Vor 40 Jahren: Israels Sechs-Tage-Krieg
Der Krieg vom Juni 1967, bei dem die israelische Armee die arabischen Armeen besiegte und die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und in Gaza sowie den ägyptischen Sinai und die syrischen Golanhöhen annektierte, war die Fortsetzung einer Kolonialpolitik, die bereits viel früher begonnen hatte.
09.07.2007
Der Sechs-Tage-Krieg vor 40 Jahren führte zu einer deutlichen Ausweitung des israelischen Machtbereichs in Palästina. Der Krieg vom Juni 1967, bei dem die israelische Armee die arabischen Armeen besiegte und die palästinensischen Gebiete im Westjordanland und in Gaza sowie den ägyptischen Sinai und die syrischen Golanhöhen annektierte, war die Fortsetzung einer Kolonialpolitik, die bereits viel früher begonnen hatte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die palästinensischen Gebiete unter dem britischen Mandat Stück für Stück von den ersten Zionisten, die nach Palästina kamen, kolonisiert. Der Generalstreik der palästinensischen Arbeiter von 1936 wurde genau wie die von Scheich Ezzedin Al-Qassam geführte Bauernbewegung von den Briten und der bewaffneten Siedlerbewegung blutig unterdrückt.
Die Schaffung des Staates Israel 1948 endete mit der Vertreibung von mehr als 800.000 PalästinenserInnen. Vorausgegangen war ein Milizkrieg gegen die arabische Bevölkerung, der zu einer Umsiedlung der Bevölkerung und zu einer ethnischen Säuberung führte. Zwei geografische Zonen aus dem Palästina der Mandatszeit blieben aber außerhalb der Hoheit des israelischen Staates: Das Westjordanland im Osten und der Gazastreifen im Süden, die bis 1967 unter jordanischer bzw. ägyptischer Kontrolle standen.
Am 5. Juni 1967 unternahm Israel einen "Präventivangriff" an drei Fronten auf die arabischen Armeen: im Osten im Westjordanland, im Norden auf die syrischen Golanhöhen und im Süden vom Gazastreifen bis zur Wüste der ägyptischen Sinaihalbinsel. In sechs Tagen wurden die jordanische, ägyptische und die syrische Armee vollständig besiegt. Abgesehen von der Sinaihalbinsel, die nach den Friedensvereinbarungen, die Präsident Sadat 1979 mit Israel schloss, an Ägypten zurückgegeben wurde, sind alle diese damals eroberten Gebiete auch heute noch besetzt. Der Ostteil von Jerusalem ist annektiert.
Seit 1967 betreibt Israel eine aktive Kolonisierungspolitik in Ostjerusalem, dem Westjordanland, dem Gazastreifen und auf den Golanhöhen. Erneut wurden mehrere zehntausend Palästinenser von ihrem Land vertrieben: Das alte jüdische Viertel von Jerusalem, in dem die Palästinenser lebten, wurde am 17. Juni 1967 "gereinigt". Am 22. November 1967 verlangte die UNO-Resolution 242 von Israel, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen.
Der Zionismus erstarkt
Der sogenannte Sechs-Tage-Krieg hat den israelischen Nationalismus gestärkt. War der zionistische Staat zuvor größtenteils von der israelischen Linken geführt worden, die zugleich weltlich wie kolonialistisch war und sich um den Premierminister David Ben Gurion gruppierte, so entwickelte sich die Diskussion in Israel nun immer stärker in eine religiöse und messianische Richtung. Die Klagemauer und die heiligen jüdischen Stätten waren nun in der Hand des israelischen Staates. Die religiöse extreme Rechte spürte jetzt eine tiefe Affinität mit der Linken in der israelischen Arbeitspartei, die ebenfalls vom messianischen Thema eines nach 3000 Jahren wieder gefundenen Großisrael durchdrungen war.
Der ideologische Kolonialismus verstärkte sich: "Seit 1968 sprechen die nichtreligiösen Führer, d.h. die Arbeitspartei, die noch zehn Jahre an der Macht blieb, von den Religiösen als ‘neue Pioniere‘, obwohl diese gestern noch Außenseiter waren. Und in der Tat waren die Religiösen die ersten die, bewaffnet mit Gewehren und den Büchern des Rabbi Kook, das Westjordanland kolonisierten. Den Mitgliedern von Hashomer Hazair und anderen ‘linkszionistischen‘ Bewegungen überließen sie die Aufgabe, die Grenzgebiete zu kolonisieren — den Golan und das Jordantal" (Michael Warschawski).
Die zweite Folge des Kriegs vom Juni 1967 betrifft die arabische Widerstandsbewegung. Insbesondere die nationalistischen arabischen Regime — Nasser in Ägypten und die Baath-Partei in Syrien — waren diskreditiert. Der reaktionäre monarchistische Staat der Haschemiten in Jordanien war es vielleicht noch mehr. Zum zweiten Mal seit 1948 konnten die arabischen Staaten der Annexionspolitik Israels nichts entgegensetzen.
Dies führte unmittelbar zu einer Radikalisierung der arabischen Widerstandsbewegungen und der palästinensischen Befreiungsbewegung nach links. Die ursprünglich nasseristische nationalistische arabische Bewegung (Harakat al-Qawmiyyin al- Arabiyyin) orientierte sich an den existierenden linken Projekten in Kuba und Vietnam. Der palästinensische Zweig der Bewegung gründete 1968 die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die sich sehr schnell dem Marxismus zuwandte. Im Libanon gründeten radikalisierte Nationalisten 1969 die Organisation der kommunistischen Aktion im Libanon (OACL).
Die Linkswende vieler nationalistischer Kader war die unmittelbare Konsequenz der Niederlage der arabischen Regime im Juni 1967. Es ging nun um die Schaffung von bewaffneten revolutionären Brennpunkten in den palästinensischen Flüchtlingslagern, zunächst in Jordanien, dann im Libanon. Ziel war nicht nur die Befreiung Palästinas, sondern darüber hinaus auch der Sturz der reaktionären arabischen Regierungen.
Arabische Radikalisierung
Der Krieg vom Juni 1967 hatte noch eine dritte Konsequenz: die Reform der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und die Entwicklung der Fatah. Ursprünglich war die PLO vor allem von den arabischen Regimen abhängig. 1968 übernahm Yasser Arafat die Führung der Bewegung. Die Fatah, die Kader und Gruppierungen von der marxistischen Linken bis hin zu früheren Muslimbrüdern umfasste, wurde das politische Zentrum des palästinensischen Nationalismus. Auch hier ging es um die Befreiung Palästinas nach dem Modell des Volkskriegs.
Aber im Gegensatz zur nationalistischen Linken der PFLP und der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas (DFLP) war das ideologische Modell nicht der revolutionäre Sozialismus, auch wenn der Begriff der palästinensischen Revolution von der Fatah häufig verwendet wurde. Außerdem war Arafat gegenüber den arabischen Regimen deutlich versöhnlicher gestimmt als die PFLP, obwohl er für eine unabhängige Politik eintrat. Das Projekt eines demokratischen und laizistischen Staates auf dem Gebiet des gesamten Palästina bildete den gemeinsamen Rahmen für alle diese Gruppen.
Vierzig Jahre später bilden das Westjordanland und der Gazastreifen, besetzt und kolonisiert das eine, bombardiert und ökonomisch erstickt der andere, gemäß den Resolutionen der UNO die Basis für einen möglichen Palästinenserstaat. Doch dieser ist ein Trugbild, dessen Verwirklichung von Monat zu Monat in weitere Ferne rückt. Die Kolonisierung entlarvt den Betrug der Vereinbarungen von Oslo, und eine Mauer zerschneidet das Westjordanland in isolierte Minikantone. Israel will keinen palästinensischen Staat und fährt fort mit seinem kolonialen Annexionsprojekt, einem Projekt, das im Rest von Palästina 1948 begonnen hat und auf das Westjordanland und den Südlibanon ausgedehnt wurde. Der palästinensische Widerstand lebt immer noch — in den Gebieten von 1967, in Israel selbst, wo die Palästinenser in einer Situation der Apartheid leben und in den Flüchtlingslagern in Jordanien, Syrien und im Libanon, wo die Menschen das Recht auf Rückkehr fordern. Er zeigt, dass die Palästinenser vor der kolonialen Vergangenheit und Gegenwart nicht resigniert haben.
Nicolas Qualander und Mireille Terrin
Aus: "Rouge" (Paris), 7.6.2007, (Übersetzung: Harald Etzbach)