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Weil nicht sein kann, was nicht sein darf

Kurt Hofmann

El Awadalla: Zu viele Putzfrauen. Ein Wiener Krimi

15.05.2020

Weil die Brüder von Dragica im Kriminal waren, ist sie dem Kowarik, der die Ermittlungen über  den gewaltsamen Tod der alten Auinger leitet, sofort  verdächtig, vor allem aber, weil sie migrantischer Herkunft ist. Dragica hat bei der  alten Auinger geputzt, und  dass sie keinen Grund hatte, diese umzubringen, mit diesem Argument kann sie sich beim Kowarik putzen.  Das Kriminal: ein alter Wiener Ausdruck für Gefängnis. Gefangen-Sein in Vorstellungen,  wie eine Sache beschaffen sei: Davon handelt El Awadallas neues Buch „Zu viele  Putzfrauen“  und ist in diesem Sinn auch ein Kriminal-Roman.

Einer  bietet sich den Polizeibeamten  sofort als  Zeuge an, obgleich er nichts gesehen hat, aber  etwas hätte sehen können, blickt er doch ständig durch den  Spion, das Guckloch in seiner Tür, um  zu beobachten, was sich im  Haus  so tut. Um  ja nichts zu verpassen, hat er  vor seinem Wohnzimmerfenster auch noch zwei Panoramaspiegel montiert.  Aber der Pensionist Josef Gruber, der  ein festgefahrenes Bild  von  der Welt im  allgemeinen und seinen  MitbewohnerInnen im besonderen sein  eigen  nennt, ist kein Spion, eher  schon ein Spekulant, denn er spekuliert, statt als Zeuge zu taugen.

Das  wieder stört  den  Kowarik nicht so sehr, denn der Gruber ist einer vom  alten Schlag und wohl so wie er „ein  Anhänger der Abschieberpartei“ (Awadalla/Zu viele Putzfrauen, S.63). Wer einen Fall aufklären will, ohne aufgeklärt zu sein, landet unweigerlich bei xenophobischen  Einsichten. Also wird  Dragica vor den Augen ihres Kindes in ein  Polizeiauto gezerrt und in der Boulevardpresse als Schuldige benannt.

Die Ermittlungen  gehen  nur schleppend voran, denn  Kowarik, der Ermittler, ist ein Gegner unerwarteter Einsichten: „Kowarik hat endlich eine neue Spur. Eigentlich ist er  überhaupt nicht  neugierig auf  neue Spuren.“ (Awadalla, Zu viele Putzfrauen, S.62). Letztlich führen aber alle Spuren  ins  Leere, Kommissar Zufall, nicht Kowarik, klärt den Fall.

In El Awadallas „Zu viele Putzfrauen“  (Milena-Verlag) geht es um „Milieu“ und  Denunziantentum, von Gentrifizierung und Mietbetrug ist ebenso die Rede wie von  Frauenfeindlichkeit. Doch wehe, wenn eine  (junge) Frau einem altgedienten Helden der Männlichkeit  widerspricht: „Kowarik sind diese Frauen unheimlich. Eigentlich sind ihm gerade alle Frauen unheimlich“ (Awadalla, Zu viele Putzfrauen, S.85).

Nicht zuletzt ist auch das Oben und Unten stets präsent, etwa wenn eine Zeugin „aus besseren Kreisen“ auftritt und  mit  einem Satz wie „Die Dame  rümpft ihre Hochnase“  (Awadalla, Zu viele Putzfrauen, S.54) charakterisiert wird…  Dass die Geschichte based on a true story ist, vergisst der Verlag zwar nicht zu erwähnen, vor allem ist sie jedoch exemplarisch. Einer wie Kowarik ist nicht der  sattsam bekannte „Einzelfall“: „Daraus schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was  nicht sein darf!“ heißt es dazu schon bei Christian Morgenstern. Da ist all das zu Erwartende, das sich schließlich doch zu scharfen Charakterisierungen  verdichtet.  Der Ort des Geschehens ist Wien, unüberhör- und –lesbar. 

Die Sprache, zumal das Idiom kann entlarvend sein, darauf setzt El Awadalla in  „Zu viele Putzfrauen“ mit Horvath’scher  Genauigkeit, und  wenn  dabei auch noch einige Wuchteln abfallen, ist das unter  Mehrwert  zu verbuchen.