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Milosevics - ein Internationalist?

Catherine Samary

Catherine Samary über Milosevic‘ Rolle im Balkankrieg - Für die herrschenden Medien war Slobodan Milosevic der "Schlächter des Balkan". Die gegen ihn erhobene Anklage wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kriege in Kroatien, Bosnien und Kosovo zwischen 1991 und 1999 galt als erwiesen, bevor das Urteil gesprochen war, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien konnte sie nur bestätigen und den Hunderttausenden Toten in den ethnischen Säuberungen, als deren großer Drahtzieher er galt, damit Gerechtigkeit widerfahren lassen.

24.04.2007

Für viele, die 1999 gegen den NATO-Krieg auf die Straße gegangen sind, war Slobodan Milosevic im Gegensatz dazu das Opfer der Großmächte. Sie machten ihn zum Sündenbock, weil er sich ihrer Weltordnung und der Auflösung Jugoslawiens widersetzte, die von anderen Nationalisten vorangetrieben worden war: Albanern, Kroaten und bosnischen Muslimen, die zu diesem Zweck von den Großmächten bewaffnet und instrumentalisiert wurden. Eine weltweite Verleumdungskampagne hätte den "Serbo-Kommunismus" verteufelt, um die bewaffnete Intervention der NATO gegen Milosevic-Hitler vorzubereiten — so wie die USA Lügen über Saddam-Hitler verbreitet haben, um den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen.

Die Kampagnen der Großmächte

Zwei Kampagnen waren in der Tat darauf angelegt, den "Serbo-Kommunismus" zu verteufeln:

• Anfang der 90er Jahre die der internationalen Lobby Kroatiens. Sie diente dazu, die Politik Franjo Tudjmans zu verschleiern und reinzuwaschen: Nachdem er den Serben verfassungsmäßige Rechte entzogen hatte, senkte er mit Hilfe ethnischer Massensäuberungen im Windschatten der Massaker von Srebrenica ihren Anteil an der Bevölkerung Kroatiens von 12% auf 5%; durch die Einverleibung eines Teils von Bosnien schuf er ein Großkroatien — bosnische Kroaten bekamen Wahlrecht in Kroatien, Herceg-Bosna und seine Hauptstadt Mostar wurden unter Einsatz der kroatischen Armee von ihrer serbischen, dann auch von der muslimischen Bevölkerung gesäubert.
 Die jüngste Öffnung der kroatischen Archive bestätigt diese Tatsachen, damals schwamm man damit aber gegen den Strom. Mit seiner Entscheidung, nur einen als Aggressor zu bezeichnen, spielte der bosnische Präsident Alija Izetbegovic damals die Karte der westlichen Intervention anstelle des multiethnischen Widerstands und trug somit dazu bei, die realen Verhältnisse vor der Öffentlichkeit zu verschleiern.
• Während des NATO-Kriegs um Kosovo 1999 wurde die zweite große Medienkampagne gestartet, welche die erste fortsetzte und radikalisierte.
 Die in diesem Krieg durch die Chefanklägerin des Internationalen Jugoslawientribunals Louise Arbour erhobene Anklage hat den "politischen" Charakter dieses "Gerichts" als Hilfsmittel der Großmächte unterstrichen, allen voran der USA. Um die "Militärschläge", die anfangs einige Tage dauern sollten, sich dann aber zum Krieg und zur humanitären Katastrophe ausweiteten, präsentierten die Medien einen Flüchtlingstreck von 800000 angeblich vertriebenen Kosovo-Albanern und behaupteten Massengräber mit mehreren zehntausend Toten. Der damalige deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping behauptete einen "Hufeisenplan" der serbischen Regierung zur systematischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo. Louise Arbor meinte, genug Material zu haben, um Milosevic des Völkermords im Kosovo anklagen zu können.
 Der Hufeisenplan erwies sich als Betrug; Untersuchungen vor Ort ergaben eine weitaus geringere Zahl von Toten als sie in die Welt gesetzt worden war — und dies obwohl sie unter NATO-Protektorat durchgeführt wurden. Der Oberste Gerichtshof in Pristina (Kosovo) musste am 6.September 2001 seine Untersuchungen über die angeblichen Massengräber mit der Feststellung abschließen, im Kosovo habe es in der Zeit "keinen Völkermord gegeben".
 Um die "Anklage" gegen Milosevic zu untermauern, wurden zwei weitere Punkte hinzugefügt, die weiter zurückliegende Ereignisse betrafen. Chefanklägerin Carla del Ponte verband sie zu einer einzigen "unteilbaren" Akte, weshalb der Prozess sich in die Länge zog. Del Ponte wollte beweisen, dass Milosevic in den 90er Jahren der Haupturheber des Projekts Großserbien war — die Erweiterung Serbiens um Teile von Kroatien, Bosnien und den Kosovo, und dass er schuld am Völkermord in Bosnien, vor allem an den Massakern in Srebrenica 1995 war.

Milosevics Verantwortung

Milosevic fiel es nicht schwer zu beweisen, dass er niemals ein kohärentes großserbisches Projekt verfolgt hat — dafür ist Vojislav Seselj, sein Verbündeter auf der extremen Rechten, in den Zeugenstand getreten! Die nationalistische Opposition hat Milosevic vorgeworfen, durch den Verzicht auf den Anschluss der von ihnen ausgerufenen Republiken an Serbien die kroatischen und bosnischen Serben geopfert zu haben! Auf der Ebene handelte sich Carla del Ponte eine Niederlage nach der anderen ein.
 Was den Kosovo betrifft, lief die Verteidigung Milosevics auf das Argument hinaus, die USA hätten sich in ihrem Verbündeten geirrt: von Kosovo bis Bosnien seien Bin Laden und der Terrorismus am Werk gewesen. Belgrads Repressalien gegen die UÇK seien legitim gewesen...
 Milosevic entlehnte dem serbischen Nationalismus nicht ein Projekt der ethnischen Säuberung, sondern der Unterwerfung des Kosovo. Die Entscheidung der UÇK (Kosovo-Befreiungsarmee), sich auf eine Internationalisierung des Konflikts einzulassen, kam den geostrategischen Zielen der USA entgegen, die die Rolle und Präsenz der NATO auf dem Balkan und in Europa überhaupt ausweiten wollten. Dies hat sich die serbische Delegation in Rambouillet geweigert zu unterschreiben. Der derzeitige Staatspräsident Vojislav Kostunica lehnte das damals ebenso ab wie Milosevic oder Seselj — ohne das wäre er im Dezember 2000 nicht zum Nachfolger von Milosevic gewählt worden. Diese Weigerung reicht aber nicht aus, um als fortschrittlich gelten zu können.

 1992 ging Milosevic zum großserbischen Projekt Vojislav Seseljs auf Distanz. Das macht aber zwei Tatsachen nicht ungeschehen:
• Das Bündnis mit Seselj hat dessen Milizen im Kosovo, in Kroatien und Bosnien freie Hand für ihre Greueltaten verschafft. Und als er mit ihm gebrochen hatte, trug Milosevic keine Sorge, sie zu entwaffnen, zu verbieten und vor Gericht zu stellen; in gleicher Weise stützte er sich auf eine paramilitärische Polizei und auf die marodierenden Söldnertruppen Arkans.
• Der partielle Bruch mit der extremen Rechten mündete in die Unterstützung der internationalen "Friedenspläne" für Bosnien und Kroatien, die die ethnischen Säuberungen nachvollzogen — zumal das Abkommen von Dayton.
 Wenn Milosevic also auf die reale Angst und Bedrohung der kroatischen und bosnischen Serben verweisen konnte, teilte er mit Franjo Tudjman doch den gemeinsamen Ausgangspunkt: die ethnischen Teilung Bosniens. Diese gemeinsame Grundlinie zieht sich vom Treffen der beiden Staatschefs 1991 bis zum Abkommen von Dayton durch. Mit den vertriebenen kroatischen Serben sollte der Kosovo neu bevölkert werden — auf Kosten der Albaner.
 Ein Internationalist?









06-04-2006, 18:16:00 |Catherine Samary