Tom Segev: Die ersten Israelis
Tom Segev ist der prominenteste der israelischen "neuen Historiker", die den Mythen der offiziellen zionistischen Geschichtsschreibung harte Fakten und kritische Reflexionen gegenüberstellen.
01.02.2009
Sein Buch "Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates" erschien im Original schon 1986; seit 2008 liegt erstmals auch eine deutsche Übersetzung vor. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe beschreibt Segev seine Erkenntnisse, als er nach Ablauf der 30-Jahres-Frist bis dahin geheime Regierungsakten und andere offizielle Dokumente studierte: "Das war nicht das, was man mir in der Schule beigebracht hatte! Der Inhalt, der sich mir offenbarte, war weniger ehrenwert und weniger heldenhaft als das, woran ich gewohnt war zu glauben. Da gab es Akten, die Befehle dokumentierten, die Rückkehr der arabischen Flüchtlinge zu verhindern und sie aus ihren Häusern zu vertreiben." Die von oben angeordnete Vertreibung von PalästinenserInnen während des "Unabhängigkeitskrieges", der für die arabische Seite zur "Nakba" (Katastrophe) wurde, hat Segev in seinem Buch sorgfältig belegt.
Dass die vorrückende israelische Armee auch auf Beute aus war, ist ein weiterer Aspekt, der dem offiziellen Heldenlied widerspricht. Dabei verwischt Segev keineswegs die Widersprüche innerhalb der israelischen Gesellschaft: So stellt er "Veteranen und Neuankömmlinge", "Orthodoxe und Säkulare" gegenüber. An seinem Befund, dass die etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung umfassende arabische Minderheit keine volle Gleichberechtigung genieße, hat sich seit der Erstausgabe des Buches leider nichts geändert. Dass die Glaubensgemeinschaft der bedingungslosen VerteidigerInnen israelischer Regierungspolitik seine Forschungsergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt, ist bedauerlich. An Segev liegt es nicht - er ist ein Aufklärer im besten Sinne.
Js (in: analyse & kritik, 16.1.12009)
Tom Segev: Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates. Siedler-Verlag, München 2008, 414 Seiten, ca. 26 EUR