die Linke

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Linksprojekt vor dem Anfang schon am Ende. Oder: ist nicht IMMER JETZT?

„ ... die SPÖ ist eine normale bürgerliche Partei. Die SPÖ vertritt nicht mehr die Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist enorm. Es entsteht links von der SPÖ ein enormes politisches Vakuum. Jetzt ist die Stunde um dieses Vakuum auszufüllen und eine neue politische Formation zu gründen. Jetzt ist ein historisches Fenster aufgegangen, eine neue Qualität in der Entwicklung der gesamten Linken in Österreich ist im entstehen. 5 bis 10 Prozent sind drinnen ...“ Das war – auf den Punkt gebracht – die analytische Grundlage für den Start des Linksprojekts im Juli 2008 ...

14.10.2008

... initiiert vor allem von wenigen Einzelkämpfern/ein- bis zwei-Personen-Organisationen, personell getragen vor allem von der Sozialistischen LinksPartei (SLP), der Liga für die sozialistische Revolution (LSR, vormals ArbeiterInnenstandpunkt) und der Kommunistischen Initiative (KI, Abspaltung der KPÖ) – siehe dazu die Debatten auf linke.cc und www.labournetaustria.at, die offizielle Website www.linkewaehlen.at oder www.slp.at.

„Wann, wenn nicht jetzt?“ – so könnte man die Stimmung, die nicht nur in Texten, sondern auch auf den diversen Treffen der InitiatorInnen und Gruppen des Projekts vermittelt wurde, zusammenfassen. JETZT ist die Zeit, wurde da geschrieben und geschrien – man zähle nur die Megafone und Mikrofone auf den textbegleitenden Bildern der Organisationen –, JETZT müsse und könne man angesichts des Vakuums auf der Linken etwas tun (http://www.slp.at/artikel+M5273f8620a5.html). Und neben dieses groß-geschriebene groß-geschrieene JETZT setzten andere ihre Rufzeichen in Hülle und Fülle (http://arbeiterinnenstandpunkt.net/), um wohl die letzten Zweifel vom Tisch zu wischen.

Auf Konferenzen wurde geradezu eine Stimmung des JETZT geschaffen – und das mit Erfolg. Bereits zwei Wochen nach dem ersten Treffen, wenige Tage nach der Festsetzung des Neuwahl-Termins, wurde das Antreten einer linken Liste namens „LINKE-Liste“ – denn neben dem JETZT muss auch die LINKE zur Ausräumung aller Zweifel stets groß geschrieben werden – beschlossen. Die Atmosphäre, in der die Abstimmung gehalten wurde, wurde durch vorbereitete Wortmeldungen, im Wortlaut meist eintönig einfältig und gleichlautend, bald in eine klare Richtung gelenkt: wenn nicht JETZT zu den Wahlen antreten, wann dann? Und was sonst? Und warum dann? Wäre es nicht besser, es JETZT zu probieren als später oder nie – ist angesichts der kritischen Lage, in der sich die Linke hierzulande befindet, nicht alles besser als nichts?
Natürlich wäre es politisch wünschenswert, jetzt eine linke Alternative aufzubauen. Aber gerade der Wahlkampf und das Wahlergebnis haben den SkeptikerInnen recht gegeben. Das JETZT herbeizureden, wenn weder ausreichend AktivistInnen noch WählerInnen angesprochen werden können, wenn die Kandidatur nicht auf eine politisierte Bewegung oder Brüche in der Sozialdemokratie, den Grünen oder den Gewerkschaften aufbauen kann, ist dazu verurteilt vom JETZT ins NICHTS zu führen.

Und wie so oft in der so genannten und selbst ernannten radikalen Linken sehen sich Positionen, die sich gegen sofortige Handlungen und Ad-Hoc-Maßnahmen aussprechen, in der Defensive: hat man denn tatsächlich „einen besseren Vorschlag“, eine „bessere Idee“ bei der Hand? Zögern, Zweifeln und Verschieben scheinen unattraktive Tugenden eines elenden „Menschewismus“, ewig dazu verdammt, historische Zeitfenster und Wendepunkte zu verschlafen. Dem Tatendrang einer Wahlkampagne, den aufgrund seines greifbaren Sofort-Aktionismus stets so etwas wie eine revolutionäre Aura umgibt, ist an „attraktiven Angeboten“ wenig entgegen zu setzen.

Die Geschichte der LINKE-Kandidatur kann wie folgt zusammengefasst werden: der AktivistInnenpool ging ganz offensichtlich nie über die Mitglieder der einzelnen beteiligten Gruppen hinaus; Angesichts der kurzen Dauer, in der die Unterstützungserklärungen für das Antreten in allen Bundesländern gesammelt werde mussten, war man den Großteil des Sommers mit dem Sammeln dieser Erklärungen ausgelastet und überlastet. So war die LINKE weder im öffentlichen Raum (Plakate, Straßenagitation,…) noch sonst (Medien) sichtbar.
Das Wahlergebnis von etwas über 2.000 Stimmen in fünf Bundesländern, in denen man die bürokratische Hürde des Antritts geschafft hatte, bedeute das klägliche Ergebnis von 0,04% der WählerInnenstimmen – ein offensichtliches Scheitern, auch wenn der Einzug in den Nationalrat vermutlich nicht einmal von den AktivistInnen herbeiphantasiert wurde.

Die Bilanzierung des Antretens durch die AktivistInnen des Projekts selbst scheint nun in zwei Richtungen zu gehen: Einige beteiligte Organisationen, allen voran die SLP, verlautbaren in einem Akt verzweifelter Selbstüberzeugung, dass „alles andere als zu kandidieren ein Fehler gewesen wäre“ (http://www.slp.at/artikel+M5f9e57a34b1.html). Die Entscheidung zur Kandidatur, die sei schon richtig gewesen – trotz alledem. Doch warum diese Entscheidung angesichts des tatsächlich unter jeder Erwartung gebliebenen Ergebnisses richtig gewesen sein soll, wird nicht näher begründet, außer mit wie: die verschiedenen Gruppierungen könnten nun an einem Tisch sitzen… Ehrlich: Braucht man dazu eine Wahlkampagne?

Andere, die sich als „revolutionäre Opposition“ innerhalb des Bündnisses verstehen, führen das schlechte Wahlergebnis gar auf das „linksreformistische“ Programm der LINKEN zurück (http://linkewaehlen.at/node/366#comment-251). Ein „revolutionäres“ Programm hätte demgegenüber mehr Aussicht auf Erfolg und Medienecho gehabt – wie das Beispiel der Forderung nach der Enteignung der obersten 10.000 gezeigt habe. Dass eine derartige Meldung nur einmal im Stande ist, ein Medienecho zu erzeugen (was auch der Fall war), scheint man hier nicht glauben zu wollen. Doch wesentlich ist: derartige „Ideen“ zeugen von einem infantilen, bestenfalls pubertären Politikverständnis, das an der Lebensrealität derjenigen, die man erreichen will, vollkommen vorbeigeht.

Beide Varianten sind für uns Bilanzierungen, die nicht ernst zu nehmen sind. Der Wahlantritt war ein Fehler – zwar keine „Katastrophe“ für die Linke im Allgemeinen auf Jahre hinaus (denn das Gedächtnis der Menschen ist bekanntlich kurz, der Wahlantritt morgen schon wieder vergessen), aber doch – offen gesagt – ein sinn- und kopfloser Hyperaktivismus ohne jede Attraktivität.

Warum glauben wir das? Eine derartige Erklärung – die vielleicht auch zeigt, warum sich die SOAL an dem Projekt nicht beteiligt hat, und Positives für ein zukünftiges, anderes „Linksprojekt“ beitragen kann –  liegt jenseits der Stimmungen und Atmosphären. Die großen Fragen betreffen das Politik-Verständnis im Allgemeinen, das den AktivistInnen und Organisationen des Linksprojekts zugrunde liegt, und die Einschätzung der politischen Lage in Österreich, die uns von vermutlich vielen Beteiligten des Projekts unterscheidet.

Von allem Anfang an war die Zusammenarbeit im „Linksprojekt“ begleitet von einer klaren Fokussierung auf einen möglichen Wahlantritt. Man sprach – schon bevor klar war, dass es Neuwahlen geben würde – von 5 bis 10% „Potential“, das eine linke Kandidatur in Österreich hätte. Man einigte sich im Eiltempo auf den Wahlantritt, man war von allem Anfang an ein Wahlbündnis von Organisationen, die bereits des Öfteren selbst bei Wahlen kandidiert hatten. Was ist nun so falsch an einem Wahlantritt? In einem Artikel vom Juni 2008 haben wir unsere Meinung dargelegt, dass ein Wahlantritt ohne gesellschaftliche Bewegungen, wie sie die Anti-Blau-Schwarz-Bewegung, das Sozialforum vor mittlerweile einigen Jahren oder auch die Mayday-Kundgebungen der letzten Jahre waren, und ohne jede feststellbare größere Bewegung in der immer noch sozialdemokratisch dominierten ArbeiterInnenbewegung und unter den linken Teilen der Grünen, einfach keinen Sinn hat (http://dielinke.at/artikel/innenpolitik/linkspartei-in-osterreich-es-fehlt-kein-lafontaine-es-fehlt-eine-bewegung). Ein derartiger Wahlantritt schafft keine Bewegung und kann die fehlende Bewegung nicht ersetzen.

Von mehreren AktivistInnen des Wahlbündnisses LINKE konnte man nun hören, dass ihr Wahlantritt sehr wohl in der Lage sein könnte, enttäuschte Menschen aus SPÖ oder FSG und Grünen anzusprechen und die ersehnte Bewegung zu schaffen oder zumindest anzustoßen. Doch genau das war ganz offensichtlich nicht der Fall und wirkt wie eine voluntaristische „Guerilla-Taktik des Wahlantritts“: wenn die Bewegung nicht da ist, dann kann sie eine kleiner (Wahl-)Fokus schaffen… Gerade das Gegenteil ist wahr: der Wahlantritt selbst, vor allem aber das ernüchternde Wahlergebnis, stößt „potentiell“ interessierte Menschen ab und zieht sie nicht an – heute weniger denn je. Nicht selten liest man von AktivistInnem des Bündnisses (sinngemäß zitiert), dass „das Wahlergebnis selbst völlig belanglos sei, weil schon der Antritt in 5 Bundesländern ein Erfolg ist“. Doch man kann hier nicht so tun, als spielte man das Spiel des Parlamentarismus nur bis zur Wahl – und dann nicht mehr. Wer bei Wahlen antritt, wird einzig und allein am Wahlergebnis gemessen – nicht nur von Seiten der Medien, sondern auch von Seiten der Menschen , die man ansprechen will.

Das Wahlprojekt hatte keine Attraktivität für die angesprochenen Schichten und Milieus samt dahinter liegenden Klassen, weil es – wie wir glauben – ganz einfach nicht auf der Tagesordnung steht, zu kandidieren. Es geht heute ganz einfach nicht um Parteigründungen aus dem nichts, es geht nicht um basislose Wahlbündnisse. Und man wird das Gefühl nicht los, dass es den beteiligten Organisationen selbst nicht einmal darum geht, sondern mehr um den egoistischen Aufbau ihrer eigenen Parteien. Eines ist schon interessant: warum wollen die beteiligten Organisationen (vor allem SLP und LSR/ASt), die in Zeiten der Bewegung (gegen Blau-Schwarz 1999/2000) – wie im Übrigen auch die KPÖ, deren rituelles Antreten bei Wahlen wir in keinster Weise für sinnvoller halten – jede Diskussion über eine gemeinsame Organisierung vehement abgelehnt haben, in bewegungslosen Zeiten den Aufbau einer neuen Organisation? Ist es nicht so, dass all diese Organisationen von einer organisatorischen Zusammenfassung immer nur dann sprechen, wenn sie sie kontrollieren können?

Was also konkret tun, wenn nicht bei Wahlen antreten? Wir wären Propheten, wüssten wir die eine Antwort auf diese schwierige Frage. Unseres Erachtens geht es aber heute darum, im weitesten Sinne formuliert die Sozialdemokratie durch konkrete Kampagnen unter Druck zu setzen – und das erreicht man eben nicht durch Wahlantritte und Parteigründungen. So, wie sich das „Linksprojekt" dargestellt hat und darstellt, hat es keine Attraktivität für Leute in der Sozialdemokratie oder den Gewerkschaften, die mit einem kämpferischen Ansatz liebäugeln. Auch für eine Differenzierung bei den Wiener Grünen, in die viele Linke gegangen sind – wie Leute im Gewerkschaftsmilieu – ist das Linksprojekt kein Ansprechpartner. So, wie die ProtagonistInnen das „Linksprojekt“ vorgeführt haben, kann sich die darniederliegende Linke sicher nicht erholen. So holt man niemanden hinter dem Ofen hervor.

Redaktion dielinke