Nach den Besuchen des Papstes und des Dalai Lama: "Knock, knock - who`s there?"
Kurt Hofmann
Hier werden Grundfragen der Religion verhandelt: „Das Schicksal eines Sündenbocks wird schon in der Bibel beschrieben. Dem biblischen Sündenbock wurden die Sünden des Volkes übertragen …“
29.09.2007
Da spricht ein unbeugsamer Antikapitalist: „Dem Geld haftet immer Unrecht an. Ganz sauber ist das nie.“ Nur durch wenige Seiten im bunten Teil der sonntäglichen „Kronen-Zeitung“ voneinander getrennt, findet Gerti Senger in ihrer erotischen Sonntagspredigt ganz selbstverständlich den biblischen Bezug (Lust und Liebe; Kronen-Zeitung, 23.9.07), während der Wiener Kardinal Schönborn seine allwöchentlichen „Gedanken zum Sonntagsevangelium“ der unheilvollen Kraft des Mammon (das liebe Geld – der böse Mammon!; Kronen-Zeitung. 23.9.07) widmet. Brandet da heiliger Zorn über die Geschäfte der Vatikanbank und den umfangreichen Grundbesitz der Katholischen Kirche auf, werden den internationalen Konzernen von der Dichand´schen Kanzel herab die Leviten gelesen? Nicht ganz: „Denn viel Größeres als Geld ist uns zugedacht. Wichtiger als ein volles Konto sind gute Freunde . (…) Der beste Freund ist Gott. (…) Seine Freundschaft ist unbezahlbar.“ (Schönborn ebdt.)
Es ist eine Frage der Abwägung, ob man die regelmäßige Reservierung einer Seite für die sonntägliche Exegese des obersten österreichischen Kirchenfürsten in der „Krone“ oder das Strammstehen der politischen Autoritäten Österreichs vor dem angereisten Pontifex selbst in der Abtreibungsfrage skurriler findet. Wer hier bitter enttäuscht den ausgebliebenen Protest der blassroten Zelebritäten beklagt, hat sich zumindest einen frommen Kinderglauben, jenen in die immerwährende und wetterfeste politische Integrität österreichischer Sozialdemokraten bewahrt.
Wie aber ist der Abtreibungs-Sager des Papstes, den die gleichgeschaltete realsozialistische Presse einst wohl (durchaus korrekt) als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ bezeichnet hätte, zu bewerten? Stehen Innitzer und Seipel vor der Tür, wird gar Kurt Krenn für den neuen Kirchenkampf reaktiviert?
Ist schon die Ausschweifung des Teufels, sei an dieser Stelle doch eine kleine Abschweifung gestattet: Wer weiß, wann die Rolling Stones das letzte Mal mit einer aktuellen Nummer in den Charts vertreten waren? Es muss wohl vor Jahrzehnten gewesen sein, dennoch jubelt ein vorwiegend jugendliches Publikum dem über sechzig Jahre alten Jungspund Mick Jagger beim Bodenturnen zu, das „im Alltag“, auch in Retro-Zeiten, selbstverständlich nicht die Musik ihrer Eltern und Großeltern hört. Aber – „The Legend“: Die Rolling Stones sind längst zu einer Marke wie Coca Cola oder Levis Jeans geworden, welche auch „irgendwie“ für etwas stehen und sich in Geschmack und Passform keineswegs ändern dürfen. Erfolgreiche Produkte erfordern Markenschutz: „Das Wort ‚Papst’ (papa = Vater), ein Ehrentitel, mit dem man seit dem dritten Jahrhundert jeden Bischof bezeichnete, war bis zum Ende des ersten Jahrtausends im Gebrauch. Um den ‚römischen Papst’ von den anderen ‚Päpsten’ zu unterscheiden, nannte man ihn seit dem 5. Jahrhundert mit Vorliebe ‚Papst der Stadt Rom’ oder ‚Papst der ewigen Stadt’ oder ‚Römische Papst’ u.a. Dann aber begann man bald dem ‚Platzhalter Petri’ – übrigens eine erstmals im 5. Jahrhundert geprägte Wendung – das Prädikat Papst ohne jeden näheren Zusatz zuzuerkennen. (…) Aber erst mit Beginn des 2. Jahrtausendes wird der Terminus Papst ein ausschließliches Vorrecht des römischen Bischofs. Gregor VII. nämlich behauptete in seinem Dictatus papae mit pompösen Worten, der Titel papa sei einzigartig und daher nur vom römischen Pontifex zu führen.“ (Karlheinz Deschner / Abermals krähte der Hahn; Hans E. Günther-Verlag, S. 250)
Woran jedoch mangelt es den Moslems und was macht sie daher für „uns“ noch schwerer einschätzbar: „Doch im Islam ist die Kluft zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen noch größer, denn es fehlt ein Papst“ (Wie gefährlich ist der Islam; News 38/07, S. 28)
„Benedetto, Benedetto!“, das klingt akustisch wie „Benneton, Benneton!“ und so wie (zumindest in der Werbedarstellung) Rassismus und Klassenschranken angesichts der „United Colors“ ausgestorben sind (oder zumindest stillhalten), stand die Papsttournee (zumindest in der Selbstdarstellung) vollends im Zeichen des Spirituellen, ein einfacher Wallfahrer am Hirtenstab war gekommen, um vielfache Freude zu bereiten. Dass „Benedetto“ im Aufmerksamkeitswert nicht hinter „Benetton“ zurückbleiben muss, dafür sorgt die Marketingstrategie des Vatikan. Dass der Islam „nicht Gutes gebracht“ habe, dass die Kolonisierten auch heute noch den missionierenden Kolonisatoren dankbar seien, schließlich die Unantastbarkeit des ungeborenen Etwas im Bauch der Frau: Diese „starken Sager“ wirken wie product placements, die Marke bleibt im Gespräch, auch wenn anschließend so manches relativiert wird.
Selbst viele der kircheninternen KritikerInnen waren mit dem Papstbesuch (großteils) zufrieden, erstaunlicherweise diente hier das Unausgesprochene als Hoffnungsträger: „Er“ habe durch Auslassungen Spielraum geschaffen. Worüber nichts gesagt wurde, dazu kann man viel sagen (wenn auf folgenlos). Dass der Papst als feinsinniger Intellektueller einst ein begeisterter Leser von Hesse, Kafka und Thomas Mann war (vgl. Der Falter 35/07, S. 9), auch diese postmortale Vereinnahmung natürlicher Feinde taugt als Signal (diemal an die „Fortschrittlichen“) und dient wohl ebenso als product placement. Kunstsinnig und aufgeschlossen ist auch der Wiener Erzbischof, der sich gerne mit seinem Jugendfreund Peter Turrini zeigt oder im Burgtheater über Shakespeare spricht: „Selten wird laut gesagt, was einlullen soll und manches erfrischt scheinbar, während es uns nur anders eindumpft, mit Angabe zu entrümpeln. Weg von den alten Mären, ganz recht, doch so, dass man nur deren unsinnig gewordenen Spuk von damals abzieht, aber nicht das Weisen und Künden von oben herab.“ (Ernst Bloch/Atheismus im Christentum, S. 42; Suhrkamp Taschenbuch)
Die Propagandareisen des Legenden umwobenen Papstes Johannes Paul II. gelten heute als entscheidende Schlachten für den Sieg im Kalten Krieg. Wenn auch der Feind, der ungläubige Bolschewiki (weitgehend) abhanden gekommen ist, können doch die Sprachmuster gegen die heutigen Feinde, die allzugläubigen terroristisch-islamistischen Schläfer und deren allzuwache Hintermänner, die Wasser predigen und Öl trinken, ohne weiteres recycelt werden. Das Abendland benötigt für seine neuen Kreuzzüge geistige Führer – wer würde sich da besser eignen als der Stellvertreter Gottes auf Erden?
Ein bescheidener, stets fröhlicher Mönch (welcher ebenso wie der Papst mit „Eure Heiligkeit“ anzusprechen ist) sucht die Nähe des Kanzlers und der Kanzlerin, um dabei kein Wässerchen zu trüben. Ein Schelm, dem da Böses schwant: Plump seien die Proteste der Chinesen, die eine Mogelpackung mit brisantem Inhalt vermuten … Auf die geeignete Verpackung aber kommt es an: Wie elegant klingt die Formel vom „intelligenten Design“ (Copyright: Kardinal Schönborn) im Vergleich zu „Am siebenten Tag aber schuf der Herr den Menschen“. Was ist schon dabei, wenn man zum „Runden Tisch“ lädt (allerorten werden schließlich Runde Tische aufgestellt …), bloß, um ein paar Detailfragen in Sachen Abtreibungsregelung (etwa die Forderung nach einer zwingend vorgesehenen „unabhängigen Beratung“, um Frauen unter Druck zu setzen) zu „diskutieren“. Zuhören, statt wegschauen, heißt die Devise, das Thema jedenfalls ist placiert, die Tafelrunde sollte idealerweise so lange tagen, bis allen Hören und Sehen vergangen ist …
Durch das Reden kommen bekanntlich die Leut´ zusammen (und selten ist noch etwas Gutes dabei herausgekommen …), denn hier, im christlichen Abendland herrscht Meinungsfreiheit, während im Morgenland die finstersten Sitten an der Tagesordnung sind. Nur geistige Führung kann uns da noch retten, wenn hierzulande schon „artfremde“ Minarette (Landeshauptmann Pröll) in Planung sind, während in Deutschland ein verantwortungsvoller Kirchenführer darauf hingewiesen hat, dass Kunst ohne Gottesbezug wohl „entartete Kunst“ (Kardinal Meißner) sei …
Dieses Vokabular ist bekannt und wohl auch kein zufälliges Echo. Nichts gelernt in tausend Jahren. Und wieder sind es die Werte, die bedroht sind, wird nach Leitkultur gerufen, während anderswo Gott selbst die Verfassung geschrieben hat … Allerorten erklären geistige Führer, wo die Wege und wo die Irrwege verlaufen. Vor kaum zwei Jahrhunderten hat ein wahrer Europäer (aber kein „Abendländer“) dazu ein deftiges Gedicht verfasst (das wohl nicht genannte Erlösungsangebote miteinschließt und ihm heute gewiss Morddrohungen bescheren würde): „Welcher Recht hat weiß ich nicht-/ Doch es will mich schier bedünken,/ Dass der Rabbi und der Mönch,/ Dass sie alle beide stinken.“ (Heinrich Heine/Disputationen)