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Die ethnische Säuberung Palästinas von 1948

Ilan Pappé

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem der ersten Kapitel eines neuen Buches. Er betont die systematischen Vorbereitungen, die die Grundlage legten für die Vertreibung von mehr als 750 000 Palästinensern aus dem Teil, der 1948 Israel wurde. Während hier der Kontext, die diplomatischen und politischen Entwicklungen dieser Periode nur skizziert werden, liegt hier die besondere Betonung auf dem „Dorf-Akte“-Projekt (1940 – 47), in dem systematisch Karten und Informationen über jedes arabisches Dorf sorgfältig zusammengetragen wurde. Dies geschah von weniger als einem Dutzend Männer, die von Ben Gurion angeleitet wurden. Danach wurde eine Reihe militärischer Pläne ausgearbeitet, von denen der Plan Dalet der bekannteste war und nach dem der Krieg von 1948 ausgefochten wurde. Der Artikel endet mit einem Statement des Autors: Es ist das Ziel seines Buches und die Grundlage seiner wissenschaftlichen Forschung, das Paradigma des Krieges durch das der ethnischen Säuberung zu ersetzen. Es geht ihm auch um die öffentliche Debatte über 1948.

24.06.2008

An einem kalten Mittwochnachmittag, am 10. März 1948 arbeitete eine Gruppe von elf Männern, erfahrenen zionistischen Führern, mit jungen jüdischen Offizieren an den letzten Punkten eines Planes zur ethnischen Säuberung Palästinas. Noch am selben Abend gingen Militärbefehle zu den Militäreinheiten vor Ort, um die systematische Vertreibung der Palästinenser aus weiten Gebieten des Landes vorzubereiten. Die Befehle kamen mit detaillierten Beschreibungen der anzuwendenden Methoden für die zwangsweise Vertreibung des Volkes: umfassende Einschüchterung; Belagerung und Bombardierung der Dörfer und der Bevölkerungszentren; Häuser, Hab und Gut in Brand setzen; Vertreibung der Bewohner, Zerstörung der Häuser und schließlich Minen in die Ruinen legen, um die Rückkehr der Bewohner zu verhindern. Jede Einheit bekam eine eigene Liste von Dörfern oder Stadtteilen, die sie sich nach dem Gesamtplan vornehmen sollte. Der Deckname war Plan Dalet. Es war die vierte und letzte Version ungenauerer Pläne, die sich mit dem Schicksal der einheimischen Bevölkerung Palästinas befassen sollte. Die vorausgegangenen drei Pläne drückten sich noch sehr unklar darüber aus, was die zionistische Führung mit der Präsenz so vieler PalästinenserInnen in dem Land beabsichtigte, das die jüdische Nationalbewegung für sich selbst wünschte. Dieser vierte und letzte Entwurf drückte sehr klar und eindeutig aus: die PalästinenserInnen haben zu verschwinden.
Der Plan, der sich mit den ländlichen und städtischen Gebieten Palästinas befasste, war die unvermeidliche Folge der zionistisch ideologischen Kampagne nach einer exklusiv jüdischen Präsenz in Palästina und eine Antwort auf Entwicklungen vor Ort, die der britischen Entscheidung im Februar 1947 folgte, das Mandat über das Land abzugeben und das Problem der UN zurückzugeben. Zusammenstöße mit lokaler palästinensischer Miliz, besonders nach der UN-Teilung im November 1947, lieferte den perfekten Kontext und Vorwand, die ideologische Vision eines ethnisch gesäuberten Palästinas zu erfüllen.
Nachdem der Plan abgeschlossen war, dauerte es noch sechs Monate, um diese Mission zu erfüllen. Als sie beendet war, war mehr als die Hälfte der Bevölkerung Palästinas, mehr als 750 000 Menschen, entwurzelt, 531 Dörfer waren zerstört und elf städtische Bereiche von ihren Bewohnern „befreit“. Der Plan, über den am 10. März 1948 entschieden wurde und der dann systematisch in den folgenden Monaten ausgeführt wurde, ist ein klarer Fall dessen, was man heute ethnische Säuberungsoperation nennt.
Definition von ethnischer Säuberung
Ethnische Säuberung wird heute durch das Völkerrecht als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert; und die dies ausführen, sind Subjekte einer richterlichen Entscheidung: ein internationales Sondertribunal wurde in Den Haag errichtet, um die zu verfolgen, die wegen ethnischer Säuberung im früheren Jugoslawien  angeklagt sind. Ein ähnlicher Gerichtshof wurde in Arusha, Tansania, errichtet, um sich mit dem Fall Ruanda zu befassen. Die Wurzeln ethnischer Säuberung sind alt und wurde sicherlich schon in biblischen Zeiten bis heute praktiziert, einschließlich auf dem Höhepunkt der Kolonialisierung und während des 2. Weltkrieges durch die Nazis und ihre Verbündeten. Aber es waren besonders die Ereignisse im früheren Jugoslawien, die veranlassten, diese Erscheinung zu definieren. Dies dient weiterhin als Prototyp der ethnischen Säuberung. So z. B. definierte das US-Außenministerium im Sonderbericht über ethnische Säuberung in Kosovo den Terminus als „die systematische und zwangsweise Entfernung von Mitgliedern einer ethnischen Gruppe aus ihren Gemeinden, um die ethnische Zusammensetzung einer bestimmten Region zu verändern. Der Bericht dokumentiert zahlreiche Fälle, einschließlich der Entvölkerung innerhalb von 24 Stunden in der westlichen Kosovar-Stadt Pec im Frühling 1999, was nur dadurch erreicht werden kann, dass dies im voraus genau geplant worden war und eine systematische Exekution folgte. Ein im August 1992 für das Komitee für ausländische Beziehungen des US-Senats vorbereiteter Kongress-Bericht beschrieb den Prozess des Bevölkerungstransfers: er zielte dahin, die nicht-serbische Bevölkerung aus großen Gebieten von Bosnien-Herzogewina zu entfernen“. Sie bemerkt, dass die Kampagne ihr Ziel im Wesentlichen erreicht hat: eine exklusiv serbisch bewohnte Region – erreicht durch die zwangsweise Vertreibung der muslimischen Bevölkerung, die die überwältigende Mehrheit dort war. Nach diesem Bericht sind die beiden Hauptelemente der ethnischen Säuberung „1. die willkürliche Anwendung von Artilleriebeschuss und das Schießen durch Scharfschützen auf die zivile Bevölkerung in den großen Städten“ und „2. die zwangsweise Entfernung der zivilen Bevölkerung, verbunden mit der systematischen Zerstörung der Häuser, das Plündern des privaten Eigentums, Zusammenschlagen, selektives und willkürliches Töten und Massaker.“ Ähnliche Beschreibungen werden in dem UNHCR-Bericht von 1993 gefunden, der nach der UN-Sicherheitsratsresolution vom April 1993 zusammengestellt wurde, die die Verurteilung aller Verletzungen des Völkerrechts bestätigte, insbesondere die Praxis der „ethnischen Säuberung“. Indem er den Wunsch eines Staates zeigt, eine einzig ethnische Herrschaft über ein gemischtes Gebiet auszuüben, die zu Akten von Vertreibung und Gewalt führen, beschreibt der Bericht den sich entwickelnden Prozess der ethnischen Säuberung, wo Männer von den Frauen getrennt und dann verhaftet werden, wo Widerstand zu Massakern führt und Dörfer in die Luft gesprengt und die verbleibenden Häuser danach mit einer anderen ethnischen Gruppe neu bevölkert werden.
Zusätzlich zu den US und der UN haben auch Akademiker das frühere Jugoslawien als Ausgangspunkt für ihre Studien über dieses Phänomen genommen. Drazen Petrovic hat eines der umfassendsten Studien über ethnische Säuberung veröffentlicht, die er folgendermaßen beschreibt: eine klar definierte Politik einer besonderen Personengruppe, die systematisch eine andere Gruppe aus einem bestimmten Gebiet auf Grund der religiösen, ethnischen oder nationalen Herkunft vernichten will. Solch eine Politik ist mit Gewalt und militärischen Operationen verbunden. Petrovic verbindet ethnische Säuberung mit Nationalismus, mit der Schaffung neuer Nationalstaaten und nationalem Kampf. Er stellt auch die enge Verbindung zwischen Politikern und der Armee bei der Durchführung des Verbrechens dar: die politische Führung gibt den Auftrag zur Ausführung der ethnischen Säuberung an das Militär weiter und obgleich sie es nicht mit systematischen Plänen ausrüstet oder explizite Instruktionen liefert, besteht kein Zweifel am gemeinsamen Ziel.
Diese Beschreibungen spiegeln fast genau das wieder, was in Palästina 1948 geschehen ist. Der Plan Dalet stellt einen wirklichen „Spielplan“ für die Methoden der ethnischen Säuberung dar, wie sie in den verschiedenen Berichten über Jugoslawien beschrieben wurden und den Hintergrund für die Massaker bilden, die die Vertreibungen begleiteten. Tatsächlich scheint es mir, als ob wir nie von den Ereignissen im früheren Jugoslawien der 1990er Jahre gehört hätten. Wir waren uns nur des Falles Palästina bewusst. Man sollte mir vergeben, wenn mir der Gedanke kommt, dass die Nakba die Eingebung der obigen Beschreibung und Definitionen fast bis ins letzte Detail war.
Doch wenn man auf Israels Enteignungen der Palästinenser von 1948 kommt, gibt es eine tiefe Kluft zwischen der Realität und der Darstellung. Es ist sehr verwirrend und schwierig zu verstehen, wie Ereignisse aus unserer Zeit und von vielen ausländischen Reportern und UN-Beobachtern als Zeugen miterlebt, so systematisch geleugnet und nicht als historische Tatsache anerkannt werden können, geschweige denn als Verbrechen anerkannt werden, mit denen man sich politisch und moralisch aus einander setzen sollte. Nichtsdestoweniger ist die ethnische Säuberung von 1948 zweifellos das prägendste Ereignis Palästinas in der modernen Geschichte gewesen, das fast völlig aus dem globalen Gedächtnis verschwunden und aus dem Weltgewissen gelöscht wurde.
Die Vorbereitung
Selbst wenn bis zu einem gewissen Grad die israelische Verantwortung für das Verschwinden der Hälfte der arabischen Bevölkerung anerkannt wird (die offizielle Regierungsversion weist weiterhin jede Verantwortung zurück und besteht darauf, dass die lokale Bevölkerung freiwillig das Land verlassen hat) ist die Standarderklärung für ihre Flucht, dass sie eine unglückliche, aber unvermeidliche Nebenfolge des Krieges war. Aber was in Palästina geschah, war unter keinen Umständen eine unbeabsichtigte Folge, ein zufälliges Geschehen oder gar ein „Wunder“, wie es Israels erster Präsident Chaim Weitzmann später behauptete. Es war die Folge einer langen und peinlich genauen Planung.
Das Potential für eine zukünftige jüdische Übernahme des Landes und die Vertreibung der einheimischen palästinensischen Bevölkerung ist in den Schriften der Gründungsväter des Zionismus von Anfang an gegenwärtig gewesen – wie Wissenschaftler später entdeckten. Es war aber erst in den späten 30ern – 20 Jahre nach der Balfour-Erklärung von 1917 durch die britische Regierung (ein Versprechen, Palästina in eine nationale Heimstätte für die Juden zu verwandeln – ein Pfand, das in Großbritanniens Mandat über Palästina 1923 mit eingeschlossen wurde.), dass die zionistischen Führer damit begannen, ihre abstrakte Vision einer jüdischen Exklusivität in konkretere Pläne zu übersetzen. Neue Möglichkeiten wurden 1937 erschlossen, als die britisch-königliche Peel-Kommission, die Teilung des Landes in zwei Staaten empfahl. Obwohl das für den jüdischen Staat bestimmte Gebiet zu klein für die zionistischen Ambitionen ausfiel, antwortete die Führung positiv, da ihr die Bedeutung einer offiziellen Anerkennung des Prinzips eines jüdischen Staates wenigstens in einem Teil Palästinas bewusst war. Einige Jahre später – 1942 – wurde eine maximalistische Strategie übernommen, als der zionistische Führer David Ben Gurion bei einem Treffen im Biltmore-Hotel in New York Forderungen nach einem jüdischen Reich im ganzen Mandatsgebiet Palästinas auf den Tisch legte. So änderte sich der von der zion. Bewegung begehrliche geographische Raum je nach Umständen und Möglichkeiten, aber das Hauptziel blieb dasselbe: in Palästina einen rein jüdischen Staat zu schaffen , eine sichere Zufluchtstätte für Juden und als Wiege für einen neuen jüdischen Nationalismus. Und dieser Staat sollte nicht nur in seiner soziopolitischen Struktur, sondern auch in seiner ethnischen Zusammensetzung ausschließlich jüdisch sein.
Dass den Spitzenführern die Auswirkungen der Exklusivität vollkommen bewusst war, wurde bei ihren internen Debatten, aus ihren Tagebüchern und aus ihrer privaten Korrespondenz deutlich. Ben Gurion schrieb 1937 z.B. in einem Brief an seinen Sohn: „Die Araber werden gehen müssen, aber man benötigt einen passenden Moment, wie z.B. einen Krieg, um dies geschehen zu lassen. Ben Gurion hatte – nicht wie die meisten seiner Kollegen in der zionistischen Führung, die im Stillen hofften, dass sie durch den Kauf von Land hier und ein paar Häuser dort, ihr Ziel vor Ort erreichen zu können – längst begriffen, dass dies nicht genug sein wird. Er erkannte früh, dass der jüdische Staat nur mit Gewalt gewonnen werden konnte, dass es aber notwendig war, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, bis der geeignete Moment gekommen war, um sich mit der demographischen Realität vor Ort zu befassen, mit der Präsenz der nicht-jüdischen einheimischen Mehrheit.
Die zionistische, von Ben Gurion angeführte Bewegung, verschwendete keine Zeit, um sich für die Möglichkeit vorzubereiten, das Land mit Gewalt zu nehmen, wenn es auf diplomatischem Wege nicht möglich ist. Diese Vorbereitungen schlossen den Aufbau einer effizienten militärischen Organisation ein und die Suche nach größeren finanziellen Ressourcen (wofür sie die jüdische Diaspora erschlossen). Auf verschiedene Weise war auch die Schaffung eines embryonalen diplomatischen Corps ein integraler Teil derselben allgemeinen Vorbereitungen, die dahin zielten, mit Gewalt einen Staat in Palästina zu schaffen.
Die hauptsächlich paramilitärische Organisation der jüdischen Gemeinschaft in Palästina war 1920 aufgebaut worden, vor allem um jüdische Siedlungen zu verteidigen, die zwischen palästinensischen Dörfern aufgebaut worden waren. Sympathisierende britische Offiziere jedoch halfen mit, sie in eine richtige Armee zu verwandeln, die schließlich in der Lage war, die Pläne des zionistischen Militärs, die Übernahme Palästinas und die ethnische Säuberung der einheimischen Bevölkerung zu erfüllen. Es war vor allem ein Offizier Orde Wingate, der für diese Veränderung verantwortlich war. Er war es, der den zionistischen Führern voll bewusst machte, dass die Idee eines jüdischen Staates mit Militarismus und einer Armee eng verbunden sein muss, nicht nur um die wachsende Zahl von jüdischen Siedlungen innerhalb Palästinas zu schützen, sondern auch – was auch noch entscheidender war – weil Akte bewaffneter Angriffe eine wirksame Abschreckung gegen möglichen Widerstand der lokalen Palästinenser war. 1936 mit Palästina beauftragt, gelang es Wingate, auch während des arabischen Aufstandes (1936–39) Haganah-Truppen den britischen Truppen anzugliedern. Auf diese Weise praktizierten sie Angriffstaktiken, die er ihnen in ländlichen Gebieten beigebracht hatte, und lernten auch auf wirksamere Weise, wie „Strafmaßnahmen“ gegenüber einem arabischen Dorf aussehen sollten. Die Haganah machte auch während des 2. Weltkrieges wertvolle militärische Erfahrungen, nachdem eine Reihe seiner Mitglieder als Freiwillige in der britischen Armee dienten. Die anderen, die in Palästina blieben, setzten ihre Arbeit als Kontrolleure und Infiltranten in den etwa 1200 palästinensischen Dörfern fort, die seit Jahrhunderten dort bestanden.
Die Dorf-Akten
Beim Angreifen arabischer Dörfer und um Strafmaßnahmen auszuführen, sammelten die Zionisten Erfahrungen. Aber das war nicht genug. Es wurde systematische Planung gefordert. 1940 machte ein bebrillter Historiker der Hebräischen Universität mit Namen Ben-Zion Luria, damals in der Bildungsabteilung der jüdischen Agentur beschäftigt, einen bedeutenden Vorschlag. Er wies darauf hin, wie nützlich es sein würde, ein detailliertes Verzeichnis aller arabischen Dörfer zu haben und schlug vor, dass der Jüdische Nationalfund (JNF) solch eine Untersuchung durchführen solle. „Dies würde sehr der Erlösung des Landes helfen,“ schrieb er an den JNF . Er hätte sich an keine bessere Adresse wenden können. Auf diese Weise wurde der JNF in die vorgesehene ethnische Säuberung mit eingebunden und erzeugte so einen zusätzlichen Antrieb für den folgenden Vertreibungsplan.
1901 beim 5. Zionistischen Kongress gegründet, wurde der JNF zum wichtigsten Handlanger für die Kolonisierung Palästinas. Mit Hilfe dieser Agentur pflegte die zionistische Bewegung palästinensisches Land zu kaufen, auf dem sie dann jüdische Immigranten ansiedelte. Sie wurde zur Speerspitze der Zionisierung Palästinas während der Mandatsjahre. Von Anfang an war sie dafür bestimmt, der „Wächter“ des Landes zu Gunsten des jüdischen Volkes zu werden, des Landes, das die Zionisten in Palästina beanspruchten. Der JNF behielt auch nach der Staatsgründung seine wichtige Rolle und erhielt im Laufe der Zeit noch zusätzliche Aufträge zu dieser seiner ursprünglichen Aufgabe.
Trotz seiner größten Bemühungen hat der JNF beim Landerwerb seine Ziele nicht erreicht. Die finanziellen Mittel waren begrenzt, der palästinensische Widerstand wurde stärker und die britische Politik schränkte ein. Das Ergebnis war, dass am Ende des Mandates 1948 die zionistische Bewegung nicht mehr als 5,8 % des palästinensischen Landes hatte kaufen können. Deshalb wurde Yussef Weitz, der Chef der JNF-Siedlungsabteilung und Urtyp der zionistischen Siedler schwärmerisch, als er von Lurias Dorf­akten hörte. Er schlug gleich vor, dies zu einem „Nationalprojekt“ zu machen.
Alle, die sich damit befassten, wurden leidenschaftliche Unterstützer dieses Gedankens.. Yitzhak Ben-Zwi, einem Historiker und prominenten Mitglied der zionistischen Führung (Er wurde später Israels 2. Präsident) schrieb an Moshe Sharett, dem Chef der politischen Abteilung der jüdischen Agentur (und später Israels Ministerpräsident), dass außer den topographischen Berichten über die Dörfer, das Projekt auch die hebräischen Ursprünge jedes Dorfes einschließen sollte. Außerdem war es für die Haganah wichtig, welches der Dörfer verhältnismäßig neu war, da einige erst während der ägyptischen Besatzung Palästinas nach 1830 gebaut wurden.
Aber die größten Anstrengungen wurden beim kartographischen Aufzeichnen der Dörfer gemacht. Und zu diesem Zweck wurde ein Topographiker der Hebräischen Universität, der mit der Mandatsregierung arbeitete für das Unternehmen eingestellt. Er schlug vor, Luftaufnahmen von den Dörfern zu machen und zeigte Ben Gurion zwei solcher Karten der Dörfer von Sindyana und Sabarin. (Diese Karten – heute im israelischen Staatsarchiv – sind das einzige, was von diesen Dörfern nach 1948 übrig geblieben ist.) Die besten Berufsphotographen des Landes wurden dazu eingeladen, sich an dieser Initiative zu beteiligen. Yitzhak Shefer aus Tel Aviv und Margot Sadeh (Frau von Yitzhak Sadeh, dem Chef der Palmach (Kommandoeinheit der Haganah) wurden auch dafür eingestellt. Das Photolabor operierte in Margots Haus mit einer Bewässerungskompanie als Deckfirma. Das Labor musste vor den britischen Behörden versteckt werden, die es sonst als illegalen Geheimdienst – gegen sie gerichtet – betrachtet hätten. Auch wenn den Briten das Projekt bekannt war, gelang es ihnen nie, das versteckte Labor ausfindig zu machen. 1947 wurde die ganze kartographische Abteilung in das Hauptquartier der Haganah nach Tel Aviv verlegt.
Das Endergebnis der kombinierten topographischen und orientalistischen Bemühungen war eine große Akte detaillierter Dokumente, die nach und nach von jedem palästinensischen Dorf zusammen gestellt wurde. In den späten 40ern war das Archiv fast vollkommen fertig. Genaue Details wurden über die Topographie jedes Dorfes gemacht: Zugangsstraßen, Qualität des Landes, Quellen, Haupteinnahmequellen, seine gesellschaftliche Zusammensetzung, Religionszugehörigkeit, Name des Bürgermeisters, seine Beziehungen zu andern Dörfern, das Alter der Männer (zwischen 16 und 50) und vieles mehr. Eine besondere Spalte war der „Feindseligkeit“ (gegenüber dem zionistischen Projekt) gewidmet und wie weit es an der arabischen Revolte von 1936–39 teilgenommen hat. Es gab Listen, in denen die genannt werden, die an dem Aufstand beteiligt waren, und die Familien, die jemanden bei dem Kampf gegen die Briten verloren hatten. Besondere Aufmerksamkeit galt denen, die wahrscheinlich einen Juden getötet hatten.
Dass dies nicht mehr nur eine akademische Übung in Geographie war, war den Haganah-Mitgliedern schnell klar, die damit beauftragt waren, diese Daten auf „Wiedererkennungs“-Missionen in den Dörfern zu sammeln.  Einer von denen, der sich 1940 einer solchen Datensammlungsoperation angeschlossen hatte, war Moshe Pasternak, der sich viele Jahre später daran erinnerte:
„Wir sollten die Grundstruktur des Dorfes studieren d.h. wie es aufgebaut war und wie man es am besten angreifen kann. In den Militärschulen wurde mir beigebracht, wie man eine moderne europäische Stadt einnimmt, aber nicht ein einfaches Dorf im Nahen Osten. Wir konnten ein arabisches Dorf nicht mit einem polnischen oder österreichischen vergleichen. Das arabische Dorf war auf Hügeln gebaut. Wir mussten also herauskriegen, wie man sich ihm am besten nähert, von oben oder von unten. Wir mussten unsere „Arabisten“ (die mit einem Netzwerk von Kollaborateuren arbeiteten) trainieren, wie sie am besten mit Informanten arbeiteten.“
Tatsächlich wurde in vielen Dorf­akten von den Schwierigkeiten gesprochen, „mit den Informanten“ zusammenzuarbeiten und ein System von Kollaborateuren aufzubauen – mit primitiven Leuten, die gern Kaffee trinken und den Reis mit den Fingern essen. Pasternak erinnerte sich, dass man trotzdem 1943 das Gefühl hatte, ein gutes Netz von Informanten vor Ort zu haben. Im selben Jahr wurden die Dorfakte neu arrangiert; sie wurden noch systematischer. Das war vor allem die Arbeit eines Mannes, Ezra Danin, der dann eine führende Rolle bei der ethnischen Säuberung Palästinas spielte.
Es war die Rekrutierung von Ezra Danin, der aus seinem erfolgreichen Zitrushaingeschäft herausgeholt wurde, der auf viele Weisen die Geheimdienstarbeit und die Organisation der Dorf­akten auf eine neue Ebene der Wirksamkeit brachte. Die Akte in der Nach-1943-Ära schlossen für jedes Dorf detaillierte Beschreibungen über Haustiere, Landwirtschaft, die Zahl der Bäume, die Qualität jedes Obstbaumhaines, sogar einzelner Bäume, die durchschnittliche Größe des Landbesitzes, die Anzahl der Autos, die Namen der Ladenbesitzer, der Arbeiter in den Werkstätten, die Namen der Handwerker und ihre besonderen Begabungen. Später kamen noch Einzelheiten über jeden Familienklan und seine politische Zugehörigkeit, die soziale Schicht, das Verhältnis von Anwälten und gewöhnlichen Bauern und die Namen der Angestellten in der Mandatsregierung. ŠUm 1945 beginnen neue Daten bei der Beschreibung der Dörfer zu erscheinen: Beschreibung der Dorfmoschee, die Namen der Imane Šund sogar genaue Beschreibungen der Wohnungen von Würdenträgern. Es überrascht nicht, dass zum Ende des Mandates die Informationen mehr militärisch orientiert war: wie viele Wächter hat jedes Dorf – die meisten hatten keine – die Anzahl und Qualität der Waffen . Meistens veraltet oder nicht existent.
Danin rekrutierte einen deutschen Juden, Yakob Simoni. Er wurde später einer der führenden „Orientalisten“. Er wurde mit Sonderprojekten in den Dörfern beauftragt, wie das Überwachen der Arbeit der Informanten . Einer dieser Informanten mit dem Spitznamen „Schatzmeister“ erwies sich für die Datensammler als besondere Quelle für Informationen. Er überwachte das Netzwerk der Kollaborateure bis 1945. Dann wurde er entlarvt und von militanten Palästinensern umgebracht.
Mit Danin arbeiteten noch Yehoshua Palmon und Tuvia Lishanski, die eine aktive Rolle bei der Vorbereitung der ethnischen Säuberung von Palästina spielten. Lishanski war schon in den 40ern eifrig dabei, Kampagnen von zwangsweiser Vertreibung derjenigen auszuführen, die noch auf Land lebten, das vom JNF von abwesenden Großgrundbesitzern gekauft worden war.
Nicht weit entfernt vom Dorf Fureidis und der „alten“ jüdischen Siedlung Zikron Yaakov, wo heute eine Straße die Küstenschnellstraße mit der durch das Wadi Milk verbindet, liegt ein Jugenddorf, Shefeya. Hier wurden 1944 Spezialeinheiten vom Dorf­aktenprojekt beschäftigt und erhielten ihr Training. Von hier aus gingen die Einheiten zu ihren besonderen Einsätzen. Shefeya sieht wie ein Spionendorf im kalten Krieg aus: Juden liefen hier herum, sprachen arabisch und benahmen sich so, wie sie glaubten, dass sich Araber vom Lande benehmen. Im Jahr 2002 erinnerte sich einer der ersten Rekruten an diese Spezialtrainingsbasis und auch an seinen ersten Auftrag im nächsten Dorf Umm al Zaynat 1944. Er sollte das Dorf überwachen und Einzelheiten über den Wohnsitz des Bürgermeisters bringen, wo die Moschee steht und wo die reichen Dorfbewohner leben, die beim Aufstand von 1936–39 aktiv waren usw. Das waren keine gefährlichen Aufträge, da sie wussten, dass sie traditionelle arabische Gastfreundschaft ausnützen konnten. Ja sie waren sogar Gäste beim Bürgermeister selbst. Wenn es ihnen nicht gelang, alle Daten an einem Tag zu bekommen, baten sie darum, noch einmal kommen zu dürfen. Beim 2. Besuch mussten sie herausfinden, wie fruchtbar der Boden ist, was sie anscheinend sehr beeindruckt hat. 1948 wurde Umm al Zaynat zerstört und alle seine Bewohner ohne jede Provokation von ihrer Seite vertrieben.
Das letzte Datum in der Dorfakte war von 1947. Es handelte sich um eine Liste von „gesuchten“ Personen in jedem Dorf. 1948 verwendeten jüdische Soldaten diese Listen für die Durchsuchungs- und Verhaftungsoperationen, die ausgeführt wurden, sobald das Dorf besetzt worden war. Die Männer mussten sich in einer Reihe aufstellen und diejenigen, deren Namen auf der Liste standen, wurden identifiziert – oft von derselben Person, die sie informiert hatten. Nun hatten sie einen Sack über dem Kopf mit zwei Löchern für die Augen, damit sie nicht erkannt wurden. Die Männer, die herausgepickt wurden, wurden oft an Ort und Stelle erschossen.
Um auf diese Listen gesetzt zu werden, musste man nicht nur an Aktionen gegen die Briten und Zionisten teilgenommen haben, sondern sich auch in der palästinensischen Nationalbewegung, an der sich zuweilen ganze Dörfer beteiligten, engagieren und enge Beziehungen zum Führer der Bewegung Mufti Haj Amin Al-Husayni haben oder mit seiner politischen Partei verbunden sein. Seit Beginn des englischen Mandates 1923 hatte der Mufti in der palästinensischen Politik das Sagen und die wichtigsten Positionen wurden von Mitgliedern seiner Partei im arabischen „Higher Committee“, der embryonalen Regierung der Palästinenser gehalten. Auch dies wurde als Vergehen betrachtet. Um auf die Liste zu kommen, gab es noch andere Gründe wie z.B. Behauptungen, „in den Libanon gereist zu sein“, von den Briten verhaftet gewesen zu sein, oder ein Mitglied des nationalen Komitees im Dorf. Eine Überprüfung der Akte von 1947 ergab, dass Dörfer mit etwa 1500 Einwohnern gewöhnlich 20–30 solcher Verdächtiger hatte (z.B. rund um die südlichen Karmelberge bei Haifa Umm al Zaynat hatte 30 Verdächtige und im nahen Damum waren es 25.
Yigal Yadin erinnert sich, dass es diese Notizen und die detaillierten Kenntnisse eines jeden einzelnen palästinensischen Dorfes waren, die es der zionistischen militärischen Führung ermöglichte, im November 1947 selbstsicher den Schluss zu ziehen, dass die palästinensischen Araber niemanden hatten, der sie organisieren konnte“. Das einzig ernsthafte Problem waren die Briten: „wenn die Briten nicht gewesen wären, hätten wir den arabischen Aufstand – die Opposition gegen den UN-Teilungsplan von 1947 innerhalb eines Monats unterdrücken können.“
Vorbereitung auf den Krieg
Als der 2. Weltkrieg auf das Ende zuging, wurden die Ansichten der zionistischen Bewegung langsam klarer, wie sie einen Staat verwirklichen könnten. Zu jener Zeit wurde ihnen klar, dass die Palästinenser für den zionistischen Plan kein wirkliches Hindernis darstellen. Sie stellten zwar die überwiegende Mehrheit im Lande dar und insofern waren sie ein demographisches Problem, aber sie wurden nicht mehr als militärische Bedrohung empfunden. Dazu kam, dass die Briten die palästinensische Führung und Verteidigungsfähigkeit schon 1939 vollkommen zerstört hatten, als sie den arabischen Aufstand unterdrückten und so der zionistischen Führung reichlich Zeit ließen, um ihre nächsten Schritte vorzubereiten. Der zionistischen Führung war sich auch über die zögerliche Haltung der arabischen Staaten gegenüber der Palästinafrage insgesamt im klaren. Als die Gefahr einer Nazi-Invasion  gebannt war, wurde ihnen sehr deutlich bewusst, dass das einzige verbleibende Hindernis für die Übernahme des ganzen Landes die britische Präsenz ist.
Solange Großbritannien die Festung gegen Nazi-Deutschland halten musste, war es natürlich unmöglich, Druck auf dieses auszuüben. Aber mit dem Ende des Krieges und besonders mit der Nachkriegs-Labourregierung, die nach einer demokratischen Lösung in Palästina suchte (und die bei 75 % arabischer Mehrheit für das zionistischen Projekt den Untergang bedeutet hätte) war klar, dass die Briten gehen mussten. Etwa 100 000 brit. Soldaten blieben nach dem Krieg in Palästina. Bei einer Bevölkerung von weniger als 2 Millionen reichte dies als Abschreckung, auch als die Briten ihre Truppen nach dem Anschlag jüdischer Terroristen auf das Hauptquartier im Davidhotel noch einmal verringerten. Es waren diese Erwägungen, die Ben Gurion veranlassten, mit weniger als 100 % ,die 1942 mit dem Biltmore-Programm verlangt wurden, zufrieden zu sein und dass ein geringfügig kleinerer Staat der zionistischen Bewegung zunächst genug wäre, um ihr zu erlauben, ihre Träume und Ziele zu erreichen.
Dies war das Hauptproblem, das von der Bewegung Ende August 1946 debattiert wurde, als Ben Gurion die Führung der zionistischen Bewegung im Royal Monsue-Hotel in Paris versammelt hatte. Während Ben Gurion die extremistischen Mitglieder zurückhielt, sagte er der Versammlung, dass 80–90 % des Mandats Palästina ausreichten, um einen lebensfähigen Staat zu gründen, es sei denn, dass man in der Lage sei, eine jüdische Mehrheit abzusichern. „Wir werden ein großes Stück von Palästina fordern,“ sagte er den Anwesenden. Ein paar Monate später übertrug die Jüdische Agentur Ben Gurions „großes Stück von Palästina“ in eine Karte, die sie an die verteilten, die die Zukunft Palästinas entschieden. Interessanterweise stellte sich die Karte der jüdischen Agentur als größer heraus als die von der UN im November 1947 vorgeschlagene – aber bis fast auf den letzten Fleck so wie Israel nach dem 1948/49 Krieg aussah, d. h. Palästina ohne Westbank und den Gazastreifen.
Das Hauptproblem auf der zionistischen Agenda von 1946, der Kampf gegen die Briten löst sich im Februar mit der Entscheidung, Palästina zu verlassen und die Palästinafrage der UN zu übergeben. Tatsächlich hatte diese keine andere Wahl: nach dem Holocaust konnten sie mit einer drohenden jüdischen Revolte nicht so umgehen wie mit der arabischen in den 30ern. Abgesehen davon hatte die Labourpartei sich entschieden, Indien zu verlassen. So verlor auch Palästina für sie an Bedeutung. Kürzung des Heizmaterials im besonders kalten Winter von 1947 brachte die Botschaft nach London, dass das Empire bald eine zweitrangige Macht sei, sein globaler Einfluss von zwei neuen Supermächten in den Schatten gestellt würde (von den USA und der Sowjetunion) und seine Nachkriegswirtschaft lahm liege. Statt an so entfernten Orten wie Palästina festzuhalten, sah die Labourpartei eher darin ihre Aufgabe,die eigene Wirtschaft wieder aufzubauen. Schließlich verließ England in großer Eile Palästina – und ohne Bedauern.
Ende 1946 ist es Ben Gurion – noch vor Britanniens Entscheidung – klar geworden, dass die Britten abziehen. Mit seinen Mitarbeitern begann er, an einer allgemeinen Strategie zu arbeiten, die gegen die palästinensische Bevölkerung in dem Augenblick angewandt werden konnte, indem die Briten das Land verlassen haben. Dies wurde der Plan C (Gimel auf hebr.) Plan C wurde eine revidierte Fassung von zwei früheren Plänen. Plan A – auch Elimelech-Plan (Nach Elimelech Avnir, dem Haganah-Kommandeur in Tel Aviv, der 1937 in Ben Gurions Auftrag mögliche Richtlinien für die Übernahme Palästinas ausarbeitete, sobald die Briten sich zurückziehen. Plan B war 1946 ausgedacht worden. Kurz danach wurden Plan A und B zu Plan C.
Genau wie die anderen Pläne zielte Plan C dahin, die jüdischen Militärkräfte für eine Offensivkampagne gegen das ländliche und städtische Palästina vorzubereiten – sobald die Briten abgezogen waren. Der Zweck solcher Aktionen sollte Abschreckung der palästinensischen Bevölkerung sein, jüdische Siedlungen anzugreifen und sich für Angriffe auf jüdische Häuser, Straßen und den Verkehr zu rächen. Plan C sprach deutlich aus, wie solche Strafaktionen aussehen sollten:
–    Schlag gegen die politische Führung
–    Schlag gegen Aufwiegler und ihre finanziellen Unterstützer
–    Schlag gegen Araber, die Juden angriffen
–    Schlag gegen ranghohe arabische Offiziere und Angestellte der Mandatsregierung.
–    Schlag gegen palästinensischen Transport.
–    Quellen des Lebensunterhalts schädigen, wichtige wirtschaftliche Ziele (Wasser, Mühlen)
–    Angriffe gegen Dörfer, Stadtteile, die bei zukünftigen Angriffen mitmachen
–    Angriffe auf Clubs, Cafehäuser, Konferenzorte …

Plan C fügt noch hinzu, dass die nötigen Daten für die erfolgreiche Ausführung dieser Aktionen in den Dorf­akten gefunden werden könnten: die Liste der Führer, der Aktivisten, potentielle menschliche Ziele, der genaue Plan der Dörfer etc.
Im Plan fehlten aber Besonderheiten der Operationen. So wurde innerhalb weniger Monate ein neuer Plan aufgestellt, Plan Dalet. Dies war der Plan, der das Schicksal der Palästinenser innerhalb des Gebietes besiegelte, auf das die zionistischen Führer für den zukünftigen jüdischen Staat ihre Augen geworfen haben . Er enthielt im Gegensatz zum Plan C direkte Hinweise auf geographische Parameter des zukünftigen jüdischen Staates (78 % auf der Karte von 1946 der Karte der jüd. Agentur) und was das Schicksal der 1 Million Palästinenser betrifft, die in diesem Gebiet lebten:
  „Diese Operationen können in folgender Weise ausgeführt werden: entweder durch Zerstören der Dörfer (in dem man sie in Brand steckt, durch Sprengung, durch Minen, die in ihre Ruinen gelegt werden.) und besonders jene Bevölkerungszentren, die schwierig und auf Dauer; zu kontrollieren sind oder durch kombinierte Operationen, entsprechend den folgenden Richtlinien: umzingeln des Dorfes, Durchsuchung innerhalb des Dorfes. Im Falle von Wiederstand, müssen bewaffnete Kräfte vernichtet und die Bevölkerung nach außerhalb der Staatsgrenzen vertrieben werden.“
Kein Dorf innerhalb des geplanten Operationsgebietes wurde von diesen Ordern ausgenommen, weder durch seine Lage noch wegen erwartetem Widerstand. Es war der Gesamtplan für die Vertreibung aus allen Dörfern im ländlichen Palästina. Ähnliche Instruktionen – zuweilen im selben Wortlaut – für Aktionen in palästinensischen Stadtzentren.
Die Order, die direkt zu den Einheiten vor Ort gingen, waren genauer. Das Land war nach der Zahl der Brigaden in Zonen geteilt, wobei die vier ursprünglichen Brigaden der Haganah in zwölf aufgeteilt wurden, um die Ausführung des Planes zu erleichtern. Jeder Brigadekommandeur erhielt eine Liste der Dörfer oder Stadtteile seiner Zone, die zu einem bestimmten Zeitpunkt besetzt und zerstört und deren Bewohner vertrieben werden sollten . Einige Kommandeure waren beim Ausführen der Order übereifrig und fügten – im Eifer des Gefechtes – weitere Örtlichkeiten hinzu. Andrerseits konnten manche Order nicht innerhalb des Zeitplanes ausgeführt werden. Das heißt, dass mehrere Dörfer an der Küste, die im Mai besetzt werden sollten, erst im Juli besetzt wurden. Und den Dörfern im Wadi Ara-Gebiet, einem Tal, das die Küste in der Nähe von Hadera mit dem Raum um Afula verbindet (heute die Straße 65) gelang es irgendwie, alle jüdischen Angriffe bis zum Ende des Krieges zu überleben. Aber das war die Ausnahme. Der größte Teil des Planes, die Zerstörung der Dörfer und Stadtteile und die Vertreibung ihrer Bewohner, wurde ausgeführt. Und zu der Zeit, als der direkte Befehl im März veröffentlicht wurde, waren schon 30 Dörfer ausradiert.
Ein paar Tage, nachdem der Plan Dalet ausgedruckt worden war, wurde er den Kommandeuren von Dutzenden von Brigaden, aus denen nun die Hagana bestand, verteilt. Mit dieser Liste erhielt jeder Kommandeur eine detaillierte Beschreibung der Dörfer in seinem Operationsfeld und ihr bevorstehendes Schicksal: Besatzung, Zerstörung und Vertreibung. Die israelischen Dokumente, die aus den IDF-Archiven in den späten 90ern zugängig gemacht wurden, zeigen deutlich – entgegen den Behauptungen von Historikern wie Benny Morris, dass der Plan Dalet den Brigadekommandeuren nicht als vage Richtlinie gegeben wurde, sondern als klare, eindeutige Befehlsorder zum Handeln.
Nicht wie der allgemeine Planentwurf, der den politischen Führern gesandt wurde, enthielten die von den militärischen Kommandeuren empfangenen Listen der Dörfer keine Einschränkungen, in welcher Art und Weise Zerstörung und Vertreibung ausgeführt werden sollte. Es waren keine Maßnahmen vorgesehen, wie Dörfer diesem ihrem Schicksal entgehen konnten z. B. durch bedingungslose Aufgabe, wie in dem allgemeinen Dokument versprochen wurde. Es gab noch einen Unterschied zwischen dem Plan, der den Politikern, und dem, der den Militärs gegeben wurde: Der offizielle Plan besagt, dass der Plan erst nach dem Ende des Mandats aktiviert wird, während die Offiziere vor Ort den Befehl erhielten, mit der Ausführung des Planes wenige Tage nach Erhalt der Order zu beginnen . Diese Dichotomie ist typisch für die Beziehungen, die in Israel zwischen der Armee und den Politikern bis heute besteht. Die Armee informiert die Politiker falsch über ihre wirklichen Absichten – so wie Moshe Dayan es 1956, Ariel Sharon 1982 und Shaul Mofaz 2000 taten.
Was die politische Version des Plans Dalet und die militärische Direktive gemeinsam hatten, war das Ziel. In andern Worten: noch bevor die direkten Befehle vor Ort ankamen, wussten die Soldaten schon genau, was von ihnen erwartet wurde. Die verehrenswürdige und mutige israelische Kämpferin für Bürgerrechte, Shulamit Aloni, die damals Offizierin war, erinnert sich, wie spezielle politische Offiziere kamen, die Soldaten aktiv aufstachelten, die Palästinenser dämonisierten und sich auf den Holocaust beriefen, um die bevorstehende Operation zu rechtfertigen, die oft direkt nach dem Tag der Indoktrination stattfand.
Das Paradigma der ethnischen Säuberung
In meinem neuen Buch will ich zum einen den Mechanismus der ethnischen Säuberung von 1948 und zum anderen das kognitive System erklären, das es ermöglichte, dass die Welt (dies alles) vergessen und die Täter ihre von der zionistischen Bewegung begangenen Verbrechen gegen das palästinensische Volk ableugnen ließ. .
Mit andern Worten: Ich möchte das Paradigma des Krieges durch das Paradigma der ethnischen Säuberung ersetzen – als Grundlage für die wissenschaftliche Forschung und die öffentliche Debatte über 1948. Ich zweifle nicht daran, dass das Nichtvorhandensein des Paradigmas der ethnischen Säuberung einer der Gründe ist, warum die Ableugnung der Katastrophe so lange hat andauern können. Es ist nicht so, dass die zionistische Bewegung, indem sie den Nationalstaat gründete, einen Krieg begann, der „tragischerweise, aber unvermeidlich“ zu der Vertreibung von Teilen der einheimischen Bevölkerung führte. Es ist eher umgekehrt: Die ethnische Säuberung des Landes war das Ziel, wonach die Bewegung trachtete, um den Staat zu gründen. Der Krieg war die Folge, das Mittel, um sie auszuführen. Am 15. Mai, einen Tag nach dem offiziellen Ende des Mandates und dem Tag, an dem der Staat Israel proklamiert wurde, schickten die benachbarten Staaten eine kleine Armee – klein im Vergleich zu ihrer militärischen Fähigkeit. Sie sollte versuchen, die ethnische Säuberung, die schon seit über einem Monat in vollem Gang war, aufzuhalten. Der Krieg mit den regulären arabischen Armeen tat nichts, um die fortschreitende ethnische Säuberung zu verhindern. Sie ging erfolgreich bis in den Herbst 1948 weiter.
Vielen mag die Idee, das Paradigma der ethnischen Säuberung anzunehmen als eine Grundlage a priori für das Narrativ von 1948, als nichts anderes als eine Anklage erscheinen. Und in vielerlei Weise ist es mein persönliches j‘accuse [ich klage an] gegenüber den Politikern, die die ethnische Säuberung vorgeschlagen und gegenüber den Generälen, die sie ausgeführt haben. Diese Männer sind nicht unbekannt. Sie sind die Helden des jüdischen Krieges der Unabhängigkeit, und ihre Namen werden den meisten Lesern bekannt sein. Die Liste beginnt mit dem unbestrittenen Führer der zionistischen Bewegung, David Ben Gurion, in dessen privater Wohnung all die Kapitel über ethnische Säuberung diskutiert und abgeschlossen wurden. Er wurde von einer kleinen Gruppe Leute unterstützt, einem Beratungsteam, das sich nur zu dem Zweck versammelte, um die Enteignung der PalästinenserInnen zu planen. In einem der wenigen Dokumente, in dem über das Treffen berichtet wird, wird von einem „Beratenden Komitee“ gesprochen; in einem anderen erscheinen die 11 Namen dieses Komitees. Obwohl all diese Namen vom Zensor gelöscht wurden, ist es möglich, sie zu rekonstruieren.
Diese Klicke bereitete die Pläne für die ethnische Säuberung vor und überwachte die Durchführung, bis der Job der Entwurzelung der Hälfte der einheimischen Bevölkerung vollbracht war. In dieser Klicke waren vor allem die hochrangigen Offizieren der zukünftigen Armee des Staates, wie der legendäre Yigal Yadin und Moshe Dayan. Ihnen schlossen sich außerhalb Israels weniger bekannte Leute an wie Yigal Alon und Yitzhak Sadeh, denen die regionalen Kommandeure wie Moshe Kalman folgten, der die Gegend um Safed „säuberte“; Moshe Carmel, der den größten Teil in Galiläa entwurzelte. Yitzhak Rabin operierte in Lydda und Ramleh und im Raum Jerusalem. Shimon Avidan säuberte den Süden; viele Jahre später sagte Rechavam Ze‘ewi, der mit ihm kämpfte, bewundernd, dass „er seine Front von zig Dörfern und Städten säuberte“. An der südlichen Front war auch Yitzhak Pundak, der 2004 in Haaretz erzählte: „Dort gab es 200 Dörfer an der Front – und sie sind alle weg. Wir mussten sie zerstören, sonst hätten wir hier im südlichen Teil Araber wie in Galiläa. Wir hätten sonst eine weitere Million Palästinenser.“
Diese Militärs arbeiteten zusammen mit – wie wir heute sagen würden – den „OrientalistInnen“, ExpertInnen der arabischen Welt im Allgemeinen und den PalästinenserInnen im Besonderen, weil sie entweder selbst aus einem arabischen Land kamen oder weil sie WissenschaftlerInnen auf dem Gebiet der nahöstlichen Studien waren. Einige von ihnen waren in dieser wichtigen Zeit vor Ort Offiziere der Nachrichtendienste. „Weit davon entfernt nur Sammler von Daten über den Feind zu sein, haben diese Offiziere nicht nur eine größere Rolle beim Vorbereiten der Säuberung gespielt, einige von ihnen beteiligten sich auch persönlich an einigen der schlimmsten Grausamkeiten, die die systematische Enteignung der PalästinenserInnen begleitete.
Sie waren es, denen die letzte Entscheidung gegeben wurde, welches Dorf zu Staub verwandelt und welche DorfbewohnerInnen exekutiert werden sollten. Im Gedächtnis palästinensischer Überlebender, waren sie es, die nach einer Besetzung eines Dorfes über das Schicksal der Bewohner entschieden, was entweder Gefangenschaft oder Freiheit bedeutete. Kann man den Unterschied zwischen Leben und Tod buchstabieren? Ihre Operationen wurden von Issar Harel überwacht, der später der erste Chef des Mossad und des Shin Bet, der Geheimdienste Israels, wurde.
Ich erwähne ihre Namen – aber es geht mir nicht darum, dass sie posthum vor Gericht gebracht werden. In meinem Buch geht es mir darum, den Tätern genau so wie den Opfer ein menschliches Antlitz zu geben. Ich möchte verhindern, dass die Verbrechen, die Israel begangen hat, irgendwelchen „Umständen“, „der Armee“ oder wie Benny Morris es tat, „dem Krieg als Krieg“ zugeschrieben werden oder anderen ähnlich vagen Hinweisen, die souveränen Staaten die Verantwortung abnehmen. Ich will Individuen ein Gewissen geben. Ich klage an, aber ich bin auch Teil der Gesellschaft, die verurteilt wird. Ich fühle beides: ich fühle mich verantwortlich und bin ein Teil der Geschichte. Aber wie andere in meiner eigenen Gesellschaft bin ich davon überzeugt, dass nur eine schmerzvolle Reise in die Vergangenheit der einzige Weg nach vorn ist, wenn wir eine bessere Zukunft für uns alle, für die PalästinenserInnen genau so wie für die Israelis, schaffen wollen.