er eine Regierungsmannschaft auf die Beine, um sogar bis zu den Parlamentswahlen schon wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Umsetzung seines angekündigten Programms vorzunehmen.
Dieses Programm sieht vor: Mai 68 liquidieren, Steuergeschenke für die Reichen, Einschränkung des Streikrechtes, weitere Privatisierungen der Öffentlichen Dienste, Verfolgung der sans papiers, Aushöhlung der 35
Stundenwoche, Ausweitung der prekären Arbeitsverhältnisse, Verschlechterungen im Arbeitsrecht usf.

Neben Ministerpräsident Francois Fillon (er war bereits viermal Minister und rückte im Laufe der Jahre immer weiter nach rechts) gibt es 7 Frauen und 7 Männer in der Regierung (zuvor waren es zusammen 30). Bernard Kouchner, sozialistischer Ex-Minister unter der Jospinregierung hat akzeptiert, in der ersten Regierung Sarkozys das Außenministerium zu übernehmen, wobei er sich einen gewissen Spielraum für eigene Meinung und Entscheidungen aushandeln konnte. Hinsichtlich der Pro-US-Atlantikpolitik
ist er mit Sarkozy ohnedies einer Meinung, aber auf anderen Gebieten (z.B. Darfour, Iran, Tuerkei, Israel/Palästinakonflikt) wird wohl Sarkozy das letzte Wort haben. Diese Haltung Kouchners kann der SP für die bevorstehenden Legislativwahlen nur schaden. [Anm. d.Red. Kouchner wurde mittlerweile aus seiner Partei ausgeschlossen.]

Die am 10. und 17. Juni stattfindenden Legislativwahlen werden der UMP Sarkozys die Mehrheit im Parlament bringen, da das Mehrheitswahlrecht (die Einführung eines teilweisen proportionalen Wahlrechts ist nicht vor 2012 vorgesehen) die zwei großen Parteien, die UMP und die SP in der Stichwahl begünstigen. Dass einige Zentristen, Kommunisten, Grüne etc. ins Parlament kommen, ist nur möglich, weil es Absprachen und eine KandidatInnenaufteilung in manchen Wahlkreisen gibt. Trotzdem werden von rechtsextrem bis zur radikalen Linken alle Parteien in vielen Wahlkreisen ihre eigenen KandidatInnen aufstellen, denn von den erreichten Stimmen hängt die staatliche Parteienfinanzierung ab: (Wahlkostenrückerstattung gibt es nur für jene
KandiatInnen, die 5% der Stimmen erreicht haben.
Dass sogar eine Partei, die 18% der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl hatte, bei den Parlamentswahlen nur wenige Abgeordnete erreichen kann, liegt an den Bedingung des Mehrheitswahlrechts. Absprachen von SP mit KP und
Grünen haben zu keinem Ergebnis geführt und so treten alle Gruppierungen nebeneinander an. Die KPF wird in 518 der 577 Wahlkreise eigene KandidatInnen aufstellen. Auch die LCR, die einen erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf mit Olivier Besanvenot geführt hat, wird in 500 Wahlkreisen mit eigenen KandidatInnen antreten, die gegen die Sarkozyoffensive auftreten und eine
echte antikapitalistische Linksopposition aufbauen helfen.

Was hat zum Sieg von Sarkozy und zur Niederlage von Royal gefuehrt?

Sarkozy hat, seit er den Parteivorsitz der UMP übernahm, diese auf Einheit hinter seiner Person auf harten rechten Kurs eingeschworen, ein klares radikales Programm vorgelegt und ständig eine offensive Strategie im
Wahlkampf eingeschlagen. Er hat die Werte der Rechten, wie Ordnung, Autorität, Verdienst und Belohnung betont. Er scheute sich nicht, Zitate von Antonio Gramsci zu benützen, indem er dessen politische Klarsicht hinsichtlich der Machtergreifung zitierte: "die ideologische und die kulturelle Hegemonie gehen der politischen voraus".
In der SP hatte Francois Hollande, der seit 10 Jahren an der Spitze steht,
auch nach der Wahlniederlage von 2002 den Diskussionsprozess über Struktur, Reformen und Programm der SP nicht vorangetrieben. Die verschiedenen Strömungen in der SP gaben immer wieder unterschiedliche Kommentare zu
verschiedenen Programmpunkten ab, und Ségolène Royal hatte dann noch ihre eigene Meinung.
Die SP verschiebt auch diesmal ihre kritische Wahlanalyse der wiederholten Niederlage auf die Zeit nach den Legislativwahlen.

Die Angriffe Sarkozys, "den Mai 68 zu liquidieren" haben zahlreiche Stellungnahmen unter den ehemaligen AkteurInnen dieser Bewegung hervorgerufen. So von Henri Weber in der Fabius-Strömung der SP; Alain Krivine und Daniel
Bensaid (LCR), Daniel Cohn-Bendit (Grüne), u.a.
In der letzten Woche vor dem 2. Wahlgang hatte Sarkozy gesagt: "Bei dieser Wahl geht es darum, zu wissen, ob das Erbe von Mai 68 weiter bestehen soll oder ob es ein für alle Mal liquidiert werden soll. Ich will die Seite von Mai 68 umblättern."
Die StudentInnen reagierten auf Sarkozys Politik mit der Besetzung der Uni Tolbiac in Paris, und auf der Wand war zu lesen: "ER
HAT RECHT, WIR MÜSSEN DIESMAL WEITER GEHEN"

Johann Schoegler (SOAL)