Enlazando Alternativas
Redaktion
Resolutionen vom Alternativengipfel "Lateinamerika/Karibik und EU" in Wien Drei Resolutionen: + Schlusserklärung „Enlazando Alternativas 2“ + Schlusserklärung des Tribunals + Feministische Intervention zur Schlusserklärung von Enlazando Alternativas 2
24.04.2007
Schlusserklärung „Enlazando Alternativas 2“
10.-13. Mai 2006
Die Sozialbewegungen sagen "Nein" zum Freihandel zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika
Wir – Frauen und Männer aus sozialen und politischen Bewegungen und
Organisationen aus Lateinamerika und der Karibik sowie aus Europa -
haben uns zwischen dem 10. und dem 13. Mai 2006 in Wien versammelt, um
unsere Opposition und unseren Widerstand gegen die neoliberale Politik
des Freihandels auszudrücken, die Regierungen beider Regionen in
unseren Ländern durchsetzen und die sie als Rahmen für ein neues
Partnerschaftsabkommen vorschlagen. Wir lehnen den Versuch der
Europäischen Union, bis 2010 in beiden Kontinenten eine Freihandelszone
zu errichten, ab, ebenso deren Bestreben, die bereits bestehenden
Abkommen mit Mexiko und Chile zu vertiefen sowie ähnliche Verträge mit
dem Mercosur und Zentralamerika und der Andenregion abzuschließen. Wir
haben uns auch versammelt, um den Aufbau eines politischen und sozialen
Dialogs zwischen den Völkern voranzutreiben; wir fordern unser Recht
ein, Alternativen vorzulegen, und wir vertrauen in unsere Fähigkeit,
diese auszuarbeiten.
In Lateinamerika und der Karibik wächst der Widerstand gegen die
aggressive und ausplündernde Politik der Großmacht im Norden, zu der
sich heute noch der Widerstand gegen die Versuche der Europäischen
Union, uns eine neoliberale Politik aufzuzwingen, gesellt hat. Es
wächst aber auch der Widerstand der europäischen Bevölkerungen
gegenüber der neoliberalen Politik ihrer eigenen Regierungen und
besonders der EU-Institutionen, die die geschichtlich gewachsenen
Systeme des sozialen Schutzes, die ein Merkmal dieser Region
darstellten, abbauen wollen. Wir treiben die Globalisierung eines
breiten sozialen Widerstandes all jener Menschen voran, die von ihrer
Position der Ausgrenzung, der Arbeitslosigkeit, der Marginalisierung
oder der direkten Unterdrückung sich zusammenschließen, um diesen
Prozess zu stoppen und um eine andere Welt aufzubauen.
Die besorgniserregenden Entwicklungen, die uns schon in Rio und Madrid
zusammengeführt haben und die schließlich im Mai 2004 in Guadalajara,
Mexiko, den Ursprung der sozialen Treffen "Enlazando Alternativas -
Alternativen verknüpfen" bildeten, bestehen sowohl in Lateinamerika als
auch in Europa weiter.
Die Erfahrungen, die wir in zehn Jahren Nordamerikanischer
Freihandelszone (NAFTA) und in sechs Jahren der "Partnerschaft" mit der
Europäischen Union gesammelt haben, sind deutlich genug, um unsere
politische Positionierung gegen den Freihandel zu begründen, der auf
der Intransparenz und der Ungleichheit in den Beziehungen zwischen
reichen und armen Akteuren beruht.
Ein Beispiel dafür sind die Prozesse der Desindustrialisierung und des
Abbaus der öffentlichen Dienstleistungen , die Lateinamerika in eine
Situation chronischer Armut und sozialen Ausschlusses gebracht haben.
In Europa manifestiert sich dieselbe neoliberale Welle in der
Bolkenstein-Richtlinie, in der Ideologie der Europäischen Verfassung,
im Druck auf eine Senkung der Arbeitsstandards, der Krise des
Sozialstaates, der Bedrohung der Agrarproduzenten und -produzentinnen
und der Ernährungssouveränität sowie der Schaffung eines feindseligen
Klimas mit steigender sozialer Desintegration, Fremdenfeindlichkeit,
Gender-Gewalt, städtischer Gewalt und anderen Symptomen: sichtbare
Ergebnisse einer globalen Krise, in die uns diese Jahre des Washington
Consensus geführt haben.
Wir stellen die Rolle der Transnationalen Unternehmen Europas in
Lateinamerika in Frage. Sie sind bei weitem kein Faktor der Entwicklung
und des sozialen Friedens, sondern haben massive Konflikte
hervorgerufen, besonders was den Zugang zu den öffentlichen
Dienstleistungen betrifft (etwa Wasser, Strom, Telefon). Sie fördern
die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die Zerstörung der
Umwelt. Die negativen Auswirkungen dieses Modells werden noch verstärkt
durch die Einführung der Freihandelsabkommen und großer
Infrastrukturprojekte wie der Integrationsinitiative der Regionalen
Infrastruktur Südamerikas (IIRSA) und dem Plan Puebla Panamá (PPP).
Hinsichtlich Wasser, diesem Gemeingut der Menschheit, haben die
Privatisierungsprozesse bei den öffentlichen Dienstleistungen in
verschiedenen Ländern und Regionen Lateinamerikas den europäischen
Unternehmen eine große Gelegenheit zur Profitsteigerung gegeben und
gleichzeitig die Entscheidungsgewalt der Bevölkerungen über ihre Länder
und ihr Leben ausgehöhlt. Wir wagen es zu behaupten, dass diese
Unternehmen ihre Gewinne auf Kosten der Gesundheit, der
Verschlechterung der Lebensqualität und der Verarmung breiter
Bevölkerungsteile maximiert haben.
Die europäischen Erdölkonzerne haben seit Jahrzehnten die fossilen
Brennstoffe Lateinamerikas ausgebeutet und dabei Menschen,
Gemeinschaften und die Umwelt zerstört. Die Beziehungen zwischen
Lateinamerika und der Europäischen Union sollten hingegen auf dem
Respekt vor der Souveränität der lateinamerikanischen Länder aufbauen,
auf dem Respekt vor den Ressourcen und vor dem Prozess der
Renationalisierung der fossilen Brennstoffe, der in der Region begonnen
hat.
Der Zugang zu Land ist ein grundlegendes Menschenrecht, genauso wie die
Verteidigung des gemeinschaftlichen Landeigentums der kleinbäuerlichen,
der indigenen und der afroamerikanischen Bevölkerung, die heute von den
Programmen der individuellen Landverteilung der internationalen
Organisationen bedroht sind. Wir sprechen uns für eine wirkliche
Agrarreform aus und wiederholen nachdrücklich, dass die natürlichen
Ressourcen und das traditionelle Wissen sowie die Biodiversität
Bestandteil des Gemeinguts der Völker sind, also Güter, die nicht
kommerzialisiert werden können. Wir sind gegen gentechnisch veränderte
Pflanzungen und gegen das Agroexport-Modell, das zur Vertreibung ganzer
Gemeinschaften und zum Ruin kleinbäuerlicher Ökonomien führt.
Die Europäische Investitionsbank zeigt ein wachsendes Interesse an der
Finanzierung von Investitionen in Lateinamerika, deren Auswirkungen
die Vorteile, die die Finanzhilfe dieser Bank den Bevölkerungen des
Kontinents gebracht haben mag, wieder zunichte macht.
In diesem Szenarium neoliberaler Strategien, die von den europäischen
Regierungen gefördert und von den europäischen Unternehmen umgesetzt
werden, findet der Gipfel der Staatschefs von Lateinamerika und der
Karibik sowie von der Europäischen Union statt, der eine Agenda voller
leerer Versprechen wiederholt, die die wahren Absichten, nämlich die
Beschleunigung des Abschlusses von biregionalen Freihandelsabkommen,
verdecken sollen. Gleichzeitig setzt die Europäische Union ihren
Erweiterungsprozess fort, der vor allem auf einer neoliberalen
Orientierung aufbaut, die zwangsläufig in ihrem Inneren zu neuen und
tieferen Krisen führen wird.
Was die Möglichkeit eines Assoziierungsabkommens zwischen den beiden
Regionen betrifft, so darf sich dieses, um gerecht und für unsere
Bevölkerungen von Vorteil zu sein, nicht im Rahmen eines
Freihandelsabkommens bewegen. Wir wollen keinen "Freihandel" zwischen
Europa und Lateinamerika. Wir wollen Handelsbeziehungen zwischen beiden
Regionen, die zur Wohlfahrt unserer Bevölkerungen beitragen, die
Souveränität unserer Länder begünstigen und unsere Umwelt nicht
zerstören. Wir sind gegen einen Freihandel, der im Dienste der
Interessen der europäischen Konzerne und der lateinamerikanischen
Export-Eliten steht.
Wir betrachten den politischen Dialog und die Zusammenarbeit, die uns
angetragen wird, als inhaltsleer. In dem Zustand, in dem sich Europa
befindet, sind die europäischen Regierungen nicht besonders dazu
geeignet, von sozialer Kohäsion zu sprechen. Um von politischem Dialog
zu sprechen, müssen die Bedingungen einer echten Teilnahme der sozialen
Bewegungen gegeben sein, der sich nicht auf die Ebene von
Konsultationen beschränken darf. Die Zusammenarbeit muss ein Instrument
zum Nutzen unserer Bevölkerungen sein und nicht, wie gegenwärtig, ein
aggressives, auf einer rein merkantilen Rhetorik aufbauendes
Instrument, das die Ausbeutung und die Kontrolle unserer Länder,
Ressourcen und öffentlichen Güter begünstigt.
Die Sitzungen des Permanenten Tribunals der Völker über die neoliberale
Politik und die europäischen Konzerne in Lateinamerika haben die
systematische Natur des Verhaltens dieser Unternehmen offengelegt, ihre
Verbindungen mit einer Gesetzgebung, die diese Politik fördert, und den
Rückhalt von internationalen Institutionen wie der
Welthandelsorganisation, der Weltbank und dem Internationalen
Währungsfonds zum Wohle ihrer Profite. Die dabei vorherrschende Logik
führt zur Entmündigung und zur Verletzung der Rechte der
KonsumentInnen, der Werktätigen und der Bevölkerung im allgemeinen. Wir
erachten es daher von größter Wichtigkeit, einen biregionalen Raum der
Beobachtung und der Anklage der Transnationalen Unternehmen zu
schaffen, um ihrer Willkür, die sich aus ihrer weltweiten Macht ergibt,
ein Ende zu setzen.
Die Sicherheit in der Welt nach der Zeit des Kalten Krieges wird nicht
durch die rhetorische Gegenüberstellung einer unipolaren versus einer
multipolaren Welt garantiert. Diese verbirgt ein perverses Spiel, das
die implizite Zustimmung zu einer kriegerischen Politik mit der äußeren
Zurückweisung dieser Politik kombiniert. Diese unipolare Praxis hat in
der ganzen Welt Tausende von Opfern gefordert, und der illegale Krieg
im Irak und die unmittelbare Möglichkeit eines noch umfassenderen
Kriegs gegen den Iran haben das Scheitern der eigenen
Friedensversprechen vor Augen geführt. Lateinamerika kann die von der
Europäischen Union in ihren Abkommen gegenwärtige neokoloniale Politik
mit ihrem geopolitischen Kalkül, in dem unsere Länder keine Rolle
spielen, nicht tolerieren.
Wir treten für ein multilaterales Wirtschaftssystem ein, das die
Kapitalflüsse reguliert, die Komplementarität unserer Ökonomien
fördert, das klare und gerechte Regeln der Handelsbeziehungen
definiert, das die wirtschaftliche Kluft zwischen dem Süden und dem
Norden schließen hilft. Stattdessen wird diese Kluft durch die ständig
wachsende Auslandsverschuldung noch erweitert. Wir sprechen also von
einem multilateralen System, das offensichtlich anders ist als jenes
der Welthandelsorganisation WTO.
Es macht uns Sorgen, dass die Vertiefung der gegenwärtigen ökonomischen
Ungleichheiten und der Verlust von Arbeitsplätzen auf der einen Seite
zu einer verstärkten Migrationsbewegung und auf der anderen,
europäischen Seite zu einer steigenden Abschottung führt. Das sind
Szenarien, die – gefördert noch durch die Terrorismus-Paranoia einiger
europäischer Regierungen – zum gesellschaftlichen Verfall und zur
Gewalt, zur Kriminalisierung der MigrantInnen und gleichzeitig zum
Verlust der gesellschaftlichen Solidarität hinführen. Wir fordern den
Respekt vor den MigrantInnen und die sofortige Anerkennung ihrer
bürgerlichen, sozialen und politischen Rechte sowie die Schließung
aller Anhaltelager.
Wir fordern die Respektierung der wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Menschenrechte sowie die Respektierung der Identität und
der Rechte der indigenen Völker, ebenso das Recht der Frauen und der
Jugend auf soziale Integration, das in unseren Gegenden so oft mit
Zustimmung der Regierungen verletzt wird. Wir sprechen uns für eine
Justiz aus, die gegen die Straflosigkeit bei Vergehen gegen die
menschlichen Grundrechte auftritt.
Wir verurteilen den Ethnozid und die Militarisierung der Territorien
indigener und afroamerikanischer Völker und Gemeinschaften und fordern
die Anerkennung ihres Rechts auf Selbstbestimmung, denn nur der Respekt
vor ihrer Autonomie und ihren Kulturen gewährleistet, dass der Planet
in Zukunft aus seinen Schätzen, deren Hüter sie sind, Nutzen ziehen
kann.
Weiters treten wir für eine Entmilitarisierung der Drogenbekämpfung
ein, die vielfach als eine Ausrede verwendet wird, um Volksbewegungen
zu unterdrücken, sowie für eine Legalisierung des Konsums des
Koka-Blattes und seiner Derivate für den häuslichen Gebrauch.
Wir klagen an und wir verurteilen die Position der Europäischen Union
im Falle von Kuba, die sich in den Dienst der aggressiven Politik der
Vereinigten Staaten stellt. Wir verurteilen extraterritoriale Gesetze
wie das Helms-urton-Gesetz und fordern die Anerkennung und die
Respektierung des Rechtes auf eine freie Entscheidung des kubanischen
Volkes beim Aufbau ihres eigenen politischen, ökonomischen und sozialen
Modells.
Wir sprechen uns gegen die Privatisierung der Kommunikation und
Information und vielmehr für deren Demokratisierung aus. Wir benötigen
eigene und solidarische Medien, die zum weiteren Aufbau der
Zivilgesellschaft beitragen und die Vielfalt und den Pluralismus der
Medienlandschaft garantieren. In diesem Sinn begrüßen wir die Gründung
und Konsolidierung von Telesur.
Wir sprechen uns weiters für ein Ende des Gewalt-Mandats der UNO in
Haiti aus, das nur zu einer verstärkten Militarisierung der Region
statt zu ihrer Entwicklung beiträgt. Für Kolumbien fordern wir eine
politische Lösung des bewaffneten internen Konflikts und einen Frieden
mit sozialer Gerechtigkeit. Wir verurteilen die Straflosigkeit und die
jüngsten Rechtsnormen zur Demobilisierung der Paramilitärs, die die
Straflosigkeit zusätzlich begünstigen, wie etwa das zu Unrecht so
genannte „Gesetz für Gerechtigkeit und Frieden“. Wir fordern von der
kolumbianischen Regierung die Erfüllung der Empfehlungen der Vereinten
Nationen und die Respektierung der Rechte der Opfer auf Wahrheit,
Gerechtigkeit und Entschädigung.
Wir fordern und wir arbeiten für den Frieden, die Entmilitarisierung
der internationalen Beziehungen, die Entwaffnung, die Auflösung der
Militärbasen und die Rückkehr der Sicherheitskräfte in ihre
Ursprungsländer. Wir weisen die Militarisierung und den
militärisch-industriellen Komplex, die den Neoliberalismus aufrecht
erhalten, zurück.
Wir als soziale Bewegungen von Lateinamerika, der Karibik und der
Europäischen Union möchten noch einmal nachdrücklich unseren Willen
betonen, bei allen gemeinsamen Kämpfen gegen die Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes, für eine würdige und qualitätsvolle Beschäftigung, für
die bürgerliche Kontrolle der Transnationalen Unternehmen, gegen die
neoliberale Politik der Regierungen, für die Verteidigung und
Vertiefung der sozialen Errungenschaften, für die Renationalisierung
unserer natürlichen Ressourcen und Reserven und der gegenwärtig
privatisierten öffentlichen Dienste die Zusammenarbeit, die
Koordinierung und die Solidarität zu verstärken.
Gegenüber der von der neoliberalen Politik angewandten Praxis
manifestieren sich in Lateinamerika heute konkrete Beispiele des
Willens zu Beziehungen, die auf der Integration und der Ausarbeitung
von Alternativen beruhen. Es öffnet sich eine neue Etappe souveräner
Initiativen, die sich auf der Basis von Zusammenarbeit und Solidarität
entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die Bolivarische
Integrations-Initiative ALBA mit ihrer Idee der Handelsabkommen der
Völker, die vor allem von den Regierungen von Kuba und Venezuela
vorangetragen wird und der sich kürzlich auch die Regierung von
Bolivien angeschlossen hat. Die sozialen Bewegungen von Lateinamerika,
der Karibik und Europa betrachten mit Anerkennung diese Bemühungen und
verpflichten sich - unter Beibehaltung der Unabhängigkeit und Identität
als Volksbewegungen - , eine positive Entwicklung dieser Initiativen zu
unterstützen. Wir setzen auch unser Vertrauen in die Entwicklung eines
echten politischen Dialogs mit diesen Regierungen, der einen offenen
und konsequenten Austausch fördert.
Dieser neue Schwung drückt sich in einer starken Aktivität und
Mobilisierung der sozialen Bewegungen Europas und Lateinamerikas aus
sowie im Entstehen transformatorische Regierungen wie der von
Venezuela und von Evo Morales in Bolivien und anderer Regierungen, die
sich in Lateinamerika von der Politik des Freihandels distanzieren. Wir
vertrauen darauf, dass dies zu einer Verstärkung jener Tendenzen
beiträgt, die die gegenwärtige neoliberale Politik beenden und den Weg
zu einem neuen Integrationsprozess von unten gehen wollen.
Der größte Erfolg von „Enlazando Alternativas 2“ ist es, den
Gleichklang und Zusammenhalt unserer Analysen und unserer Handlungen
gegen die neoliberale Politik und die sie unterstützenden Regierungen
offenkundig gemacht zu haben. Wir, Frauen und Männer der sozialen
Bewegungen und Organisationen aus Europa, Lateinamerika und der Karibik
verpflichten uns, weiterhin initiativ daran zu arbeiten, um gemeinsam
die Bedingungen für eine gerechtere und solidarischere Welt zu schaffen.
- Wir sagen Nein zu den Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Lateinamerika und der Karibik. Nein zum europäischen "ALCA" und zur Schaffung von militärischen und Sicherheits-Klauseln zur Verteidigung der Interessen des Kapitals.
- Nein zur Vertiefung der Freihandelsabkommen mit Mexiko und Chile und der Ausarbeitung von Freihandelsabkommen mit Zentralamerika, der Andenregion und dem Mercosur.
- Ja zur Streichung der Auslandsschuld der Staaten von Lateinamerika und der Karibik gegenüber den Ländern der Europäischen Union und zur Anerkennung der angehäuften historischen Schuld. Wir sind nichts schuldig, wir zahlen nichts! Wir sind keine Schuldner, wir sind Gläubiger!
- Nein zur europäischen Verfassung, zur Bolkenstein-Richtlinie und zur Privatisierung der öffentlichen Dienste in der Europäischen Union.
- Ja zur Verstärkung der Einheit und des biregionalen Zusammenhalts der sozialen Bewegungen beider Kontinente auf dem Weg zu einer anderen möglichen Welt, einer gerechten, ausgleichenden, antipatriarchalen und friedlichen Welt.
Schlusserklärung des Tribunals
Permanentes Tribunal der Völker
Erklärung der Jury des Tribunals über „Die Transnationalen Konzerne der Europäischen Union: Macht der Konzerne und Straflosigkeit in Europa und in Lateinamerika“
Wien, 10.-12. Mai 2006
1] Allgemeine Grundlagen
Die Aufforderung eine Sitzung der PPT über die Rolle von transnationalen Konzernen der Europäischen Union abzuhalten, wurde dem PPT am 2. Februar 2006 offiziell übermittelt. Es waren eine Reihe von inoffiziellen Kontakten vorangegangen, ie es im Statut des Tribnl niedergelegt ist. Es sollte die immer dominanter werdende Rolle der europäischen TNCs in entscheidenden Bereichen untersucht werden. Dazu gehören: Dienstleistungen, Infrastruktur, Energie, Petroleum Wasser, Finanzsystem, Telekommunikation etc. Die TNCs sind so dominant, dass politische Souveränität, Entwicklungspolitische Perspektive, wirtschaftspolitische Alternativen und die weitere Demokratisierung verschlossen werden. Wegen der verwickelten und daher schwierigen Konstellation hat das Netzwerk der Organisationen, die „enlaando alternativas 2“ tragen nicht gefordert, zu einem formellen Urteil zu gelangen, sondern die Vilefalt von Klagen zu hören, die aus vielen lateinamerikanischen Ländern, von vielen Bevölkerungsgruppen in bezug auf viele Bereiche von Leben und Arbeit gegen die Transnationalen Konzerne der EU vorgebracht werden.Daher ist die Abschluérklärung des Tribunals kein formelles Urteil, sondern eine Erklärung über die Rolle der europäischen TNCs in Lateinamerika. Das PPT akzeotierte die Aufforderung nicht zuletzt, weil sie besonders wichtig für die weitere Arbeit des PPT sein kann. Dafür waren drei Gründe maßgebend.
- Das Spektrum von Akteuren, die Bewegungen, die am Enlazando Alternativas teilnehmen, sind die wichtigsten Träger des Kampfes für das Recht der Völker. Das ist die Basis des PPT, die in der Erklärung von Algier von 1976 gelegt worden ist.
- Die Aufforderung zur Sitzung zielt nicht auf ein Urteil oder eine Verurteilung, sondern auf eine rigorose, tiefschürfende Untersuchung des nicht auszuschließenden Fehlverhaltens und der Verletzungen fundamentaler Menschenrechte durch TNCs unter der Mitwirkung der EU.
- Die Themen der Aufforderung sind eine bedeutsame Gelegenheit, um die Forschung im Rahmen des PPT in den Bereichen von ökonomischen Interesen und Konflikten un in Fragen der Menschenrechte zu stärken. Dies ist eine schon seit langem verfolge Linie. In diesem Kontext sind bereits eine Reihe von Tribunalen durchgefpührt worden, z.B.
Wir haben haben Berichte über Fälle gehört, in die viele TNCs verwickelt sind, und zwar aus Österreich, Finnland, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Nioederlanden, Spanien und dem Nicht-EU-Mitglied Norwegen. Die Berichte haben sehr klar erkennen lassen, wie sehr europäische TNCs die Menschenrechte, Arbeitsrechte missachten, die natürliche Umwelt manchmal irreversibel schädigen und wie sehr sie die sozialen Bedingungen in lokalen Gemeinschaften nachgerade zerstören.
Wir haben besonders aufmerksam die Berichte verfolgt, in denen die Mittäterschaft europäischer Regierungen zu Gunsten „ihrer“ TNCs angeprangert worden ist. Darüber hinaus haben wir erfahren, wie sehr internationalen Institutionen, wie Weltbank, IWF, Interamerikanische Entwicklungsbank oder WTO den Wegh für die TNCs ebnen.
Wir haben uns über Fälle informieren lassen, wie die Privatisierungsmaßnahmen zu Gunsten der großen Konzerne, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Ölförderung und deren Folen, die Ausdehnung der Monokulturen zur Zellulose- oder Sojeproduktion, die Liberalisierung der Finnzdienstleistungen.
2] Das Verfahren
Die Anhörungen haben in drei Sitzungen von jeweils etwa 4 Stunden stattgefunden, denen eine Eröffnungssitzung vorausgegangen ist. Grundlage der Anhörungen war ein detailliertes Dossier über die präsentierten Fälle. Die mündlich erläuterten Fälle wurden durch Nachfragen seitesn der Jury zu klären versucht. Die in der Sitzung präsentierten Fälle betrafen die oben erwähnten Bereiche von der Wasserversorgung bis zur Biodiversität. Die Dokumente stehen zur Nachprüfung im Internet zur Verfügung.
3 Die Stellungnahme des Tribunals
In einer ersten Stellungnahme ist es möglich, einige allen Fällen gemeinsame Probleme zu identifizieren, die für die weitere Arbeit des PPT bedeutsam sind.
- Die Gefährdung des Rechts des Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Wenn Wasser durch Privatisierung in eine Ware verwandelt wird, ist es kein Gemeingut mehr, das allen Menschen zur Verfügung steht. Die Preis- und Verteilungspolitik der TNCs, die von den internationalen Finanz- und Entwicklungsinstituionen zumeist unterstützt wird, enteignet die ärmere Bevölkerung eines fundamentalen Menschnerechtes. Was für Wasser gesagt wurfde, gilt in ähnlicher Weise auch für die Energieversorgung.
- Die Bedrohung des Rechts auf Land und Boden infolge der Expansion von Monokulturen (vor allem Soja und Eukalyptus für die Zelluloseproduktion). Dabei wird den Kleinbauern Land genommen und folglich die Existenzgrundlage entzogen.
- Die Unterminierung des Rechts auf Ernährungssicherheit und –souveränität durch die industriell betriebene Landwirtschaft und die Produktion für den Export, zusammen mit der Privatisierung der Biodiversität durch große Konzerne (unter Anwendung des Patentrechts für genetische Ressourcen). Die internationalen Handelsregimes erlauben den TNCs die Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den Rechten der Menschen.
- Angriff auf Arbeitsrechte. Der Druck ijn Richtung möglichst hoher Renditen, die Notwendigkeit, möglichst billig für den Weltmarkt zu produzieren, die Schwäche der Gewerkschaften, auch in Lateinamerika, die Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes unterminieren die Einhaltungder Kernarbeitsnormen der ILO. Darüber hinaus nutzen die TNCs Unterauftragnehmer, um die Arbeitskosten weiter zu senken, weil dort die Arbeitsverhältnisse prekär sind. Daher wä chst der informelle Sektor, der inzwischen wesentlicher größer als der Sektor formeller Beschäftigung ist.
- Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung. Transnationale Konzerne aus der Eu missachten Landrechte der indigenen Bevölkerung, häufig in Kollusion mit den nationalen Regierungen. Sie verletzen damit die kulturelle Identität und fundamentale Rechte. Sie suchen keine Partizipation, verlassen sich auf die Ausüpbung ihrer ökonomischen Macht.
- Missachtung von Umweltrechten. Europäische TNCs sind rücksichtslos in fragilen Ökosystemen, in den Zentren der Biodiversität, unter Berücksichtigung der Bedeutung der Erhaltung der tropischen Wälder für eine Stabiloisierung des Weltklimas. Ihnen geht es nur um kurzfristigen ökonomischen Profit. Die Vergiftung der Gewässer, die Zerstörung von Ökosystemen durch Infrastruktur sind unvermeidlich. Die Ausbeutung der natürlichen Ressourcenn, z.B. von Öl und Gas hat weitreichende ökologische Folgen, auf lokaler Ebene ebenso wie im globalen Raum.
- Auch die bürgerlichen und politischen Rechte sind bedroht. Infolge der Mitwirkung und der Kooperation von lokalen und nationalen Regierungen haben die TNCs aus der Eu fast freie Hand. Es gibt den Widerstand von Volksbewegungen, aber er wird sehr häufig polizeilich niedergeschlagen, diffamiert und kriminalisiert.
Die Verantwortung für alle diese Fälle sind nicht auf die TNCs der Eu zu begrenzen. Sie betrifft auch die Regierungen und die Kommission, die die Standards erlassen haben, die es den TNCs erlauben, so zu agieren wie sie es tun. Der Skandal aber besteht darin, dass die TNCs niedrigere Standards in Lateinamerika einhalten müssen als in der EU. In den Verhandekungen mit Lateinamerika wird die Linie der Liberalisierung der Märkte, insbesondere der Finanzmärkte, verfolgt und damit der Unterstützung der TNCs. Wirtschaftsliche Unterstützung ist häufig konditioniert, damit die Kriterien der EU eingehalten werden. Gleichzeitig hat die EU eine Reihe von Präferenzabkommen geschlossen mit Ländern, in denen Menschenrechte oder die Kernarbeitsnormen nicht eingehalzten werden.
Die dem PPT vorgelegten Fälle zeigen allesamt, wie sehr bindende Regeln für TNCs fehlen. So lange diese Regeln nicht existieren werden Klagen, wie die auf dieser Sitzung gehörten und untersuchten immer wieder erneut aufgeworfen werden.
Daher schlußfolgert das Tribunal, dass die Komplexität und Bedeutsamkeit der Anklagen und die ihnen zugrund liegenden Bedrohungen von Rechten weitere Untersuchungen erforderlich machen. Das Ziel ist, auf internationaler Ebene Rechtsinstrumente zu schaffen, die es möglich machen, TNCs wirksam und verantwortlich zu machen für jede Verletzung von Rechten, die sie begehen.
Feministische Intervention zur Schlusserklärung von Enlazando Alternativas 2
Treffen der sozialen Bewegungen aus Lateinamerika, Karibik und Europa
Wien, 10.-13-Mai 2006
Frauenbewegungen und ihre Organisationen sind ein essentieller Bestandteil sozialer Bewegungen.
Dennoch waren sie in diesem Alternativgipfel „Enlazando Alternativas 2“, Wien im Mai 2006, nicht ausreichend sichtbar und repräsentiert. Dies widerspiegelt das System struktureller Gewalt gegen Frauen. Einmal mehr wurde die Bedeutung des Beitrags von Frauenbewegungen für die
politische Entwicklung sozialer Bewegungen in Lateinamerika, in der Karibik und in Europa - in seiner Größe-– nicht wahrgenommen.
Neoliberalismus ist nicht nur der gewaltvollste Ausdruck des Kapitalismus, sondern auch des patriarchalen Systems.
Sowohl die Erfahrung von Frauen mit patriarchaler Gewalt als auch die vielfältigen Formen des Widerstandes der Frauenbewegungen und ihrer Basisorganisationen müssen in Diskussionenüber die NEUE WELT Raum haben, der ihre wahre Dimension reflektiert.
Alternativen können nur sich nur entwickeln, wenn sie die ungerechten Verhältnisse zwischen den Geschlechtern berücksichtigen und thematisieren.
Die Frauen des Workshops „Intervenciones Feministas – Feministische Interventionen“ des Alternativgipfels „Enlazando Alternativas 2“ fordern, dass
- unsere Freunde und Kollegen in den sozialen Bewegungen die Forderungen der Frauen-bewegungen kennen, vertiefen und praktizieren
- in künftigen Treffen, Foren etc. Frauenorganisationen 50% der Podien und Diskussions-runden einnehmen. Dem nicht zu entsprechen hieße, die aktuellen Machtverhältnisse auch hier zu reproduzieren
- die Menschenrechte für Frauen als fundamentaler Bestandteil jeder Art von Kooperation zwischen Lateinamerika, der Karibik und Europa anerkannt werden. Dies bedeutet, dass alle Handelsabkommen auf Gendergerechtigkeit überprüft werden müssen• Migrantinnen als fundamentaler Bestandteil von Frauen- und anderen sozialen Bewe-gungen Lateinamerikas, der Karibik und Europas anerkannt werden. Dass ihre Rechte v.a. von den Frauenbewegungen und den sozialen Bewegungen anerkannt werden und ihre Forderungen aufgenommen werden.
- die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Prinzip der „Ermächtigung von Frauen“ basieren muss und auf der grundsätzlichen Anerkennung der gesamten Arbeitskraft der Frauen, inklusive der reproduktiven Arbeitsleistung von Frauen
während des Alternativen Gipfels „Enlazando Alternativas 2“. Er wurde am 13. Mai als feministische Intervention nach der Schlusserklärung verlesen.
07-06-2006, 10:39:00 |