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8 Gründe gegen die G8

Ein Bündnis von über 100 Organisationen und Initiativen — von kirchlichen Gruppen bis zu Flüchtlings- und Umweltorganisationen — ruft zu den Massenprotesten in Rostock und Umgebung gegen die G8 (G7 plus Russland) auf: die größte Mobilisierung gegen einen G8-Gipfel, die es bislang in Deutschland gegeben hat. Gewerkschaften haben zu den Protesten nicht aufgerufen, sie beteiligen sich bestenfalls an einzelnen Aktionen wie dem Alternativgipfel. Nach martialischen Vorbereitungen ging die deutsche Polizei nun massiv und gewalttätig gegen die Massenproteste in Heiligendamm vor. Die Gründe gegen die G8 bleiben aktuell.

03.06.2007

1
Ihr G8 — wir 6 Milliarden


Im Mittelpunkt des diesjährigen G8-Treffens (auch Weltwirtschaftsgipfel genannt) steht wie immer die Absicherung und der Ausbau der Herrschaft der Konzerne und der reichen Industriestaaten weltweit.
Eine zentrale Rolle spielt der Schutz der Investitionsfreiheit der transnationalen Konzerne (TNK), vor allem im Bereich des geistigen Eigentums (Enteignung der bäuerlichen Kulturen in den Ländern des Südens durch die Patentierung von deren Wissen durch die Konzerne).
Gleichzeitig will die Bundesregierung in die Abschlusserklärung den Verzicht der "Entwicklungsländer" auf protektionistische Maßnahmen auch in solchen Bereichen hineinschreiben, in denen diese bisher ausländische Übernahmen aus nationalem Interesse ablehnen durften. Ihre menschlichen und natürlichen Ressourcen sollen den Konzernen ungehindert zur Verfügung stehen.
Die G8 sind nicht nur eine Showveranstaltung. Was der Klub der Reichen, in dem Russland am Katzentisch sitzt, informell ausklüngelt, wird sich als Themenschwerpunkte auf der Tagesordnung von WTO, IWF und Weltbank wieder finden: Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, dass die Festlegungen und Anregungen der G8 in den internationalen Organisationen zur Durchsetzung des Freihandels fortgesetzt werden. Sie loten ihre gemeinsamen Interessen gegenüber dem Rest der Welt aus und handeln informelle Kompromisslinien aus.
Die G8 repräsentieren 13% der Weltbevölkerung und pusten damit 44% der CO2-Emissionen in die Luft. Aber sie maßen sich an, damit die Welt zu beherrschen. Sie sind ein Klub der Reichen und wollen es bleiben.
Deshalb sind die G8 illegitim, sie haben kein Recht über das Schicksal der Völker zu bestimmen.

2
Die Macht der Multis


Die Wirtschaftsmacht der G8 liegt in den Transnationalen Konzernen (TNK). Deren Aktionsfeld ist längst die ganze Welt; die Auslandstöchter der Multis wachsen schneller als im Stammland, sowohl hinsichtlich der Beschäftigten, als auch des Umsatzes oder der Exporte.
Die Staaten sollen ihnen optimale Verwertungsbedingungen sichern. Dazu betreiben die Multis eine massive und systematische Lobbypolitik gegenüber den nationalen Regierungen, den internationalen Organisationen und auch im Vorfeld des G8- Gipfels. So hat der Bundesverband der deutschen Industrie am 25.April einen "BDI G8 Business Summit" organisiert, ein Treffen der Unternehmerverbände der G8-Staaten, das nicht zufällig zu jedem Tagesordnungspunkt der G8 eigene Forderungen aufstellte: geistige Eigentumsrechte, Investitionsfreiheit, effiziente Kapitalmärkte, effiziente Ökotechnologien, Aktivitäten des Privatsektors in Afrika... Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, die dies auch versuchen, gelingt es den Unternehmen, den Staatschefs manches Vorhaben in ihre Erklärungen zu diktieren, während DGB-Chef Sommer mit seinem Begehren, Mindestlöhne einzuführen, bei Frau Merkel abgeblitzt ist.
Ihr Hauptinteresse gilt der weiteren Öffnung der Märkte — durch Privatisierung öffentlicher Dienste; durch Senkung der Industriezölle in den Ländern des Südens (während Europa und die USA ihre Agrarzölle nicht im selben Umfang senken wollen), durch Gleichstellung mit inländischen Unternehmen und ausgedehnte Steuerprivilegien — und dem Recht, alles aufkaufen zu können, was sie wollen.
Das Verhalten der Konzerne wie der internationalen Finanzorganisationen stößt bei vielen Ländern des Südens auf wachsenden Widerstand. Mit ihrer Weigerung, dem ungleichen Handelsabkommen beizutreten, das ihnen die Industrieländer vorgeschlagen haben, haben sie bislang die WTO-Handelsrunden lahmgelegt.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die festgefahrenen WTO-Verhandlungen wieder neu anzuschieben, indem sie "die Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft ausdrücklich thematisiert". Diese müssten "ein größeres Maß an Verantwortung in der Weltwirtschaft übernehmen". Worum es sich dabei handelt, bleibt in der Definitionsmacht der G8. In den Klub aufgenommen werden können sie jedoch nicht, weil die G8 angeblich "nicht allein die gleichgerichteten Interessen, sondern auch ein gemeinsamer Wertekanon eint".

3
Konkurrenz macht arm


Die Multis sind so reich, dass sie mit einer einzigen Börsenspekulation die Devisenkurse in den Keller und Staaten in die Knie zwingen können.
Sie treiben die Nationalstaaten in eine Konkurrenz um Wirtschaftsstandorte und damit um die niedrigste Steuerlast, die niedrigsten Löhne und die geringsten sozialen Absicherungen.
Die G7/G8 sind deshalb vor allem eine Instanz, die Konflikte schürt: Handelskonflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, militärische Konflikte um Rohstoffe, aber auch soziale Konflikte innerhalb der Industrieländer, deren Gesellschaften gemäß den Bedürfnissen des Standortwettbewerbs zugerichtet werden.
Die G7/G8 sind verantwortlich für soziale Verelendung und Kriege weltweit; sie säen Rassenhass und ethnische Konflikte wie im Nahen Osten oder auf dem Balkan, indem sie nach der Devise verfahren: Teile und herrsche.
Gerade die Länder, die der neoliberalen Doktrin gefolgt sind, haben einen sprunghaften Anstieg der Armut erlebt. In 19 von 30 OECD- Ländern hat die Armut in den letzten 20 Jahren zugenommen; im Vorreiterland des Neoliberalismus, Großbritannien, leben heute 60% mehr Familien unterhalb der Armutsgrenze als noch 1981.
Von 500 Millionen EU-Bürgern ist laut EU-Kommission jeder Fünfte arm oder armutsgefährdet. Der Anteil der Armen an der Bevölkerung der Bundesrepublik ist in den letzten zehn Jahren von 12,6% auf 17,3% (fast 14 Millionen Menschen) gestiegen. 2,5 Millionen Vollerwerbstätige verdienen nicht genug, um davon leben zu können. Während der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen zwischen 2000 und 2006 von 27,8 auf 33,8% gestiegen ist, ist der Anteil der Löhne und Gehälter in diesen Jahren von 72,2 auf 66,2% gesunken.
Der Zaun um Heiligendamm, hinter dem sich die G8 verschanzen, ist symbolträchtig: Es ist die neue Mauer, die weltweit Arm von Reich scheidet. Eine Initiative der Bundesregierung, das zu ändern, gibt es nicht.

4
Afrika ist Gläubiger, nicht Schuldner


In ihrer Millenniumserklärung aus dem Jahr 2000 erklärte die UN-Vollversammlung vollmundig, bis zum Jahr 2015 den Anteil der Menschen, die mit weniger als 1 Dollar pro Tag auskommen müssen, halbieren zu wollen. Dafür sollten die Industrieländer ihre Entwicklungshilfe auf 0,7% ihres Bruttosozialprodukts aufstocken.
Geschehen ist nichts. Im Gegenteil, die Zahl der Hungernden ist gestiegen: 1996 waren es 801 Millionen, 2003 schon 834 Millionen.
40% der Menschen auf der Welt leben mit weniger als 2 Dollar pro Tag. Das Durchschnittseinkommen weltweit beträgt 5000 US-Dollar (6752 Euro) im Jahr, macht pro Tag 18,50 Euro. 90% der Weltbevölkerung liegen darunter.
Während die Zahl der Armen in Asien seit Anfang der 90er Jahre jedoch zurückgegangen ist, geringfügiger in Lateinamerika, stagniert sie in Afrika und im Nahen Osten auf hohem Niveau, in Osteuropa und in der Sowjetunion aber ist sie in die Höhe geschnellt. Afrika und Lateinamerika haben die meisten Kredite vom IWF erhalten. Diese waren stets mit der Auflage verbunden, die Märkte zu öffnen und den Multis unbegrenzte Freiheiten zu gewähren. Die Folge war, dass in den letzten 20 Jahren der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt in Afrika um 2 Prozentpunkte, in Lateinamerika sogar um 10,4 Prozentpunkte zurückgegangen ist.
Die Verschuldungspolitik der G8 und der internationale Freihandel hemmen somit das Wirtschaftswachstum und eine eigenständige industrielle Entwicklung in den Entwicklungsländern.
In den vom IWF kontrollierten Regionen Asiens betrug das Wirtschaftswachstum in den letzten 20 Jahren 2,9%; in Ostasien, wo der IWF wenig präsent ist, 9,5%; am stärksten ist es in China, das seine Märkte gegenüber dem Zugriff der Multis bisher relativ abgeschottet hält.
Die Verantwortungslosigkeit der G8 vor allem gegenüber Afrika hat zuletzt die Initiative der Kulturschaffenden um Herbert Grönemeyer lautstark angeprangert. Die Bundesregierung schmückt sich zum Gipfel mit einer Afrika-Initiative, die eher eine Verhöhnung ist. Sie läuft unter dem Motto: "Wachstum und Verantwortung in Afrika — Gute Regierungsführung, nachhaltige Investitionen, Frieden und Sicherheit und die Bekämpfung von HIV/Aids". Damit dies niemand missversteht, unterstreicht die Regierung, dass es nicht um Entschuldung oder um neue Mittelzusagen geht, sondern darum, dass Afrika seine Eigenanstrengungen zur Verbesserung der Regierungsarbeit verstärken muss, wenn es zusätzliche Investitionen aus dem Ausland will. So ist es kein Wunder, dass der Kontinent verstärkt in China um Mittel für die Entwicklung anfragt — schlechter kann es ihm dabei nicht ergehen.
200 Jahre nach der offiziellen Beendigung der Sklaverei in Großbritannien leidet Afrika immer noch unter den Folgen von 500 Jahren Versklavung und Kolonialismus. Europa und die USA sind historisch die Schuldner Afrikas, nicht seine Gläubiger — diese Schuld muss endlich zurückgezahlt werden!

5
Migration und staatlicher Terror


Armut und Gewalt schaffen vor allem in Afrika unerträgliche Lebenslagen, welche die Menschen dazu drängen auszuwandern. Die reichen Länder bauen an ihren Grenzen deshalb rigide Kontrollsysteme auf, die täglich Dutzende Menschenopfer an der Südgrenze Algeriens oder beim Fluchtversuch über das Mittelmeer oder an der Grenze Mexikos zu den USA fordern. Sie versuchen damit, sich einen Teil der Folgen ihrer Politik vom Hals zu halten.
Andererseits brauchen sie gut ausgebildete Fachkräfte aus den Ländern des Südens — in Deutschland vor allem im IT-Bereich, in der Pflege und auf dem Bau. Die Politik der G8 zielt darauf, nur noch solche Einwanderer zuzulassen, die hoch qualifiziert sind, nur einen vorübergehenden Aufenthaltsstatus genießen, und deren Familien vor allem nicht nachkommen dürfen. Illegale Einwanderung kann dadurch nicht gestoppt werden, aber illegale Einwanderung wird als "terroristisch" kriminalisiert.
Zentrale Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrors nach innen, wie die Speicherung biometrischer Daten, der ungehinderte Datenabgleich und verdachtsunabhängige Kontrollen wurden nach dem 11.September als erste an Migranten erprobt. Jetzt werden sie auch auf die einheimische Bevölkerung ausgedehnt.
Lange vor dem 11.September haben die G7 damit begonnen, einen direkten Bezug zwischen Migration und Terrorismus herzustellen. Migration taucht vor allem im Zusammenhang mit Menschenhandel und organisierter Kriminalität auf. Deutschland hält einen traurigen Rekord in der Verknüpfung des Antiterrorkampfs mit der Bekämpfung des "Asylmissbrauchs durch Terroristen".
Der Grundrechte-Report 2007 wirft der Polizei in zahlreichen Fällen grobe Rechtsverletzungen und eine zunehmende Missachtung der Rechtsprechung vor. Vor allem die Polizeigesetze der Länder würden die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die elektronische Überwachung systematisch missachten.

6
Krach bei G8


Zur heimlichen Agenda des G8-Gipfels gehört die Verschiebung der Machtgleichgewichte zwischen den Industrieländern und einigen bevölkerungsreichen Schwellenländern wie die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China).
Die Politik der G8, mit Hilfe der Schuldsklaverei und der Schürung bewaffneter Konflikte Afrika und Lateinamerika wieder auf den Status von Kolonien herabzudrücken, stößt seit Mitte der 90er Jahre auf weltweiten Protest.Das Anwachsen sozialer Bewegungen in den Industrieländern und deren Soldarisierung mit den Ländern des Südens vor allem im Rahmen des Weltsozialforums hat auch den Entwicklungsländern neues Selbstbewusstsein verliehen.
24 von ihnen — aus Afrika, Lateinamerika und Asien — haben sich einen eigenen Zusammenschluss gegeben (die G24): sie wenden sich gegen die Auflagen, die mit den Krediten von IWF und Weltbank verbunden sind.
Die BRIC-Staaten aber, in denen 40% der Menschheit leben, haben in den letzten Jahren ein rasantes Wirtschaftswachstum erlebt; sie erwirtschaften derzeit ein höheres Bruttoinlandsprodukt als die EU. Sie sind mit Kooperationsabkommen untereinander verbunden, die sich vor allem auf die Lieferung von Energie und Rohstoffen beziehen. Sie pflegen intensive Beziehungen mit dem Iran und Venezuela, mit denen sie Energietransportwege verbinden, die von den G7 nicht mehr kontrolliert werden. Das gibt ihnen Spielraum gegenüber dem Diktat der G7.
Hier sehen die G7 ihre Felle davon schwimmen. Um dies zu konterkarieren, will die Bundesregierung die "transatlantische Gemeinschaft" stärken (G2: USA und EU). Sie will auf dem Gipfel den Grundstein für eine transatlantische Freihandelszone legen. Das Projekt trifft in den USA noch auf Widerstand; aber es eignet sich hervorragend als materielle Untermauerung des ideologischen Kreuzzugs des Westens für seine "Werte" gegen den Rest der Welt, die Länder des Südens vor allem. Die brauchen nicht mehr den Sozialismus einzuführen, um zum Beelzebub zu werden, es reicht dass sie die kapitalistischen Werte für ihr jeweiliges Land erfolgreich umsetzen — dann geraten sie automatisch in Konflikt mit den reichen Sieben. Dann gehören sie nicht zur Wertegemeinschaft oder sind terroristisch. Wenn sie sich darüber hinaus noch anmaßen, militärisch einigermaßen mit dem Westen gleichzuziehen, wie der Iran, sind sie es wert bombardiert zu werden.
Die Konkurrenz aus dem Süden spaltet die G8 aber auch: Während Deutschland ein Interesse daran hat, mit Russland auf dem Feld der Energieversorgung stärker zu kooperieren, wollen die USA ein solches Zusammenrücken verhindern. Ihr Raketenstationierungsprogramm in Osteuropa richtet sich nicht gegen den Iran, auch nicht in erster Linie gegen Russland, sondern vor allem gegen China, gegen das die USA eine Allianz schmieden. Es hat darüber hinaus den für die USA durchaus wünschenswerten Effekt, dass es einen Spaltpilz in die EU treibt und geeignet ist, die Bildung eines Blocks zwischen der EU und Russland zu stören.
Die heuchlerische Menschenrechtspropaganda der Bundesregierung gegenüber Russland ist Teil der deutschen Schaukelpolitik zwischen ihren Interessen jenseits des Atlantik und ihren Interessen im Osten.

7
Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt


Die Verteilungskämpfe um die verfügbaren fossilen Energiequellen nehmen zu. Der wirtschaftliche Aufschwung in den bevölkerungsstarken Ländern des Südens — von dem die Multis stark profitieren — frisst viel Energie. China ist aus einem Selbstversorgerland zu einem Importland von Energie geworden.
Zwei Jahre vor dem 11.September, im April 1999, beschloss die NATO deshalb eine neue Strategie: Aus einem Verteidigungsbündnis wurde ein Interventionsbündnis. Die NATO hat jetzt den Auftrag, "Krisen zu bewältigen", als da sind: ethnische und religiöse Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, unzureichende oder fehlgeschlagenen Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten, die Auflösung von Staaten — aber auch Akte des Terrors, der Sabotage und des organisierten Verbrechens, sowie die Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen.
Die nationalen Sicherheitsdoktrinen haben sich der neuen Aufgabenstellung angepasst. In den USA verkündete Bush im Jahr 2000 eine Nationale Sicherheitsstrategie, die den präventiven Einsatz von Atomwaffen für operative Zwecke vorsieht.
Erstmals angewendet wurde die "antizipatorische Selbstverteidigung" beim Überfall auf den Irak. In den Planungen Washingtons für einen Krieg gegen den Iran ist ein Erstschlag taktischer Atomwaffen gegen iranische Bunkeranlagen schon enthalten. Die Abstimmung über das Vorgehen gegen den Iran wird — ebenso wie das Raketenabwehrprogramm — auf dem G8-Gipfel selbstverständlich Thema sein.
Deutschland ist dieser Strategie 1:1 gefolgt. In ihrem neuen Weißbuch bezeichnet die Bundesregierung den "freien Welthandel" als "Grundlage einer sicheren Energiezufuhr und unseres Wohlstands". Daraus leitet sie das Recht ab, Deutschland auch am Hindukusch zu verteidigen. Einsatzgebiet der Bundeswehr und der Nachrichtendienste ist nunmehr die ganze Welt.
Dasselbe gilt für die EU. In der Europäischen Sicherheitsstrategie lässt sich der Hintergrund für die neue Militarisierung der Außenpolitik der G8 vielleicht am klarsten nachlesen:
"Eine Reihe von Staaten", heißt es da, "hat sich von der internationalen Staatengemeinschaft abgekehrt. Einige haben sich isoliert, andere verstoßen beharrlich gegen die internationalen Normen. Es ist zu wünschen, dass diese Staaten zur internationalen Gemeinschaft zurückfinden, und die EU sollte bereit sein, sie zu unterstützen. Denen, die zu dieser Umkehr nicht bereit sind, sollte klar sein, dass sie dafür einen Preis bezahlen müssen..."
Dies ist nichts anderes als eine unverhohlene Kriegserklärung an alle Staaten, die nicht länger gewillt sind, sich von den Konzernen und Banken des Nordens ausnehmen zu lassen. Militärische Intervention und "zivile Aufbauhilfe" gehen Hand in Hand.
Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, die EU zu einer Militärmacht auszubauen, die gleich stark und einsatzfähig ist wie die USA. Das ist der wichtigste inhaltliche Zusatz, den der EU-Verfassungsvertrag gegenüber den Regierungsverträgen aufweist, die bislang das Zusammenleben in der EU regeln. Angela Merkel, bis Mitte Juni auch Vorsitzende des Europäischen Rats, hat es sich zur Chefsache gemacht, mit Hilfe ihres neuen Freunds Sarkozy den Verfassungsvertrag wieder aufs Gleis zu bringen und doch noch durchzusetzen — gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerungen in der EU.

8
Öl und Klima


Die Energiefrage ist ein Schwerpunkt in Heiligendamm.
Trotz zunehmender Umweltkatastrophen, und obwohl der UN-Klimabericht belegt, dass die Erderwärmung von Menschenhand gemacht ist, Millionen Menschen Leben, Hab und Gut kosten kann und wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe anrichtet, gehen die G8 zur Tagesordnung über. Sie bleiben unbeirrt beim Vorrang für fossile Brennstoffe und denken nicht daran, ein international konzertiertes Programm für die sofortige Abkehr von ihnen aufzulegen. Das Gutachten, das sie bei der Internationalen Energieagentur in Auftrag gegeben haben, entwirft folgendes Szenario:
"Insgesamt bleiben fossile Brennstoffe bis 2030 die wichtigste Energiequelle." Der Primärenergieverbrauch wird bis 2030 um mehr als 50% steigen; der Anteil der fossilen Energieträger erhöht sich sogar von 80 auf 81%; der CO2- Ausstoß wird deshalb um 55% zunehmen. Die Erklärung von Bundeskanzlerin Merkel im Namen der EU, bis zum Jahr 2020 den CO2-Ausstoß um 30% senken zu wollen, ist damit wohl hinfällig, wenn nicht gar eine dreiste Lüge.
Das genannte Szenario bedeutet einen täglichen Mehrbedarf an Öl von 35%. Woher der kommen soll, ist völlig unklar. Die weltweite Förderung von Öl soll nach Ansicht von Fachkräften im Jahr 2010 seinen Höhepunkt erreicht haben — danach wird die Ausbeute geringer, die Energiepreise werden in den Himmel klettern.
Die Energieversorgung ist zu einem primären Standortfaktor im internationalen Konkurrenzkampf geworden. Hier prallen die Interessen aller Großmächte aufeinander. Der Kampf ums Öl ist die treibende Kraft der heutigen und künftigen Kriege.
Das ist doppelt selbstmörderisch: Millionen Menschen sterben durch Kriege, und die Erde wird wegen des kurzfristigen Gewinninteresses von 500 Konzernen für viele unbewohnbar gemacht.
Wir brauchen keinen Krieg ums Öl — weil wir kein Öl brauchen. Wir brauchen eine völlige und sofort einzuleitende Abkehr von fossilen Brennstoffen und einen Technologiewettbewerb um die umweltfreundlichsten Heiz-, Verkehrs- und Produktionssysteme.
Die G8 verteidigen ein Wirtschaftssystem von gestern, ein Transportsystem von gestern, auf einer Energiebasis von gestern. Sie verteidigen nur noch den Reichtum und die Macht eines winzigen Bruchteils der Erdbevölkerung. Nehmen wir sie ihnen und machen wir sie unschädlich.