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Nationalratswahlen in Österreich: Die radikale Rechte gibt sich sozial

Die Nationalratswahlen sind vorbei, das Ergebnis gibt Null Anlass zu linker Freude. Das wohl markanteste, wenn auch nicht völlig überraschende Resultat ist neben der deutlichen Abwahl der ÖVP der Zugewinn an WählerInnenstimmen für die beiden rechten Parteien FPÖ und BZÖ. Doch wie erklärt sich dieser neuerliche Aufschwung der Rechten? Wie kommt es, dass eine Partei wie das Haider-BZÖ, das noch vor zwei Jahren um die politische Existenz fürchten musste, plötzlich über 10% der Stimmen erreichen kann; dass eine FPÖ, deren Spaltungstendenzen und personelle Querelen bis zuletzt Schlagzeilen machten (siehe den Überlauf eines Ewald Stadlers oder die Krise der FPÖ-Kärnten), die 18%-Marke erreicht? Wir meinen, dass dies weder mit irgendeinem „Naziland“ Österreich zu tun hat noch den charismatischen „Rattenfängern“ H.C. Strache und J. Haider geschuldet ist, sondern in dem Terrain zu suchen ist, dass den rechten Parteien überlassen wurde. Im Folgenden eine erste Analyse, die noch einmal den vergangenen Wahlkampf genauer unter die Lupe nimmt.

07.10.2008

Der Wahlkampf von FPÖ und BZÖ wurde keineswegs auf der Law-and-Order-Schiene gefahren, für die die beiden Parteien bekannt sind, und auch nicht alleine auf einer Anti-AusländerInnen-Hetze. Natürlich können derartige Parolen nicht fehlen: der Kampf dem „Asylbetrug“ (FPÖ: „Asylbetrug heißt Heimatflug“) oder die Abschiebung „straffällig gewordener“ oder auch nur „tatverdächtiger“ AsylantInnen sind Fixstarter in den Plakatreihen der Haiders und Straches. Dennoch lag die Kunst des rechten Marketings auch diesmal in der Verbindung von Nationalem und Sozialem. So forderte die FPÖ etwa eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Sozialversicherungssystems – allerdings eben nur für Österreicher (und EU-Bürger, weils eben nicht anders geht), nicht aber für Ausländer. Der Schwerpunkt des Wahlkampfs von BZÖ und FPÖ, soviel kann wohl behauptet werden, lag auf der Sozialpolitik.

Der Punkt dabei ist: Die Folgen neoliberaler Politik wurden von niemand anderem als den rechten Parteien thematisiert – es scheint gar, als habe es dazu ein stillschweigendes Diskussionsverbot in und von den anderen Parteien gegeben. Für die SPÖ bedeutete erst das 5-Punkte-Programm, das als „Antiteuerungspaket“ Pflegegeld und Familienbeihilfe erhöhen, Studiengebühren abschaffen, vor allem aber die „Hacklerregelung“ für den Pensionseintritt verlängern und die Mehrwertssteuer senken sollte, so etwas wie den Versuch, aus der Regierungsparalyse auszubrechen und den Totalabsturz zu verhindern, was zum Teil auch gelungen ist. Trotzdem kam es offenbar zu spät und zu unglaubhaft. Zu spät hat sie versucht, das zunehmend unbeliebte Gewand der „staatstragenden“ Partei abzustreifen. Und: für diesen Versuch kassierte SP-Spitzenkandidat Faymann die „Watschn“ aus den eigenen sozialliberalen Reihen, die ihm diese Strategie und den „populistischen Kniefall“ vor der Kronen-Zeitung nicht verzeihen. Doch was wurde da bemängelt? Die Anbiederung an den kleinen Mann mit dem Versprechen, ihn aus dem Elend zu erlösen?

ÖVP und Grüne konnten sich auf die vorgegebene Thematik des Wahlkampfes so gut wie gar nicht einstellen und wirkten über lange Strecken wie strategisch völlig falsch eingestellte, desorientierte und langweilige Dampfplauderer. Die Grünen offenbarten ihre ideologische Entleerung: weder ideologisch, noch politisch konkret haben sie  hier irgendetwas zu bieten. Wer Grün gewählt hat, konnte nicht wissen, was er/sie bekommt – Schwarz-Grün oder Rot-Grün, wobei ersteres der Grünen-Führung wohl lieber gewesen wäre. Im Zuge des Wahlkampfs zeigte sich allerdings eine politische Spaltung zwischen Führung und Teilen der Basis und Bundes- und Wiener Grünen. Die Wahlkampagne der Wiener Grünen war auf soziale Probleme und Umverteilung orientiert. Der schnelle Abgang des Parteivorsitzenden nach der Wahl und die öffentlich geäußerte interne Kritik deutet auf Konflikte über den politischen Kurs hin. Fazit: Der Wunsch nach Regierungsbeteiligung ohne irgendein Angebot zieht nicht und ist schon gar keine Alternative, sondern allemal ein Rechtsruck. Und eine Alternative wäre das Gebot der Stunde gewesen.

Die ÖVP konnte sich auf den Schwenk der SPÖ ebenso wenig einstellen wie auf Haider und Strache. Mit Schüssel-Sätzen wie „Wir kandidieren gegen 6 linke Parteien“ (wozu BZÖ und FPÖ gezählt wurden), fremdenfeindlichen („Es reicht! Wer bei uns lebt, muss unsere Sprache lernen. Keine Einwanderung ohne Deutschkurs“; „Wiener Gemeindebauten von Moslems beherrscht“) oder autoritären Parolen („Volle Härte des Gesetzes bei Kindesmissbrauch“) versuchte man, FPÖ und BZÖ in punkto Härte und Repression rechts zu überholen, die Unterschiede zu den Rechtsparteien einzuebnen und Tabus zu brechen. Kaum jemals ist die ÖVP dabei derart weit nach rechts gerückt, und kaum jemals hat ihre Wahlkampfstrategie derart versagt. Denn BZÖ und FPÖ, deren Image zu kopieren versucht wurde, befanden sich gar nicht mehr auf dem Terrain, und die ÖVP bemerkte offenbar bis zuletzt nicht ganz, dass sie allein im Ring stand. Die offensichtlichsten ExponentInnen dieser Fraktion (Klubchef Schüssel, Parteichef Molterer, Innenministerin Fekter und Wirtschaftsminister Bartenstein) werden jetzt vom christlich-sozialliberalen Flügel demontiert. Die so genannte „Volkspartei“ muss feststellen, dass das Volk in Zeiten neoliberaler Polarisierung aufgehört hat, „Volk“ zu sein.

In Zeiten, in denen eine Bankenpleite die andere jagt und den Mythos von der kapitalmarktfinanzierten Pensionsvorsorge zerplatzen lässt, in Zeiten, in denen die Teuerung von Lebensmitteln und Energie immer mehr Menschen vor die Frage stellt, wie groß das Loch sein wird, das die Heizkosten im Winter in den Geldbeutel reißen, in Zeiten, in denen atmosphärisch beinahe schon die Dämmerung des Kapitalismus angebrochen ist, wird die heraufkommende Zukunfts-Angst nicht mit Maßnahmen beruhigt, die später die ersehnte Verbesserung versprechen. Eventuelle Steuersenkungen im Jahr 2010 interessieren genauso niemanden wie wirtschaftliche „Vernünftigkeit“ und Tabellen über die Finanzierbarkeit sozialpolitischer Maßnahmen. Da entscheidet die Sofortmaßnahme, die das Hier und Jetzt betrifft Da wird jene Partei gewählt, die diese Sofortmaßnahmen am Glaubhaftesten anbietet. Und genau das haben vor allem BZÖ und FPÖ verstanden. Haider plakatierte Soziales, profilierte sich als der greifbar-konkrete Mann aus Kärnten, der allen, die es wollen und brauchen, den Hunderter bei Selbstabholung bar auf die Hand legt. Und wie Strache sprach er von Heizkostenzuschüssen und Spritpreissenkung. Hie also die Sofort-Bar-auf-die-Hand-Parteien, dort die Parteien eines Morgen, Später, Steuerreform 2010, eines „vernünftig handelnden“ verantwortungsvollen Wirtschaftens.

Das bedeutete nichts anderes, als dass das gesamte Terrain der Sozialpolitik bzw. einer sozialpolitischen Korrektur neoliberaler Verbrechen FPÖ und BZÖ überlassen wurde. Soziapolitik war für ÖVP, Grüne und – bis kurz vor der Wahl – auch für die SPÖ eine „no-go-area“.

Es war ausgerechnet wieder einmal die FPÖ, die sich – ungeachtet dessen, dass sie vor wenigen Jahren als Regierungspartei eine neoliberale Maßnahme nach der anderen durchgepeitscht hat – als einzige „antikapitalistische“ Alternative dargestellt hat. Und sie konnte damit punkten – gerade unter JungwählerInnen, für die die FPÖ als einzige einen Wahlkampf und eine Selbstdarstellung der Jugendlichkeit veranstaltet hat, und unter denen sie Umfragen zufolge stimmenstärkste Partei war (das Wahlalter wurde vor dieser Wahl auf 16 Jahre gesenkt). Symbolisch knüpfte man hier an Che Guevara (Strache als „StraChe“) und afroamerikanische Musikstile („Viva HC“) an – Bilder gingen durch die Medien, auf denen Strache in Diskotheken mit StraChe-T-Shirt Frauenbrüste signiert. Die FPÖ gab und gibt sich als revolutionäre, aufmüpfige Partei. Während im Ausland der rechte Charakter der beiden Parteien deutlich wahrgenommen wird, haben sich BZÖ und FPÖ hierzulande in diesem Wahlkampf nicht als rechte Parteien präsentiert, keine Wehrmachtsstiefel plakatiert, sondern als „moderne“ soziale Parteien, die das alte Links-Rechts-Schema eines Van der Bellen oder Faymann angeblich durchbrechen wollen. Und Wählerstromanalysen zeigen: Die FPÖ hat sich mit dieser Strategie wieder einmal als Sammelbecken für enttäuschte SP-WählerInnen zu etablieren vermocht, das BZÖ dürfte sich nachhaltig vom Duft der Wehrmachtsstiefel abgekoppelt haben und als bürgerliche Alternative zur ÖVP in der Parteienlandschaft verankert haben.

Wo der Wahlsieg des dritten Lagers allerdings hinführen wird, ist ungewiss. Die Wahlstimmen gehen auf und ab – und werden schließlich nur so lange steigen, als es FPBZÖ tatsächlich schaffen, sich selbst wider besseres Wissen als antikapitalistische Parteien zu geben oder sich zumindest ein antikapitalistisches Flair aufzubauen. Ihre Stimmen sind demgemäß zum Großteil Proteststimmen im wahrsten Sinne des Wortes. Und schließlich ist auch die Konstitution FPBZÖ selbst eine explosive Mischung, wie ihre nicht lange zurückliegenden Spaltungen zeigen. Haider versuchte damals vergeblich, die Abstimmung der FP-WählerInnen mit den Füßen mit einem Wechselbad zweier widersprüchlicher Strategien abzufangen: Einerseits auf seriöse Regierungspartei zu machen („wir gestalten“ …), gleichzeitig aber auch Opposition zu spielen. Seine Freunde spielten Regierung, er selbst spielte Opposition, wodurch unweigerlich eine Reihe von ExponentInnen verheizt und in die Wüste geschickt wurde oder von sich aus das Handtuch warf. Die Spaltung in FPÖ und BZÖ spiegelt diese beiden Strategien wider. Im Augenblick ist kein Praxistest gefordert, somit können beide Parteien locker arbeitsteilig beide Varianten darstellen. Und: Niemand fordert sie bis dato heraus. Ohne Widerstand lassen sich solche Spiele anscheinend leicht machen.

Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist das politische Vakuum, was eine antikapitalistische Linke betrifft, besonders bitter. Das schlechte Abschneiden der Kommunistischen Partei Österreichs und der Liste „LINKE“, die zusammen nicht 1% der WählerInnenstimmen erreichen konnten, spricht hier Bände und bedarf einer eigenen Analyse. Widerstand muss aber nicht auf dem Wahlzettel passieren, sondern kann und muss – das hat die Bewegung gegen die schwarz-blaue Regierung vor nunmehr 8 Jahren gezeigt – auf der Straße entstehen.

Redaktion dieLinke