ÖGB-Kongress: Die Schein-Reform
Redaktion
"die linke-online" sprach mit Fritz Keller, KIV/UG-Delegierter zum ÖGB-Kongress. Der groß angekündigte "ÖGB-Reformkongress" war eine bürokratische Veranstaltung, die hinter den Kulissen abgesegnete Kompromisse absegnete. Eine gewerkschaftspolitische Diskussion wurde nur von einer Minderheit der Delegierten geführt.
24.04.2007
Fritz Keller, Du hast für die KIV/UG am letzten ÖGB-Kongress teilgenommen. Was war Dein genereller Eindruck?
Eine bürokratische Veranstaltung, die hinter den Kulissen
abgesegnete Kompromisse absegnet. Von vordringlicher Wichtigkeit für
die überwiegende Mehrheit der Anwesenden war die Sanierung der
ÖGB-Finanzen – nicht zuletzt zur Absicherung ihrer Gehälter – und die
Erhaltung ihres jeweiligen Schrebergartens, sprich Fachgewerkschaft.
Ganz deutlich wurde diese Priorität durch den Umstand, dass
VertreterInnen der sozialdemokratischen Fraktion kaum das Wort
ergriffen, sondern fast die ganze Diskussion im Kongress-Plenum von den
DelegiertInnen von KIV/UG bzw. vom Gewerkschaftlichen Linksblock
bestritten wurde. Offenbar wurde den SozialdemokratInnen von den roten
Gewerkschaftsoberen eine Art Schweige-Order erteilt, um durch in der
Diskussion vielleicht aufkommende Kontroversen die mühsam erzielte
Einigkeit nicht zu gefährden.
Trotzdem brach der Konflikt dann auf ….
Ja, durch den GÖD-Vorsitzenden Neugebauer, der es an den drei
Tagen der quasi Neugründung des ÖGB nicht nur nicht für Wert hielt,
persönlich anwesend zu sein, sondern die Versammelten auch keiner
schriftlichen Entschuldigung für würdig erachtete. Ein ähnliches
Zeichen seiner Missachtung hatte er bereits am Gewerkschaftstag der GÖD
gesetzt, indem er dort ebenfalls kaum anwesend war, weil er seine
Präsenz bei den Regierungsverhandlungen für wichtiger erachtete.
Übrigens ein Paradebeispiel, um zu zeigen, wie richtig die uralte
Forderung von KIV/UG ist, Gewerkschaftsfunktionen und Mandate in
parlamentarischen Körperschaften zu trennen.
Aber der ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer hat doch jetzt sein Wiener Gemeinderatsmandat niedergelegt?
Ja, aber im neuen ÖGB-Statut wurde diese Frage nicht generell
geregelt. Es wurde den Fraktionen freigestellt, das Problem intern zu
lösen, was der Willkür Tür und Tor öffnet.
Heißt, dass Neugebauer ÖVP-Abgeordneter bleiben kann?
Ja, genau – wenn seine Fraktion zustimmt.
Neugebauer stimmt jetzt ein Lamento an, wonach er Opfer einer sozialdemokratischen Verschwörung geworden wäre?
Blödsinn. Dass nur 35 Prozent der DelegiertInnen für ihn
gestimmt haben, hat er sich selbst zuzuschreiben. Die Gründe habe ich
schon dargestellt. Im übrigen hat die sozialdemokratische
Frauenvorsitzende Csörgits ein ähnlich katatstrophales Abstimmergebnis
eingefahren. Sie wurde von den DelegiertInnen für ihr Naheverhältnis zu
Verzetnitsch und den Umstand abgestraft, dass sie sich beim
KandidatInnen-Hearing an ihr Gehalt nicht erinnern konnte oder wollte.
Welche Perspektiven ergeben sich aus der von Neugebauer nun verstärkt
vorangetriebenen Teilrechtsfähigkeit der GÖD im Rahmen des ÖGB?
Das Wrestling unter den Fachgewerkschaften um Mitglieder und Einfluss
wird sich noch verstärken: GÖD und GdG werden den restlichen
Fachgewerkschaften den Geldhahn zudrehen, große Fachgewerkschaften
werden versuchen, die kleinen einzugliedern, die
Industriegewerkschaften werden ihre Anläufe wiederholen, die ganze GPA
zu filetieren …
Was bleibt aus dieser Sicht von der Reform?
Die ganze Reform reduziert sich im Grunde auf ein Konzept, das
jeder Unternehmensberater jeder beliebigen Firma angeraten hätte:
Synergie-Effekte nutzen, Service-Charakter hervorstreichen,
kundenfreundlicher agieren, Schein-Mitbestimmung installieren … In der
politischen Substanz hat sich nämlich nichts geändert. Ganz im
Gegenteil, die Sozialpartnerschaft in der 70er-Jahren Version feiert
ihr fröhliches Revival. Aber es waren die Gesetzmäßigkeiten der
Sozialpartnerschaft, die genau diese Karibik-Geschäfte ermöglichten!
Weil Sozialpartnerschaft auf Verschwiegenheit und Deals hinter
verschlossenen Türen basiert, die von den Gremien nur abgenickt werden,
wurden auch die Entscheidungen in den Bankgeschäften auf diese Weise an
den Vertretungen der Mitglieder vorbei gefällt.
11-02-2007, 15:17:00 |