Grazer Gemeinderatswahl 2008: Sturm von rechts! Denkzettel für links!
Johann Schögler
Ein folgenschweres Wahlergebnis: Eine in die Krise gestürzte SP mit unter 20 %; die KPÖ halbiert; die FPÖ in der Stadtregierung, dem Stadtsenat; und das BZÖ mit 2 Mandaten im Gemeinderat. Die Grünen konnten ihre Sitze verdoppeln. Der Wahl vorangegangen war ein rassistischer Wahlkampf der FP, dem keine der Parteien etwas entgegensetzte. das Ergebnis ist aber auch ein Denkzettel für die Weigerung der KP nach den vorangegangenen Wahlen, mit der SP den Bürgermeister zu stellen.
28.01.2008
Ein folgenschweres Wahlergebnis: Eine in die Krise gestürzte SP mit unter 20 %; die KPÖ halbiert; die FPÖ in der Stadtregierung, dem Stadtsenat; und das BZÖ mit 2 Mandaten im Gemeinderat. Die Grünen konnten ihre Sitze verdoppeln. Wahlsieger ist die ÖVP. Jeder zweite von 198.020 Wahlberechtigten blieb dieser Wahl fern Wahl. Es gab klare Zugewinne auf der Rechten, gepaart mit tief greifenden Verlusten auf der linken und Gewinnen der Grünen: 14,5% (+ 6,2%) bei einem Stimmenzuwachs von 6.000 WählerInnen.
Die Rechte erhielt 53,5%, davon die ÖVP 38,2% (+2,1 %), die FPÖ 11,0%( +3%); BZÖ 4,3% - wobei BZÖ und FPÖ einen Stimmenzuwachs von 7.300 verzeichnen konnten, die ÖVP von +2.880.
Die Linke im weitestern Sinn erhielt: 31%, davon die Sozialdemokratie 19,8% ( -6,1%), die KPÖ 11,2% (-9,6%).
Die Wahlbeteiligung erreichte ihren historischen Tiefststand mit 56,4% (-2,%). Laut OGM Meinungsumfragen war etwa ein Drittel aus „Protest“ der Wahl fern geblieben; ein Drittel gab an, sich nicht für Politik zu interessieren, und das letzte Drittel wollte „persönlich verhindert“ gewesen sein.
Wenn wir nur das erste Drittel der aus Protest fern Gebliebenen heranziehen, so sind dies 30.000 potentielle WählerInnen, für die die bestehenden Parteien mit ihren inhaltsleeren Parolen keine Alternative boten. Die NichtwählerInnen verursachten vor allem den starken Einbruch der SP und die Reduzierung der KP. Die Wahlbeteiligung in den ArbeiterInnenbezirken lag unter 50 %, in den bürgerlichen Wohnbezirken hingegen über 60%.
FP-Aussagen dominierten Abschlussphase im Wahlkampf
Die bewusst provokanten, rassistischen, islamophoben Aussagen der FP-Spitzenkandidatin Susanne Winter haben sowohl die Abschlussphase des Wahlkampfes inhaltlich bestimmt, als auch den Ausgang der Wahl stark beeinflusst. Für die FPÖ selbst brachte dies keinen Stimmenzuwachs. Verglichen mit den Wahlprognosen hätten sie sogar ohne diese Angriffe mehr Stimmen bekommen. Für die Grünen brachte dies jedoch die meisten Zugewinne (sie gewannen ihre Stimmen vor allem in den bürgerlichen Bezirken dazu), wobei die NeuwählerInnen sie zu Fragen der Menschenrechte stärken wollten. Die ÖVP erhielt vom FP/BZÖ-Rand kommend Stimmen, weil der Rechtsausleger Nagl sich zur Bettlerfrage, Immigration, Homosexualität und Türkei-EU-Beitrittsfrage fast wie Haider geäußert hatte.
Keine einzige der Parteien hatte die Aussagen Winters klar verurteilt. keine der Parteien hat eine Medienkampagne versucht, wohl aus opportunistischen Gründen, um ja keine fremdenfeindliche Stimme einzubüßen. Der Einfluss wäre noch offen gewesen, zumal 20% der WählerInnen angaben, erst Tage vor dem Wahltag ihre Entscheidung getroffen zu haben.
Sehr lebhaft hingegen verlief die Abschlusskundgebung der FP am Grazer Hauptplatz am Tag vor der Wahl. Obwohl keine der kandidierenden Parteien zur Gegenkundgebung aufgerufen hatte, standen einander 600 entschiedene FP-GegnerInnen (unter ihnen sehr viele Jugendliche) und 200 bis 300 FP-AnhängerInnen gegenüber. Auf eine sehr gute Selbstdisziplin der GegnerInnen ist es zurückzuführen, dass Winter und Strache ihre Kundgebung mit Müh und Not über die Bühne brachten, allerdings vor einem 2 Stunden ununterbrochen pfeifenden, rufenden, feindlichen Protest-Publikum.
Grazer SP versucht ihre Krise durch Postenrochade zu überdecken
Der kritischere Finanzstadtrat Wolfgang Riedler ersetzt den zurückgetretenen Walter Ferk an der Spitze der Grazer SP. Die SP behielt in einem einzigen Bezirk die Mehrheit (mit 0,9% vor der ÖVP); sie verlor zwischen 3% und 10% in den einzelnen Bezirken. In den ArbeiterInnenbezirken lag die Wahlbeteiligung unter 50%. Vor allem die älteren SP-StammwählerInnen wollten der Partei einen Denkzettel verpassen, der sehr wohl bundesweiten Charakter hat. Eine neoliberale Politik der großen Koalition, in der alle Anliegen der ArbeiterInnen und PensionistInnen auf der Strecke bleiben, regt nicht zum Urnengang an. Diese Niederlage der SP hat eine lokale Seite (Wahlkampfschwächen nicht zuletzt durch Konflikte zwischen Landes-SP und Stadt-SP), jedoch auch eine bundespolitische Ebene.
Die KP verlor zwar in allen Bezirken recht gleichmäßig zwischen 8% und 12%, trotzdem ist es ihr zweitbestes Ergebnis und sollte sich eine Stammwählerschaft um die 10% einpendeln, so wäre dies immer noch 10mal höher als in Wien. In den Bezirken, in denen die KP am meisten verlor, gewannen die FP, das BZÖ und die Grünen am meisten dazu.
Die Stimmenverluste sowohl der KP als auch der SP haben nicht zuletzt damit zu tun, dass die KPÖ in der vergangenen Periode abgelehnt hatte, mit der SP einen (Halbzeit-) Bürgermeister zu stellen. Die Ausgangslage für diese Wahl wäre eine ganz andere gewesen als mit dem Bürgmeisterbonus der Grazer VP. Natürlich gab es unterschiedliche Auffassungen von SP und KP zu Privatisierungen, trotz alledem war es ein taktischer Fehler der KPÖ. Die WählerInnen hatten ihr und der SP eine Regierungsmehrheit verschafft, aus der sie nichts machen konnten/wollten. Warum sollte es diesmal anders sein?
Die ÖVP fuhr (in Prozenten) ihr höchstes Ergebnis, das sie jemals in Graz erreicht hat, ein. Durch die traditionelle Familienpolitik, restriktive Immigration, die Ablehnung der Ehe zwischen Homosexuellen und die Verteidigung des Abendlandes, die„Säuberung der Innenstadt durch ein Bettlerverbot“, surfend auf der durch die FP ausgelösten emotionellen Angstwelle, zog VP-Bürgermeister Siegfried Nagl vor allem viele WechselwählerInnen, die zwischen BZÖ/FP/VP schwanken, an.
Ergebnisse im Detail:
https://egov.stmk.gv.at/wahlen-graz/GRGRAZ08/GRGRAZ08_60101_ges.html