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So grün war mein Tal - Zum Grün-Putsch in Wien-Mariahilf

Kurt Hofmann

Die Ausschaltung der legitimen BezirksvertreterInnen der Grünen im 6. Bezirk zum Nutzen der Parteiräson hat nicht nur für heftige grüninterne Diskussionen gesorgt, sondern auch potentielle WählerInnen nachhaltig darauf hingewiesen, was von grünem Wortgeklingel wie Basisdemokratie und Gesprächskultur zu halten ist.

02.07.2010

Die Ausschaltung der legitimen BezirksvertreterInnen der Grünen im 6. Bezirk zum Nutzen der Parteiräson hat nicht nur für heftige grüninterne Diskussionen gesorgt, sondern auch potentielle WählerInnen nachhaltig darauf hingewiesen, was von grünem Wortgeklingel wie Basisdemokratie und Gesprächskultur zu halten ist.

I
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Dass sich die Grünen in Mariahilf bei den Wiener Wahlen im Herbst gute Chancen ausrechnen durften, Mehrheitsfraktion zu werden, war nicht nur durch interne Umfragen und durch den beachtlichen Erfolg bei den vorangegangenen EU-Wahlen (mit großem Abstand stärkste Partei im Bezirk) evident, auch die vielen gegen SP und VP durchgesetzten Projekte sorgten für positive Resonanz und ließen die Grünen, zumal in einem von der Bevölkerungsstruktur für sie günstigen Bezirk, auf einen Erfolg hoffen. Umso erstaunlicher war es, dass gegen die von der Mehrheit der grünen Basis in Mariahilf unterstützte Wahlliste rund um den (weit über die Parteigrenzen im Bezirk präsenten) Klubobmann Manfred Rakousky plötzlich als neue Spitzenkandidatin die alt gediente Landtagsabgeordnete Susi Jerusalem in Stellung gebracht wurde. Dieser ist zwar der Bezirk (und damit auch dessen Probleme) unbekannt, als Bezirksvorsteherin würde sie aber selbstverständlich in den Sechsten umziehen. Ihre MitstreiterInnen, großteils freundlicherweise vom Rathausklub der Grünen abgestellt, entdeckten bei ihren Präsentationen erstaunliche Bezugspunkte zum Bezirk wie die Freude am Einkaufen am Naschmarkt. Eine wahrhaft bunte Liste stellt sich da vor: Bobos und ParteisoldatInnen,  angeführt von Lena Meyer-Jerusalem, unserem Star für Mariahilf. Die Abstimmungsmaschinerie wird durch viel fahrendes Volk, von anderen Bezirken umgemeldet nach Mariahilf, in Gang gebracht. Mit einer "importierten" Mehrheit wird die Bezirksbasis schließlich – streng basisdemokratisch – überstimmt. Was sich die gewählten BezirksrätInnen zuschulden kommen hatten lassen und welche inhaltlichen Alternativen die Übernahmegruppe anzubieten hätte, bleibt nebulos, was – die Bezirksgrenzen weit überschreitende – Proteste ihrer Illusionen beraubten GrünaktivistInnen zur Folge hat. Nun werden beim Webauftritt der Bezirksgrünen die aktuellen MandatarInnen bildlich zum Verschwinden gebracht (als Unpersonen) und durch Porträts der Zukunftshoffnungen ersetzt, eine, wie Manfred Rakousky treffend bemerkt, "virtuelle Ausradierung der Bezirksorganisation". Das Bezirksparteigeld wird ebenfalls beschlagnahmt. Ausnahmezustand. Da derlei Maßnahmen erfahrungsgemäß nicht zur Beruhigung der Gemüter beitragen, folgt ein taktischer Kniff: Verhandlungen. Gemeinsamkeiten werden betont, symbiotische Wirkungen beschworen, aber während mehrerer Wochen bewegt sich die Gruppe um Jerusalem nicht um einen Zentimeter, der verhandlungsbereite Rakousky wird von einem aufs andere Mal mit immer neuen Ausreden vertröstet, bis am Ende als Konsequenz nur die Spaltung bleibt.

II
Einen bestrafen, um hundert zu erziehen: Wenn in der grüninternen Diskussion Netzwerke beschworen und IntrigantInnen verantwortlich gemacht werden, so greift diese Analyse wohl zu kurz. Man muss wohl zu den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit Schüssel & Co zurückblenden, um das aktuelle Vorgehen zu begreifen. Damals waren es Teile der Wiener Landesgruppe, die durch ihren massiven Protest den fein eingefädelten Deal mit der europaweit geächteten Schüssel–VP letztlich zu Fall brachten. Seitdem ist die Sehnsucht nach Koalitionseinbindung noch gestiegen, ob mit den Konservativen im Bund oder den Sozialdemokraten in Wien, man nimmt's, wie's kommt, die rechnerische Möglichkeit, nicht die inhaltliche Abwägung, ist das entscheidende Kriterium. Je verschwommener das Profil – die vage beschworene "Energiewende" als Wunderwaffe, die RaucherInnen als (am besten auf eine einsame, idealerweise atomar verseuchte Südseeinsel zu verbringende…) Hauptfeinde – desto näher das Ziel. Wären da nicht die unwillkommenen Querdenker, die dem Partei–Mainstream nicht willfährig allezeit folgen, sondern durch eigenständige Überlegungen Unmut erregen und ein schlechtes Beispiel für das in basisdemokratischen Illusionen befangene Parteivolk abgeben. Derlei unbotsame Zeitgenossen (als "Spitze des Eisberges") durch biegsame ParteifunktionärInnen zu ersetzen, soll auch jenen als Warnung dienen, die nur gelegentlich und zaghaft den grünen Engelschor des Postenlobs stören. So verwundert es nicht, dass angepasste parteilinke, wie Martin Margulies und Monika Vana, die Manfred Rakousky seit langem kennen und einzuschätzen wissen, diesem keinerlei Unterstützung im aktuellen Konflikt angedeihen ließen. Sie sind in Deckung gegangen, wissend, dass sie die nächsten sein könnten. Wird rund um die Vorgänge in der kleinen (Bezirks-)Welt, in der die große ihre Probe hält, von Putsch und Säuberung gesprochen, erinnert sich eine/r bei gelöschten Bilder an allseits bekannte historische Vorbilder, folgen empörte Reaktionen aus der grünen Bürokratie. Schließlich werde hier niemand in Lager geschickt, gefoltert oder gar füsiliert (als müsste man sie für derlei Selbstverständlichkeiten noch loben…) – von Kontrollzwang und Linienbegradigung darf aber hoffentlich doch noch gesprochen werden … Gewiss, Geschichte wiederholt sich als Farce und die Pointe dieser Aufführung der Mariahilfer Bezirksbühne (wie auch jener mitten im Achten, wenngleich dort der scheidende Bezirkschef freilich an schwerem Voggenhuber–Syndrom erkrankt scheint, allerdings erstaunlich rasch durch einen aus Niederösterreich importierten verlässlichen Parteifunktionär ersetzt wurde…) ist, wie hier Parteiräson zu gnadenloser Dummheit mutierte, die eine einmalige Chance zunichte macht.

III
Ein Inserat der Kandidatin Jerusalem „Wer politisch mitreden will, stößt in Wien allzu oft auf taube Ohren und wird übergangen“.