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Schrei der Ausgeschlossenen

Redaktion

Alternativengipfel EU – Lateinamerika/Karibik: In Wien wird im Mai 2006 im Rahmen der EU-Präsidentschaft Österreichs ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Staaten Lateinamerikas und der Karibik stattfinden.

24.04.2007

Parallel zu diesem offiziellen Gipfel werden soziale Bewegungen, kirchliche Gruppen, Nicht-Regierungsorganisationen, Gewerkschaften und andere AkteurInnen aus Lateinamerika, der Karibik und Europa vom 10. bis 13. Mai 2006 in Wien einen Alternativengipfel abhalten: „Enlazando Alternativas 2“ („Alternativen verknüpfen“).

Während dieser vier Tage des Alternativengipfels werden die Verträge zwischen Lateinamerika/Karibik und der EU analysiert, deren Entwicklungspolitik und die Militarisierung in beiden Kontinenten in Frage gestellt und ein Tribunal der Völker veranstaltet, im Rahmen dessen die Machtmechanismen der europäischen transnationalen Konzerne in Lateinamerika und Europa untersucht werden sollen. „Bei diesem Tribunal sitzen multinationale Konzerne auf der Anklagebank. Mittels Zeugenaussagen von Betroffenen und Fachleuten aus verschiedenen Themenbereichen werden Beweise für Vergehen gegen die Menschen- und Arbeitsrechte, gegen Umwelt und Sozialstandards gesammelt“, erläuterte Carlos Aguilar von der lateinamerikanischen Bewegung „Alianza Social Continental“

Neoliberale „Kooperationen“

Pia Lichtblau von ATTAC verwies darauf, dass die EU in vielen lateinamerikanischen Ländern die wichtigste Investorin ist – im Zuge der neoliberalen Privatisierungspolitik haben zahlreiche europäische Konzerne lateinamerikanische Unternehmen aufgekauft, z.B. die spanische Telefónica oder die Wasserkonzerne Vivendi und Suez. „Darüber hinaus ist die EU auch eine der wichtigsten Handelspartnerinnen der südamerikanischen bzw. der Mercosur-Länder. Der Mercosur wickelt 25% seines Außenhandels mit der EU ab – und nur 19 Prozent mit den USA“, so Lichtblau weiter.
Die Liste der negativen Auswirkungen solcher Freihandelsabkommen ist besonders für Lateinamerika lang: Arbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Zerstörung der Nahversorgung, Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen sind nur einige Beispiele. Der Grund für die Misere liegt aber nicht allein an der EU, sondern auch an der Politik der lateinamerikanischen Regierungen. Die brasilianische Agrarpolitik ist stark exportorientiert und somit stark auf große Agrokonzerne ausgerichtet, die kleinbäuerlichen Betrieben wiederum die Existenzgrundlage rauben. „Angesichts der Tatsache, dass weder ein Kleinbauer in Brasilien, noch eine Biobäuerin in Österreich von derartigen Verträgen profitiert“, betrachtet es Lichtblau als absolut unerlässlich, „den Widerstand gegen diese neoliberale Form der „Kooperation“ gemeinsam zu organisieren – gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppierungen aus Lateinamerika und indem jeder in seiner Region dafür sorgt, dass soziale und ökologische Anliegen wieder vor Konzerninteressen gestellt werden.“

Rechte von ArbeitnehmerInnen

Der Österreichische Gewerkschaftsbund, wiewohl kein Mitveranstalter von „Enlazando Alternativas 2“, beteiligt sich mit mehreren großen Veranstaltungen daran und begrüßt eine verstärkte Diskussion der österreichischen und europäischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik in der Öffentlichkeit und der sogenannten Zivilgesellschaft. Walter Sauer vom internationalen Referat des ÖGB: „Lateinamerika steht offenbar am Beginn des Endes der Herrschaft des ökonomischen Neoliberalismus, der den Kontinent seit drei Jahrzehnten in seine Fesseln geschlagen hat. Für die österreichische Gewerkschaftsbewegung, die in Österreich gegen die neoliberale Verschlechterung der erkämpften Sozial- und Arbeitsstandards kämpft, ist es im Sinne internationaler Solidarität eine Selbstverständlichkeit, jene zu unterstützen und mit jenen zusammenzuarbeiten, die in Lateinamerika für höhere Sozialstandards kämpfen. Der ÖGB fordert die Europäische Union deshalb zu einer solidarischen Außen- und Außenwirtschaftspolitik gegenüber Lateinamerika auf!“
Die Gewerkschaften richten einen Forderungskatalog aber auch an die Regierungen Lateinamerikas: In vielen Länder werden die Gewerkschaftsrechte grob verletzt. Allein in Kolumbien werden jährlich etwa 100 gewerkschaftliche AktivistInnen wegen ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit ermordet. Arbeitsbedingungen sowohl in Betrieben multinationaler Konzerne als auch nationaler Unternehmer/innen sind oft katastrophal – etwa in den Maquiladoras Zentralamerikas. Sauer weiter: „Wir fordern daher gleichzeitig die umfassende Respektierung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte, insbesondere des Rechts auf Organisationsfreiheit, in Lateinamerika.“

Das Programm

In einer Vielzahl von Veranstaltungen (Podiumsdiskussionen, Seminare und Workshops etc.) soll während der vier Tage dokumentiert werden, in welchem Ausmaß die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen von den internationalen Konzernen bestimmt werden. Unabhängige ExpertInnen, VertreterInnen von Umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen, der Kirche und AktivistInnen von sozialen Bewegungen möchten aufzeigen, wie sehr die gegenwärtige Wirtschaftspolitik nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Europa für eine Entwicklung verantwortlich ist, welche zu immer größeren Machtkonzentrationen führt, auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung und der Umwelt. Dabei geht es vor allem auch darum, mögliche Alternativen aufzuzeigen und zu diskutieren.

Die Schwerpunktthemen dabei sind: Neoliberale Ordnung. Wirtschaft und Gesellschaft der neoliberalen Globalisierung – Auswirkungen in Lateinamerika, in der Karibik und in Europa
Politischer Dialog zwischen Europa und Lateinamerika im Zeitalter der Globalisierung
Kooperation für Entwicklung EU-LA 2006
Regionale Integration – Alternative Strategien für eine regionale Entwicklung
Militarisierung und Menschenrechte

Neben den vielen AktivistInnen aus Österreich, Europa und Lateinamerika haben folgende Personen bereits ihr Kommen zugesagt:

Jose Bové, Bauerngewerkschaft „Confédération paysanne“, Frankreich
Susan George, Vizepräsidentin von Attac France
Bischof Alvaro Ramazzini, Guatemala
Gioconda Belli, Schriftstellerin, Nicaragua
Luis Bassegio, Koordinator „Grito continental“ (Schrei der Ausgeschlossenen), Brasilien
Ivo Lesbaupin, Theologe und Soziologe, Brasilien

Alle näheren Informationen sowie Anmeldemöglichkeiten (ab Anfang April) unter www.alternativas.at.

Kontakt:
KoordinatorInnen: Daniela Härtl, Federico Mahrer
Plenergasse 24/7, 1180 Wien
Tel + Fax: +43-1-479 05 56
E-mail: office@alternativas.at

28-03-2006, 17:55:00 |