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5. Europäisches Sozialforum in Malmö: Die Grenzen werden erkennbar

Angela Klein

Das 5. Europäische Sozialforum, das vom 18. bis 21. September in Malmö stattfand, war nicht auf der Höhe der Zeit. Zunächst war die Beteiligung enttäuschend gering: Mit 20.000 Teilnehmenden hatten die OrganisatorInnen gerechnet, etwa 8.000 waren es dann. Die Attraktivität dieser Veranstaltung geht deutlich zurück.

23.10.2008

Die Gewerkschaften
Anfänglich schien es, als würden vor allem die schwedischen Gewerkschaften die Gelegenheit wahrnehmen – zumindest wurde damit stark geworben. Doch der LO war nur schwach vertreten. Die Gewerkschaftsjugend hatte, einer Initiative der IG-Metall-Jugend folgend, im Rahmen des ESF ein eigenes Zeltlager mit eigenem Programm organisiert und massiv dafür mobilisiert. Von den angekündigten 2.000 Teilnehmenden aus ganz Europa sind dann aber auch da nur etwas über 500 übrig geblieben.
Dabei wurde so viel wie noch nie über die realen Probleme gesprochen, die die entfesselte Konkurrenz in den Betrieben schafft: Produktionsverlagerungen, eine dramatische Zunahme der Arbeitsunfälle, die Zurückdrängung der gewerkschaftlichen Rechte usw. Allerdings waren die anwesenden Gewerkschafter nicht imstande, dringende Initiativen wie die nach einem europäischen Mindestlohn wirklich in europäische Aktionsperspektiven umzusetzen.

Das Netzwerk "Arbeit und Globalisierung", das Gewerkschaften und soziale Bewegungen umfasst, arbeitet am unverbindlichsten von allen. Während es keine Schwierigkeit bereitete, sich im kommenden Jahr zu europäischen Großaktionen gegen die NATO, den Klimagipfel der UN und die G8 zu verständigen, war es unmöglich, eine breit getragene Initiative für ein soziales Europa – und schon gar nicht für die endgültige Beerdigung des Lissabon-Vertrags – zuwege zu bringen.
Ohne die Zustimmung des EGB hängt die soziale Mobilisierung in der Luft, dieser aber folgt seiner eigenen Logik und sucht nur sehr eingeschränkt die Zusammenarbeit.
So blieb übrig, dass die Franzosen am 6. Dezember die Initiative zu einer übernationalen Demonstration gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie ergreifen.

Die Jugend
Sie war auf dem Forum nur sehr schwach, dafür stark auf der Demonstration vertreten, die immer im Rahmen des ESF stattfindet. Die war sowieso ein Highlight: An die 15.000 Menschen hatte das Nordische Organisationskomitee mobilisiert, die Mehrheit davon aus Schweden. Zu diesem Zweck wurde die Tradition der örtlichen Bildungszirkel wieder belebt, in denen der örtlichen Bevölkerung Ziel und Zweck des Sozialforums nahe gebracht werden konnten.
Alles was irgendwie links und oppositionell war, war bei dieser Demonstration auf den Beinen. Der antikapitalistische Block war sehr stark, aber auch die Umweltorganisationen, die verschiedenen Nationalitäten der politischen Emigration, Schwulen und Lesben und eben die Jugendlichen. So gibt es augenscheinlich eine Kluft zwischen einer Radikalisierung in der Bevölkerung und der begrenzten Fähigkeit des Sozialforums, diese aufzugreifen.

Dies hat einen politischen und einen organisationspolitischen Grund. Der organisationspolitische Grund hängt mit den Besonderheiten der skandinavischen politischen Kultur zusammen, die noch stark sozialdemokratisch, und das heißt: hierarchisch, geprägt ist. Dass es in einem nationalen Vorbereitungskomitee heftige politische Auseinandersetzungen gibt, ist nicht ungewöhnlich.
Bislang konnten diese immer überwunden werden, weil den europäischen Vorbereitungstreffen die Möglichkeit gegeben wurde zu intervenieren und Auswege zu finden. In Malmö war das nicht der Fall; da war es nicht möglich, den Konflikt zwischen Attac, der Linkspartei und der anarchistischen Strömung zu überbrücken. Darunter haben Organisation, Anziehungskraft und schließlich auch das Programm stark gelitten.
Der politische Grund hat mit den SkandinavierInnen nichts zu tun. Er liegt einfach darin, dass die bisherige Stärke des Sozialforums – seine politische Breite – droht, zu einer Schwäche zu werden in einer Situation, die zunehmend zugespitzte, klare und aktionsorientierte Antworten verlangt. In den drei zentralen politischen Fragen, die zum Zeitpunkt des Forums virulent waren – der Georgienkrieg, das Nein zum EU-Vertrag und die Finanzkrise – war es nicht möglich, eine gemeinsame Initiative zu lancieren, zu unterschiedlich waren die Positionen.
Zum Glück hat niemand versucht, so etwas mit Macht durchzusetzen, daran würde das Sozialforum zerbrechen. Es ist aber ganz offensichtlich, dass daneben auf europäischer Ebene antikapitalistische Initiativen erforderlich sind, die weder dem alten Nationalstaat nachtrauern noch die EU zu einem Superstaat machen wollen, und die das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht auf dem Altar der Staatsräson opfern.
Das bedeutet noch nicht, dass sich das Sozialforum überlebt hätte. Es bleibt im Gegenteil wegen der Schwäche der Linken bis auf weiteres ohne Alternative und muss weiter entwickelt werden.

Quelle: SoZ