Kernfusion: Radioaktivität in neuem Gewand
Joe
Die Propagandisten der Atomtechnologie erhoffen nicht nur eine „Rückkehr des Atomzeitalters“ in Form von AKWs, sondern träumen auch von der der Kernfusion, die nach dem „Vorbild“ der Wasserstoffbombe, nur eben „gezähmt“, Energie erzeugen soll.
24.04.2007
Die Propagandisten der Atomtechnologie erhoffen nicht nur eine
„Rückkehr des Atomzeitalters“ in Form von AKWs, sondern träumen auch
von der Technologie der Kernfusion, die nach dem „Vorbild“ der
Wasserstoffbombe, nur eben „gezähmt“, Energie erzeugen soll. Das wäre
extrem kostspielig, in verschiedene Weise gefährlich und keineswegs
„sauber“.
Der Preisanstieg bei nicht erneuerbaren Energieträgern und die
steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Klimaerwärmung)
ermöglichen den Befürwortern der Kernfusion neue Medienpräsenz.
Kernfusion ist jedoch keine umwelt- und menschenverträgliche
Technologie! Für informierte Menschen sollte diese Variante der
Atomkraft (die schon die Anti-AKW-Bewegung der 1970er Jahre kritisiert
und abgelehnt hat) unbrauchbar sein.
Forschungsgelder im Umfang von 10 Milliarden Euro (heutige Annahme)
werden für die nächsten 10 Jahre in den Versuchsreaktor ITER
(International Thermonuclear Experimental Reactor; Selbstdarstellung:
http://www.iter.org) fließen, der in Cadarache, einem
AKW-Entwicklungszentrum in Südostfrankreich, gebaut wird. 10
Milliarden, die für die Entwicklung sozial- und umweltverträglicher
Energie-Technologien fehlen.
Medial werden Erfolgserwartungen ausgestreut (zum Beispiel Ziel 2017:
im Experiment mehr Energie freizusetzen als in die Kernreaktion
hineingesteckt wird). Dies ist Zweckoptimismus, der den Weg zu den
Forschungsmilliarden ebnen soll. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten
blieben die angekündigten Erfolge aus. Schon 1978, dem Jahr der
AKW-Volksabstimmung, wurde verkündet, dass man 1985 im Laboratorium in
einer kontrollierten Kernfusion mehr Energie freisetzen können werde,
als an Energie zur Erreichung der Fusionsbedingungen in die Reaktion
hineingepumpt werden muss. Gleichfalls 1978 wurde die technische
Beherrschbarkeit der Kernfusion für die 1990er Jahre prognostiziert.
Dieses ungewisse Datum ist vorerst einmal auf 2060 vertagt…
Was ist Kernfusion?
Bei der Kernfusion geht es darum, die Atomkerne von schwerem
Wasserstoff (Deuterium) und überschwerem Wasserstoff (Tritium) –
Tritium ist radioaktiv – miteinander zu verschmelzen. Die dabei als
Neutronenstrahlung frei werdende Energie wird aufgefangen. In der
Wasserstoffbombe geschieht diese Energiefreisetzung explosionsartig. In
der Sonne läuft ein ähnlicher Fusionsprozess von Atomkernen ab.
Es ist ungeheuer schwierig, eine Kernfusion kontrolliert ablaufen zu
lassen. Zum Starten und Weiterführen der Reaktion muss unvorstellbar
viel Energie gezielt zugeführt werden (um die starke gegenseitige
Abstoßung der Atomkerne zu überwinden). Nach Meinung vieler Fachleute
ist der Prozess technisch gar nicht machbar – ganz zu schweigen von
„wirtschaftlicher“ Nutzung.
Um Kernfusion technisch möglich zu machen, müssen nämlich die
Ausgangsstoffe im Vakuum auf mehr als 100 Millionen Grad erhitzt
werden. Als „Reaktionsgefäß“ kommt nur der Einschluss durch ein extrem
starkes Magnetfeld mit riesigen supraleitenden Magneten in Frage. Von
alldem ist man auch nach 50 Jahren Fusionsforschung weit entfernt. Fest
steht jedenfalls: Es sind (in Reaktoren von 10 Meter Durchmesser und
mehr) gebündelt auf kleinstem Raum sehr große Mengen an Energie
einzubringen, um die erforderlichen Fusionsbedingungen herstellen und
aufrecht zu halten.
Gefahren und Nachteile der Kernfusion
Der – vielleicht machbaren Energieerzeugung – aus Kernfusion stünden
hohe Gesundheits- und Umweltgefahren und soziale Kosten gegenüber:
* Radioaktives Ausgangsprodukt: Für die Kernfusion wird eine
radioaktive Form des Wasserstoffs, Tritium, benötigt. Dieser
gesundheits- und umweltgefährdende Stoff muss erzeugt, verarbeitet und
gelagert werden. Gelangt radioaktiver Wasserstoff in die Umwelt – was
auf Dauer zumindest in geringen Mengen unvermeidbar ist – wird er, wie
normaler Wasserstoff, in Wasser sowie in organische Stoffe eingebaut.
Über die pflanzliche und tierische Nahrung, über Trinkwasser und
Luftfeuchtigkeit würde das Tritium die radioaktive Belastung im
Menschen erhöhen.
* Atommüll in großen Mengen: Die mit Kernfusion – wenn überhaupt –
gewinnbare Energie wird in Form von Neutronenstrahlung freigesetzt.
Neutronenstrahlung macht alle Materialien, die sie trifft, radioaktiv
(„Neutronenaktivierung“) und mit der Zeit brüchig. Die inneren Bauteile
eines Fusionsreaktors müssten (in Mengen von vielen tausend Tonnen)
regelmäßig ausgewechselt und als Atommüll entsorgt werden. Dass dieser
radioaktive Schrott „nur“ einige tausend Jahre lang strahlt, und nicht
einige zehntausend Jahre wie der Plutonium-haltige Abfall „normaler“
AKWs, macht die Kernfusion auch nicht attraktiv.
* Große Einheiten: Die Chancen, dass man aus einem Kernfusionsreaktor
– wenn überhaupt – mehr Energie herausbekommt als in die
Fusionsreaktion hineingepumpt wurde, steigen, soviel man bis jetzt
weiß, mit der Größe des Reaktors. Sollte Fusionsenergie jemals
„wirtschaftlich“ erzeugt werden können, so ist dies nur in sehr großen
Kraftwerksblöcken denkbar. Neben einem Fusionskraftwerk würde das AKW
Zwentendorf mickrig erscheinen.
Entsprechend starke und zahlreiche Hochspannungsleitungen wären für die
Verteilung des zentralisiert erzeugten Stroms nötig. Das System großer
Blöcke erfordert außerdem große Ersatzblöcke, die für einen Ausfall zur
Verfügung stehen müssen.
* Bewachung und Absicherung: Mit dem Grad seiner Zentralisierung wird das System auch angreifbarer und störungsanfälliger.
* Keine billige Energie: Behauptungen, mit der Fusionsenergie werde
eine billige Energiequelle zugänglich, müssen ins Reich unrealistischer
Wunschvorstellungen verwiesen werden. Selbst Schätzungen, die der
Kernfusion freundlich gesinnt sind, kommen auf Stromerzeugungskosten,
die zumindest (!) gleich hoch sind wie die Kosten für „herkömmlichen“
Atomstrom. Sonnenenergie schneidet jedenfalls wesentlich besser ab als
die propagandistisch als „Nachbildung der Sonne“ beworbene Kernfusion.
* Versteckte Atombomben-Erzeugung: Die starke Neutronenstrahlung im
Fusionsreaktor macht es möglich, „nebenbei“ und versteckt, spaltbares
Material (z.B. Plutonium aus minderwertigem Uran) zu erzeugen, das für
den Bau von Atombomben verwendet werden kann.
* Forschung an der Wasserstoffbombe: Die Forschung am Fusionsreaktor
dreht sich unter anderem um die Zündung der Fusionsreaktion. Diese
Frage ist aber auch für die Zündung von Wasserstoffbomben höchst
interessant. Bisherige Wasserstoffbomben werden nämlich durch
eingebaute kleine Atombomben, deren Herstellung aufwändig ist,
gezündet. Gelingt die Zündung der „friedlichen“ Kernfusion (z.B. mit
Laser), könnte dies die Herstellung von Wasserstoffbomben vereinfachen
und „verbessern“.
30-07-2006, 12:22:00 |Joe